Die Auswirkungen der novellierten GOZ sollten bis zur Mitte des Jahres 2015 gemäß Paragaf 12 der GOZ von der Bundesregierung überprüft und darüber dem Bundesrat berichtet worden sein. Es handelt sich dabei um eine Prüfung der Auswirkungen der Neustrukturierung und Neubewertung der Leistungen.
Öffentlich hört hat man bislang davon wenig. Kann somit angenommen werden, dass die Entwicklung innerhalb des angesetzten Rahmens von 6 Prozent Steigerung geblieben ist und sich wohl in den Folgejahren unterproportional fortentwickelt hat?
Gab es zum Beispiel Ende 2012 ca. 239 substanzielle Beanstandungsthemen, die von Kostenerstattern als Anlass oder zur Begründung von Erstattungsminderungen herangezogen wurden, sind es im ersten Halbjahr 2015 nun 482 unterschiedliche Themen. Das ist eine letztlich unerklärliche Steigerung um mehr als 100 Prozent. Waren vor beziehungsweise zu Beginn der Anwendung der GOZ ’12 die Themen „Bemessen/Begründen“ (18 Prozent), „Analogien“ (10 Prozent) und „Material- und Laborkosten“ (8 Prozent) führend, so sind es 2015 zwar immer noch die Themen Analogie und Material- und Laborkosten – in der Gewichtung etwas verändert –, jedoch ist ein neues Thema hinzugekommen.
Skandal oder Tragödie?
Die Bestandungen rund um die Nummer 2197 GOZ (adhäsive Befestigung) in allen Varianten – gegen alle und jede Verbindung mit einer Grundleistung – haben extrem zugenommen und nehmen nun den dritten Platz in der Beanstandungsriege ein. Diesen unheilvollen „Geist“ hat die Bundeszahnärztekammer „aus der Flasche“ gelassen. Er erobert sich immer weitere Felder: Wer zu verantworten hat, dass zunächst einmal bei den Nummern 2060 ff. (Kompositrestaurationen) und dann immer öfter eine „Mehraufwandvergütung“ als Bestandteil erst einer, dann zuletzt fast jedweder Grundleistung bezeichnet werden kann, der hat Tür und Tor geöffnet für so waghalsige Gegenargumentation, zum Beispiel: „In der seit 1987 genau so beschriebenen und seither völlig unverändert bewerteten Leistung „Eingliedern eines Klebebrackets“ (6100 GOZ) ist die seit GOZ-Novellierung 2012 neue „Mehraufwandvergütung“ nach Nr. 2197 (bereits seit 25 Jahren) enthalten.“
Der Nichterstatter verkürzt diese Aussage nach seiner Manier: „In der Leistung ,Klebebracket‘ ist adhäsive Befestigung enthalten“ (ansonsten würde das Bracket nicht kleben). – Das heißt: Mehraufwand? Nie gehört, gibt es nicht, eher weniger als zuvor.
Machten Anfang 2012 die drei Spitzenreiter im Beanstandungswesen ca. 36 Prozent der Beanstandungen aus, so stellt sich das für das erste Halbjahr 2015 mit ca. 35 Prozent fast unverändert dar, mit weiter steigender Tendenz bei den Beanstandungen zur Analogberechnung, etwas fallender bei dem Thema „Material- und Laborkosten“ und deutlicher steigender Tendenz bei der Nr. 2197 GOZ. Bei „Bemessen/Begründen“ (plus 0,2 Prozent) ist der Anteil am gestiegenen Beanstandungsvolumen fast gleich geblieben, dennoch reichte es nur für Platz vier.
Die Tendenz zur immer weiteren Aufsplittung der Beanstandungen in Einzelthemen scheint gestoppt, die Entwicklung ist eher rückläufig. Allerdings findet ein nicht unerheblicher Themenaustausch statt: Neue Themen kommen, alte sind auf einmal des Vorbringens nicht mehr wert. Es wird offenkundig ganz systematisch ausprobiert, wo gut zu argumentieren und damit Erstattung zu sparen ist. Kostenerstatter beanstanden prozentual gemäß den Zahlen der ZA-Statistik immer noch ca. doppelt so häufig wie vor beziehungsweise zu Beginn der Geltung der GOZ ’12. Es kann aber festgestellt werden, dass die ersten zehn Beanstandungsthemen nun fast 70 Prozent der Beanstandungsfälle ausmachen, auch hier ein um ca. 2 Prozent gestiegener Anteil.
Mehr als zwei Drittel der Einwände betreffen die ersten zehn Beanstandungsthemen
Die nebenstehende Tabelle ist prinzipiell vergleichbar mit denen der Vorjahre und beruht auf einer Zusammenfassung unter allgemeinen Überschriften. So verbergen sich unter der Überschrift „Analogie“ zurzeit 59 Einzelthemen, die in sehr unterschiedlicher Häufigkeit vorkommen. Es sind unter dieser Überschrift führend völlig unbestimmte beziehungsweise unbegründete Einwände mit pauschaler Ablehnung der Analogberechnung, ohne Wenn und Aber, oder sogar mit eigenmächtiger Festlegung einer „genehmen“, stets niedriger bewerteten Analogziffer. Dann kommen die Themen „Ausräumen, Fragment-/Hindernisentfernung“ im Wurzelkanal und es folgt der präendodontische Aufbau, dann der (ominöse) „geschichtete“ SDA-Kompositaufbau als Analogleistung und dann die „antimikrobielle photodynamische Therapie“ (aPDT, PDT, PT, PACT etc.).
Einwände gegen „Kariesdetektoranwendung“ und ähnliche Kariesdiagnostik sind in der Häufigkeit zuletzt wieder – wohl dank neuer Verfahren – gestiegen. Die Laseranwendung zieht immer mehr Widerspruch auf sich, allerdings bei gesteigerten Fallzahlen, trotz – oder wegen – deutlicher und präziser Beschlüsse des „GOZ-Expertengremiums“ in Zusammenarbeit und förmlicher Abstimmung mit der Deutschen Gesellschaft für Laserzahnheilkunde“ (DGL) (zu finden im Kombi-Kurzverzeichnis der ZA eG). Die genannten Einzelthemen erreichen in der Häufigkeit die Zahlen der blinden Pauschalablehnung.
Die ersten zehn Beanstandungsthemen machen in der Summe mehr als zwei Drittel (69,6 Prozent) aller Einwände gegen zahnärztliche Rechnungen aus. Die Zusammenfassung verbirgt einerseits die stark angewachsene Zahl der Einzelthemen unter den genannten Überschriften, andererseits gibt es eine sehr hohe Zahl von Themen, die unterhalb von einem halben Prozent Anteil etc. am Gesamtbeanstandungsgeschehen liegen.
Pauschalablehnungen nehmen stark zu
Erschreckend ist die Zunahme von kaum oder total unbegründeten Pauschalablehnungen. Es sind nur wenige Versicherungen, die sich auf diesem Feld hervortun. Es ist zum Beispiel allseits bekannt, dass die Beihilfe die Spitzenposition bei der substanziell unbegründeten Ablehnung von höheren Gebührensätzen einnimmt – Bescheid: „Der Regelsatz wurde überschritten.“ Punkt, Ende.
Die Beihilfe ist auch führend bei Pauschalablehnung funktionsanalytischer/-therapeutischer Leistungen, aber die Post besetzt den Spitzenplatz bei der vollständig unbegründeten Ablehnung von Analogleistungen. Bei der wenig begründeten Ablehnung von Material- und Laborkosten tun sich zurzeit besonders die HUK Coburg (pauschal), auch die Central-Krankenversicherung (detailliert), die DBV (Sachkostenliste), die Versicherungskammer Bayern beziehungsweise Bayerische Beamtenkrankenkasse (Liste der angemessenen Laborkosten), jetzt weniger die Allianz und kaum noch die Barmenia hervor.
Zu beobachten ist auch eine weitere Zunahme von Pauschalablehnungen mittels so genannter „Sachkostenlisten“, wobei ein überwiegender Teil dieser Listen einseitig etabliert wurde und wird, ohne dass sie in der Realität Vertrags-/Tarifbestandteile geworden wären. Mit einer derartigen Vorgehensweise werden steigende Zahlen von Versicherten konfrontiert, fast „überfahren“. Diese Patienten, aber auch viele Praxen wissen sich bei diesem Thema kaum zu helfen.
Adhäsive Befestigung
Wie erwähnt, ist die meist angegriffene Gebührenziffer die Nummer 2197 GOZ; die nächstbetroffene einzelne Gebührenziffer (2390 „Trepanation“) erreicht gerade mal ein knappes Viertel der Beanstandungszahlen der Nummer 2197 GOZ. Da ist zu beobachten, dass die Zahl der Einwände gegen den Ansatz dieser Mehraufwandvergütung bei Kompositrestaurationen (2060 ff. plus 2197) prozentual weiter zurückgeht. Einwände gegen den Ansatz der 2197 in anderen Kombinationen haben dagegen stark zugenommen und erreichen nun auch schon fast 65 Prozent der recht hohen Zahlen bei direkten Kompositrestaurationen.
Vereinfachend kann zusammengefasst werden, dass die Nummer 2197 mittlerweile in jeder denkbaren Kombination fast routinemäßig beanstandet wird (21 Einzelthemen). Eine kontraproduktive, nicht stringente Kommentierung der Bundeszahnärztekammer ist dafür Hauptursache, und das Kesseltreiben grundsätzlich gegen jeden Ansatz der Nummer 2197 ist auch von Zahnärzten zu verantwortenden Brüchen bezüglich der zahnmedizinisch-fachlichen Aspekte der Adhäsivtechnik zu verdanken: Der Streit bei Nummer 2197 ist ein fachliches zahnmedizinisches Problem, längst durch das offizielle Gutachten der Deutschen Gesellschaft für Zahnerhaltung (DGZ) fachlich zwingend offengelegt. Aufgrund zahnmedizinisch unzutreffender Fakten sind juristische Urteile nicht zutreffend möglich.
In der Rechtsprechung zur Nummer 2197 zeigen sich zurzeit uneinheitliche Tendenzen: Ähnlich (etwas besser) wie bei der Urteilslage zur Nummer 2390 (Trepanation), welche die BZÄK weiterhin uneingeschränkt propagiert, stellt sich die Lage bei der Nummer 2197 dar, wozu es ein die Nebeneinanderberechnung (2060 ff.) ablehnendes Verwaltungsgerichts- und ein befürwortetendes Amtsgerichtsurteil gibt, letzteres lehnt die BZÄK weiterhin uneingeschränkt ab.