Auch Zahnarztpraxen müssen sich einer regelmäßigen Wirtschaftlichkeitsprüfung unterziehen. DZW-Autor Dr. Dr. Klaus Oehler schreibt jedoch über eine negative Entwicklung, die sich in der Prüfpraxis einiger KZVen breitgemacht hat. Mit Argumenten bräuchten diese jedenfalls nicht mehr kommen.
Leider war nicht Karneval, als ein Bescheid beschlossen und dann zugestellt wurde in einer zahnärztlichen Wirtschaftlichkeitsprüfung, die in einem KZV-Bereich mit karnevalistischer Tradition stattfand. Dann hätte man die hervorstechende Passage in diesem Beschluss einer Wirtschaftlichkeitsprüfung möglicherweise als belustigend hingenommen.
Der Gesetzgeber hat mit der Herausnahme der Pauschalprüfung als Regelprüfmethode im Paragrafen 106 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) seinen schon seit Langem bestehenden Willen nach Prüfung der Qualität der Leistungen deutlich gemacht, weil seine Erhebung über die Prüfungspraxis in den Bundesländern durch einen von ihm eingerichteten Prüfdienst ergeben hatte, dass die statistische Wirtschaftlichkeitsprüfung "minderwertig" ist (Bundestags-Drucksache 15/1525). Deshalb soll diese Prüfung nach Durchschnittswerten nachrangig sein. Diese Pauschalprüfung scheint aber mehr als zehn Jahre nach der Änderung des Paragrafen 106 SGB V immer noch die Regelprüfmethode in mehreren KZV-Bereichen zu sein.
Die oben angesprochene Prüfstelle hatte in besagtem Bescheid ihr "Festhalten an der Prüfung nach Durchschnittswerten", die "in praktikabler Weise und mit vertretbarem Aufwand zu tragfähigen Erkenntnissen" führe, mit folgendem Gedanken verteidigt: Der Aufwand bei einer eingeschränkten Einzelfallprüfung sei "unter Berücksichtigung aller dem Arzt in jedem Einzelfall zur Verfügung stehenden Einwendungen um ein Vielfaches höher" und würde "letztlich dazu führen, dass die Prüfung nicht mehr in angemessener Zeit und mit noch beherrschbarem Aufwand in rechtsstaatlich einwandfreier Weise abgewickelt werden" könne.
"Die weiteren Prüfmethoden können daher immer nur dann herangezogen werden, wenn und soweit aufgrund besonderer Umstände die statistische Vergleichsprüfung keine beweistauglichen Ergebnisse liefert" – "kein beweistaugliches Ergebnis" kann hier nur bedeuten: keine Kürzung rechtfertigt.
Intention des Gesetzgebers ins Gegenteil verkehrt
Mit solchen Sätzen wird die Intention des Gesetzgebers, der vermehrt eine Prüfung der Qualität der Leistungen gewollt hatte, völlig ins Gegenteil verkehrt und missachtet. Die Rechtsprechung, auf die sich die Prüforgane immer wieder zurückziehen, stammt aus einer Zeit, in der das Prüfgeschäft noch in den Händen der KZVen lag. Bei den damaligen Klagen gegen die Beschlüsse der Widerspruchsausschüsse war noch die jeweilige KZV auf der Gegenseite beteiligt.
Die unseligen Urteile, mit denen sich heute der geprüfte Zahnarzt im jeweiligen Verwaltungs- beziehungsweise Sozialgerichtsverfahren, herumschlagen muss, stammen noch aus der Zeit, in der die KZVen – verständlicherweise – gegen ihr (Zwangs-)Mitglied gewinnen wollten; und das will ja schließlich jeder, der als Partei in einen Rechtsstreit involviert ist, und dies mit allen zur Verfügung stehenden rechtsstaatlichen Mitteln.
Man kann den Eindruck gewinnen, dass die wenigsten von den KZVen als Mitglieder für Prüfgremien benannten Zahnärzte wissen, welche Annahmen, Fiktionen und Hypothesen als „Krücken“ von den Sozialgerichten geschaffen worden sind, damit überhaupt statistische Prüfungen als rechtsstaatlich angesehen werden konnten. Annahmen sind Behauptungen, dass etwas (nicht) vorhanden ist. Hypothesen heißen eben so, weil sie nicht bewiesen sind. Und Fiktionen sind bewusst gesetzte, widerspruchsvolle oder falsche Annahmen als methodisches Hilfsmittel bei der Lösung eines Problems.
Einzelfallprüfung ist gerechtere Prüfmethode
Dass die Einzelfallprüfung die gerechtere, weil am individuellen Patienten ausgerichtete Prüfmethode ist, wird/wurde nicht bestritten. Aber um eine statistische Prüfung überhaupt durchführen zu können, wurde ja die Hypothese der Homogenität des Patientengutes (= des Behandlungsbedarfs in den Praxen) und der Behandler (= Vergleichsgruppe) erarbeitet. Es gilt somit der normierte Zahnarzt, der einen normierten Patienten behandelt. Dies wurde/wird mit der Fiktion kombiniert, dass die überwiegende Mehrheit der Behandler lege artis therapiert, ohne den Patienten irgendeine Maßnahme vorzuenthalten.
Und diese "Krücken" sind – auch – von den KZVen akzeptiert und immer wieder in Beschlüssen als Begründung für statistische Prüfungen angeführt worden. Der ehemalige Bundessozialrichter Schröder-Printzen hatte einmal bei einer Sozialrechtstagung erklärt, dass er das von ihm seinerzeit mitbeschlossene Urteil über die Umkehr der Beweislast für die Wirtschaftlichkeit der Behandlung "nie gemocht" hat. "Die Umkehr der Beweislast auf den Arzt würde ich heute so nicht mehr entscheiden." Aber wer interessiert sich schon für Geschichte?
Die für Prüfungsausschüsse und Sozialgerichte vorhandenen Vorteile statistischer Prüfungen, die hauptsächlich darin liegen, dass diese Prüfung nach Durchschnittswerten einfacher, billiger und schneller durchzuführen ist, erweisen sich für den Geprüften regelmäßig als Nachteile.
Und auf dieses "einfacher" und "schneller" hebt jetzt die oben zitierte Passage des Bescheides ab, die danach klingt, dass der geprüfte Zahnarzt bloß nicht bei jedem Einzelfall nachweisen dürfe/solle, warum sein abgerechneter Aufwand gerechtfertigt war, weil damit das Bemühen der Prüfer/Prüfstelle „um ein Vielfaches höher“ würde.
Es ist den Autoren dieses Beschlusses hoch anzurechnen, dass sie endlich ehrlich in einen Bescheid hineingeschrieben haben, dass man sich nicht mit den „Einwendungen“ des Zahnarztes auseinandersetzen will aus Angst, der Aufwand würde höher. Mit „rechtsstaatlich einwandfreier Weise“, wie in dem Bescheid erwähnt, hat das allerdings nur etwas zu tun, wenn das Verständnis von Rechtsstaatlichkeit etwas absonderlich ist, quasi Erdogan-mäßig.
Qualifikation der Prüfer zu hinterfragen
Solche Äußerungen, gleichgültig ob schriftlich oder mündlich abgegeben, sind deutliche Hinweise darauf, dass es vielfach an einer für ein solches Amt in einem Prüfungsausschuss erforderlichen Eignungsüberprüfung und Fortbildung mangelt. In ein solches „Ehrenamt“ gelangt man nicht wegen seiner dafür hervorgehobenen und nachgewiesenen Kompetenz.
Die Kompetenz der Mitglieder der Prüfungsausschüsse sowohl auf Krankenkassenseite wie auch auf Zahnarztseite wird stillschweigend vorausgesetzt. Kein Mitglied eines Prüfungsausschusses musste jemals seine Qualifikation für ein solches Amt nachweisen.
Den Sozialgerichten scheint auch nicht bekannt zu sein, dass die Prüfer auf diesem Gebiet keine besseren Erkenntnisse haben als die Geprüften, was man aber von einem quasi als Sachverständigen (für zahnärztliche Wirtschaftlichkeitsprüfungen) eingesetzten zahnärztlichen Mitglied eines solchen Ausschusses erwarten müsste, da er mit seinen Kenntnissen über die des Geprüften gesetzt wird. Sachkundig ist schließlich etwas Anderes als sachverständig. Sachkundig ist jeder Zahnarzt für sein Fach, aber sachverständig?
Ob durch Wahl von ehrenamtlichen Mitgliedern einer KZV in ein solches Prüfgremium auch ein solcher übergeordneter Sachverstand in die Prüfentscheidungen einfließt, wie es die Sozialgerichtsbarkeit annimmt (zum Beispiel Landessozialgericht – LSG – Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 13. Mai 1998, Az.: L 11 Ka 14/98), darf bezweifelt werden; beispielsweise, wenn verlangt wird, dass für einen Verlängerungsantrag der Kostenübernahme einer PAR-Behandlung ein neues Röntgenbild hätte angefertigt werden müssen, da die „alte“ Aufnahme zum Behandlungszeitpunkt älter als ein halbes Jahr sei. Mit dieser Argumentation sollte die gesamte PAR-Behandlung nachträglich abgesetzt werden, obwohl die dies beantragende Krankenkasse den Verlängerungsantrag umgehend genehmigt hatte.
Welcher Bundestagsabgeordnete war es noch, der bei einer Sachverständigenanhörung im Deutschen Bundestag damals laut gerufen hatte: "Sachkenntnis hindert nur"?