Ganz genau hinzusehen, das ist Aufgabe des Zahnarztes, wenn es darum geht, die orale Situation seines Patienten zu erfassen und die richtigen Schlüsse zu ziehen, etwa für eine prothetische oder implantatprothetische Versorgung. Genau hinzusehen allein reicht aber nicht aus. Erst mit der Gewinnung von Informationen zum Beispiel über Position, Morphologie etc. wird die Basis geschaffen, prothetisch arbeiten zu können.
Diese Daten benötigt der Zahntechniker selbstverständlich auch. Trotz Digitalisierung auch in der Zahnmedizin bilden nach wie vor zwar überwiegend „konventionelle“ Daten in Form von Abformung die Basis zahntechnischer Arbeit, aber die digitale Datengewinnung mithilfe intraoraler Scanner ist auf dem Vormarsch – und wird über die Zeit zur Selbstverständlichkeit werden.
Fakt ist: Zahntechniker dürfen nicht im Mund des Patienten tätig werden
Unzweifelhaft würde ein Zahntechniker, der einen Scan vornimmt, in Detailfragen anders an den Scan herangehen als ein Zahnarzt. Er braucht Informationen, die ein Zahnarzt nicht unbedingt benötigt. Umgekehrt gilt dasselbe. Was liegt also näher, Zahnarzt und Zahntechniker jeweils die Aspekte der Datengewinnung zuzugestehen, die für die optimale Umsetzung der jeweiligen Tätigkeit essenziell sind?
Dass Zahntechniker laut Zahnheilkundegesetz nicht im Mund des Patienten tätig werden dürfen, ist Fakt – die tägliche Praxis allerdings zeigt, dass Ausnahmen die Regel bestätigen, sogar im Sinne des behandelnden Zahnarztes.
Die zahnmedizinische Wirklichkeit abbilden
Ein Beispiel: Wie viel Zeit würden Zahnärzte noch für komplexe Behandlungen haben, wenn Pulverstrahlgeräte zur Zahnreinigung allein durch Zahnärzte verwendet werden dürften? Es gäbe bis heute kein einziges Prophylaxe-Center, keine ZMP und keine Dentalhygienikerin.
Nun könnte man argumentieren, dass es bislang in der Prothetik ja auch geht, ohne dass dem Zahntechniker mehr Kompetenzen zugestanden werden. Das ist für sich genommen sicher wahr, lässt aber den Aspekt der Digitalisierung mit ihrem Mehr an Chancen außen vor. Hinzu kommt, und das ist das Wesentliche, dass disruptive Prozesse wie die Digitalisierung der Zahnheilkunde (und die Zahntechnik ist da nicht nur mit einbezogen, sondern ist der eigentliche Treiber dieser Entwicklung) solange ihr volles Potenzial nicht entfalten können wird, wenn man sich weiterhin auf ein Gesetz beruft, dass die zahnmedizinische Wirklichkeit noch nicht einmal ansatzweise abbildet.
Am Ende muss es dem Patienten nutzen
Man muss sich die Frage stellen, wie lange man sich das noch leisten will und kann. Es wird also Zeit, die Vor- und Nachteile einer Öffnung bestimmter Bereiche für die Zahntechnik zu diskutieren und sich Gedanken darüber zu machen, ob nicht am Ende doch die Chancen mögliche Risiken überwiegen. Die Digitalisierung ist ein permanenter Prozess, es gibt einen Anfangspunkt, aber keinen Endpunkt (was übrigens für die Zahnmedizin an sich genauso gilt).
Ohne eine exakte Regelung wird es nicht gehen, und da ist am Ende die Politik gefragt, entsprechende Gesetzesänderungen umzusetzen. Das ist sicher kein Thema, das schnell erledigt ist, aber vielleicht ist dieses noch neue Jahr 2020 das Jahr, im dem die Weichen Richtung Zukunft gestellt werden. Am Ende muss es dem Patienten nutzen.