Wer hat sich nicht schon einmal übers Studium beschwert? Okay, wenn der Professor wieder acht Lektionen mit 34 Querverweisen innerhalb von zehn Minuten besprochen hat, ist es schon gerechtfertigt, sich aufzuregen. Es gibt viele Dinge, die man an der Uni kritisieren kann und die man auch kritisieren sollte.
Das Problem beim dauerhaften „Herumjammern“ ist aber, dass du damit vermutlich nicht nur anderen auf die Nerven gehst, sondern dich dadurch auf die negativen Seiten des Studiums fokussierst. Nörgelst du permanent, dass die Vorlesungen zu schwierig, das Mensaessen ungenießbar und deine Kommilitonen doof sind, bringst du dich gedanklich in eine Opferposition. Dadurch fühlst du dich häufiger hilflos, und es kommt dir viel eher so vor, dass du am Schicksal deines grässlichen Studiums ohnehin nichts ändern kannst. Du solltest dich jedoch lieber darauf konzentrieren, warum dir etwas am Studium zu schaffen macht, und nach Lösungsansätzen suchen.
Vielleicht fehlen dir einfach einige Vorkenntnisse für eine besonders herausfordernde Vorlesung? In diesem Fall würde es sich doch anbieten – so schwierig dieses „Sozial-Sein“ manchen auch fallen mag –, sich eine nicht-doofe Person aus der Vorlesung zu suchen, die besonders gut mitkommt, und sie darum zu bitten, dir das vermeintliche Altägyptisch der Professorin zu übersetzen. Im Gegenzug könntest du ja beispielsweise einen Kaffee spendieren. Oder selbst gekochtes Essen mitbringen, um gleichzeitig das Mensa-Problem zu lösen.
Wie es in jedem Selbsthilferatgeber steht: Fokussiere dich auf das, was du beeinflussen kannst, und nicht auf Dinge, die sich deinem Einfluss entziehen. Wenn das Wetter schlecht ist, ist das eben so – aber du könntest vorher nachschauen, ob Regen angesagt ist, und dir einen Schirm einpacken, anstatt dich im Nachhinein über deine nassen Klamotten zu ärgern.
Anfangsstress oder Dauerchaos?
Kommt dir das Studium insgesamt zu anstrengend vor, dann solltest du nicht direkt in eine Sinnkrise geraten. So ein Studium kann schon einmal überwältigend sein. Zunächst solltest du klären, ob es nur ein temporäres Problem ist oder ob du schon länger das Gefühl hast, dass etwas schiefläuft. Falls du gerade erst mit dem Studium angefangen hast, könnte es schlicht daran liegen, dass die neue Lebenssituation noch ungewohnt für dich ist und dich die ganzen neuen Eindrücke etwas überfordern. Das geht im Normalfall aber relativ schnell vorbei.
Bist du schon einige Semester weiter, aber stellst gerade fest, dass irgendwie alles zu viel wird, grenzt du am besten erst einmal ein, was genau dich so fertig macht. Hast du permanent das Gefühl, dass du mit deinen Aufgaben überfordert bist und keinerlei Freizeit hast? Das könnte an fehlender Organisation liegen. Für viele funktioniert es zwar, irgendwann und irgendwo mit dem Lernen anzufangen, aber diese Herangehensweise kann auch dazu führen, dass man vollkommen den Überblick verliert oder sich mit unwichtigen Aufgaben verzettelt. Wie hast du in den letzten Wochen gelernt und gelebt? Könnte dir ein wenig mehr Struktur helfen? Orientiere dich eventuell an anderen Menschen, die seltener Zeitprobleme haben oder deren Lernverhalten sehr strukturiert ist.
Hast du zwar einen Lernplan, aber steckst gerade mitten in der Klausurphase, euer Vermieter hat der WG gekündigt und du musst auch noch die Hochzeit deiner Schwester mitorganisieren? Kein Wunder, wenn du gestresst bist. Manchmal lässt sich das einfach nicht vermeiden. In diesem Fall lautet die Devise: Durchhalten und daran denken, dass die Klausuren bald vorbei sind. Erinnere dich aber auch daran, dass du das Studium ja (hoffentlich) freiwillig angefangen hast. Beantworte dir selbst die Frage „Warum wollte ich Zahnmedizin studieren?“ und rufe dir das öfter ins Gedächtnis, ebenso wie positive Vorstellungen, zum Beispiel von deiner bestandenen Prüfung.
Multi-Tasking oder Multi-Failing?
Falls du häufiger in solche überfordernden Situationen kommst, kann das daran liegen, dass du dich selbst überschätzt. Du willst trotz Klausurenphase siebenmal pro Woche ins Fitnessstudio gehen, kochen lernen, an einem Schwedisch-Kurs teilnehmen und bei der Obdachlosenhilfe mitarbeiten? Das sind zwar alles sehr positive Dinge, aber sofern du nicht Hermine heißt, hat auch dein Tag nur 24 Stunden. Setz dich also einmal hin und überlege dir, welche deiner Pläne Priorität haben. Vielleicht reicht es ja, wenn du nur zwei- bis dreimal pro Woche Sport machst oder erst nach den Klausuren Schwedisch lernst. Vielleicht schaffst du es auch, auf dem Crosstrainer schwedische Podcasts zu hören oder bei der Arbeit in der Suppenküche kochen zu lernen. Hauptsache, du machst dir selbst klar, welche deiner Pläne am wichtigsten für dich sind, und überlegst dir, welche dieser Ziele du realistisch gesehen erreichen kannst, ohne deiner geistigen und körperlichen Gesundheit zu schaden. Im Idealfall sollte das Studium hier übrigens recht weit vorne kommen ...
Falls dir nun auffällt, dass dein Stress sehr häufig von Dingen verursacht wird, die du für andere Menschen erledigst, solltest du dringend darüber nachdenken, ob du eigentlich auch mal „Nein“ sagst, wenn dich jemand um etwas bittet. Diese Fähigkeit ist nämlich wichtig, damit man nicht immer anderer Leute Arbeit erledigt und am Ende dank des Nettigkeitssyndroms die eigenen Ziele vernachlässigt.
Why so serious? ????
Was aber, wenn du einfach nur ein mulmiges Gefühl angesichts der vielen Klausuren hast? Positiv denken. Klingt simpel, ist es auch. Klingt banal, ist es nicht. Es ist nachgewiesen, dass wir besser „performen“, wenn wir uns selbst mehr zutrauen. Das heißt natürlich nicht, dass du plötzlich Fähigkeiten entwickelst, die du zuvor nie hattest oder Wissen in der Klausur abrufen kannst, das du nie gelernt hast. Aber dadurch, dass wir uns selbst sagen „Ich kann das!“ und uns in eine positive Grundstimmung versetzen, ist es weniger wahrscheinlich, dass wir aus Nervosität fünfmal die Fragestellung lesen müssen, bevor sie in unserem Hirn angekommen ist.
Eine positive Grundstimmung schaffst du nicht nur durch Dinge wie gute Musik vor der Klausur, sondern auch, indem du dir selbst sagst, was du kannst, wie viel du für diese Klausur gemacht hast, und sogar dadurch, dass du dich selbst im Spiegel anlächelst. Egal, wie dämlich du dir dabei vorkommen magst, es funktioniert. Dazu musst du ja nicht mitten im Flur jokerartig verkrampft in den WG-Spiegel grinsen und den Besuch deiner Mitbewohner traumatisieren. Es reicht, wenn du dich (alleine) im Spiegel freundlich anlächelst, so als würdest du einer sympathischen Person begegnen. Bist du schließlich auch, also warum solltest du dich nicht anlächeln? In diesem Sinne … :)
Tanja Peschel