Untersuchungen an Meerschweinchen zeigen, dass unter anderem der Wassergehalt von Futterpflanzen beeinflusst, wie stark sich der Zahnschmelz von Wirbeltieren abnutzt.
Verschiedene Futterpflanzen reiben den Zahnschmelz von Wirbeltieren unterschiedlich stark ab, was unter anderem am unterschiedlichen Phytolith- und Wassergehalt der Pflanzen liegt. Zu diesen Ergebnissen ist ein internationales Forschungsteam unter Leitung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz (JGU) durch Untersuchungen an Meerschweinchen gekommen.
Wie die Forscherinnen und Forscher in der Zeitschrift „PNAS“ berichten, könnten die neuen Erkenntnisse erhebliche Auswirkungen auf die Interpretation von Oberflächentexturdaten von Zähnen ausgestorbener Tiere und damit für die Rekonstruktion der Ernährungsweisen und Lebensräume dieser Tiere haben.
Unter anderem haben sie nachgewiesen, dass Zahnschmelz durch Pflanzen mit höheren Phytolithgehalten, etwa Gräser, stärker abgenutzt wird als durch Pflanzen mit geringeren Phytolithgehalten, zum Beispiel Luzerne. Phytolithe sind winzige Einlagerungen aus Siliziumdioxid, die von vielen Pflanzen gebildet werden. Obwohl sie weicher sind als Zahnschmelz, ist dennoch immer wieder diskutiert worden, ob sie wesentlich zur Abnutzung der Zähne beitragen, oder ob dafür vor allem mitgefressener Mineralstaub oder Sand verantwortlich sind.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hatten in der Klinik für Zoo-, Heim- und Wildtiere der Universität Zürich sechs Gruppen von Meerschweinchen drei Wochen lang mit drei unterschiedlichen, jeweils frischen und getrockneten Pflanzen (Luzerne, Gras und Bambus) gefüttert. Anschließend wurde mit einem hochauflösenden Mikroskop die Oberflächentopographie des Zahnschmelzes von Backenzähnen der Meerschweinchen untersucht. Das Ergebnis war, dass mit steigendem Phytolithgehalt des Futters der Abrieb zunahm.
Die abrasive Wirkung der Phytolithe konnte zweifelsfrei belegt werden, da die verfütterten Pflanzen allesamt frei von anhaftenden Quarzstaub- oder Bodenpartikeln waren, aber unterschiedliche Phytolithgehalte von 0,5 bis 3 Prozent enthielten. Höhere Phytolithgehalte führten dabei zu stärkerem Zahnabrieb.
Darüber hinaus konnte die Studie zeigen, dass auch der Wassergehalt der Pflanzen eine Rolle spielt. Vor allem trockenes Gras führt zu stärkerem Zahnabrieb als das gleiche, frisch verfütterte Gras.
„Der Zahnschmelz der Meerschweinchen, die wir mit trockenem Gras gefüttert hatten, war wesentlich stärker abgenutzt und rauer als der Zahnschmelz derjenigen, die frisches und damit feuchteres Gras bekommen hatten“, erklärt Winkler.
„Aufgrund der Analyse des Zahnabriebs an fossilen Zähnen werden häufig Rückschlüsse auf die Lebensräume der entsprechenden Tiere gezogen“, sagt die Leiterin der Studie, Dr. Daniela Winkler vom Institut für Geowissenschaften der JGU. „Ein schwächerer Abrieb könnte zum Beispiel darauf hindeuten, dass das Tier in einer bewaldeten Landschaft mit vielen Kräutern und viel Laub gelebt hat und nicht in einer steppenartigen Umgebung mit viel Gras.“ In der Studie wurden daher die Abrasionseigenschaften von frischen und trockenen Pflanzen mit unterschiedlichem Phytolithgehalt systematisch getestet.
Bemerkenswerterweise fanden sich aber keine Unterschiede in der Zahnoberflächentextur zwischen den Meerschweinchen, die frische oder getrocknete Luzerne oder frisches Gras gefressen hatten.
„Das könnte auf eine potenzielle Fehlerquelle bei der paläontologischen Rekonstruktion von Ernährungsgewohnheiten und Lebensräumen von Pflanzenfressern anhand des Zahnabriebs hindeuten“, sagt Winkler. „Denn obwohl der Abrieb durch Luzerne und feuchtes Gras ähnlich schwach ist, können sich Landschaften, in denen Luzerne oder Gras wachsen, stark unterscheiden. Weiterhin zeigen die Frischgrasfresser Zahnoberflächentexturen, die denen von Laubfressern ähneln können. Diese Erkenntnisse müssen bei der Rekonstruktion der Ernährungsweise ausgestorbener Tiere anhand fossiler Zähne berücksichtigt werden.“
An der Studie waren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der JGU, der Klinik für Zoo-, Heim- und Wildtiere der Universität Zürich, des Centrums für Naturkunde der Universität Hamburg, der Universität Gent sowie des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropolgie in Leipzig beteiligt. Die Studie fand im Rahmen des Forschungsprojekts „Vertebrate Herbivory“ von Prof. Dr. Thomas Tütken vom Institut für Geowissenschaften der JGU statt, das vom Europäischen Forschungsrat (ERC) mit einem sogenannten Consolidator Grant gefördert wird.