Ist es das Urteil, auf das so viele gewartet haben? Auf Bewertungsplattformen lesen Ärzte und Zahnärzte Online-Bewertungen über sich, die sie lieber nicht sehen würden. Patienten werfen ihnen beispielsweise Behandlungsfehler vor, die nicht gemacht wurden. Es gibt zahlreiche Gerichtsurteile, die Plattformbetreiber zur Löschung solcher Bewertung gezwungen haben. Das ist möglich, aber zuweilen mühselig. Noch besser ist es, wenn Ärzte und Zahnärzte selbst bestimmen können, ob sie sich auf Bewertungsplattformen aufnehmen lassen. Das hat das Landgericht Bonn beurteilt, was an dieser Stelle in verkürzter Form dargestellt werden soll.
Schlichtes Basisprofil, schickes Premiumprofil
Der Kläger ist niedergelassener Facharzt. Die Beklagte betreibt die Website jameda de. Auf die Website und in die Datenbank der Beklagten werden ein Basisprofil mit allgemein zugänglichen Daten von Ärzten aufgenommen. Dieses Basisprofil besteht aus einer Profilseite des Arztes mit Namen, Fachrichtung und Kontaktdaten der Arztpraxis und einem nicht ausgefüllten Platz für ein Profilbild, das die angedeutete Kontur eines Kopfes zeigt.
Beim Premiumpaket kann ein Arzt durch Zahlung eines monatlichen Beitrags von 69 beziehungsweise 139 Euro Pakete (Kosten im Zeitpunkt des Urteils) erwerben, die ihm die Möglichkeit einräumen, seine Profilseite ansprechender und auffälliger zu gestalten. Dazu gehört unter anderem das Einstellen eines individuellen Profilbilds, die Anpassung des Inhalts seiner Profilseite, die Publikation von Artikeln, die Möglichkeit der Verlinkung seiner eigenen Praxis-Website etc.
Besucher der Website erhalten die Information über den Zahlungstatus über einen mouse-over-Effekt. Danach wird mitgeteilt, dass ein Arzt zahlender jameda Kunde ist und Patienten sich umfangreich über ihn informieren können (beispielsweise durch Bilder und Texte). Auch wird erklärt, dass dies keinen Einfluss auf die Bewertungen des Arztes oder seinen Platz in den jameda Ärztelisten hätte.
Der Facharzt nahm als Kläger jameda auf Löschung seines Basis-Zugangs in Anspruch.
Gewinnerzielung ist keine Aufgabe im öffentlichen Interesse
Das Landgericht Bonn hat entschieden, dass dem Kläger ein Anspruch auf Löschung sämtlicher in dem Basiszugang vorgehaltenen Personendaten aus Art. 17 Abs. 1d), Art. 6 Abs. 1 DSGVO zusteht. Danach kann die Löschung von Personendaten unverzüglich verlangt werden, wenn diese unrechtmäßig verarbeitet wurden.
Zunächst einmal konnte die Beklagte die Rechtmäßigkeit ihrer Datenbearbeitung ganz offensichtlich nicht auf eine Einwilligung des Klägers stützen.
Des Weiteren konnte die Beklagte für sich nicht in Anspruch nehmen, eine im öffentlichen Interesse liegende Aufgabe zu erfüllen. Denn jameda würde offensichtlich mit ihrer online-Datenbank auch private, auf Gewinnerzielung gerichtete Interessen verfolgen und nicht nur die Öffentlichkeit über Ärzte informieren einschließlich der eingeräumten Möglichkeit, die in Anspruch genommenen ärztlichen Leistungen zu bewerten und zu kommentieren.
„Interessenkonflikt“ pro Arzt
Schlussendlich war nach der Kammer des Landgerichts Bonn der Umgang mit den Profildaten des Arztes auch nicht aufgrund einer Interessenabwägung zwischen den berechtigten Interessen von jameda und den Grundrechten, die dem Facharzt Datenschutz gewähren, erlaubt.
Zugunsten des Klägers waren dessen unternehmerische Freiheit und sein Recht auf Datenschutz zu berücksichtigen.
Auf Seiten von jameda war einzustellen, dass eine Position als „Informationsmittlerin“ vorlag. Diese war jedoch nicht (mehr) neutral, weil sich die gelisteten Ärzte mit ihren Mitgliedsbeiträgen ein ansprechenderes Profil „erkaufen“ konnten.
Gericht "rügt" Intransparenz und psychologischen Zwang
Nach Ansicht des Landgerichts ist diese Besserstellung zahlender Ärzte nicht hinreichend transparent für Besucher der Webseite gestaltet worden durch das Anbringen der Symbole einer „Gold-“ beziehungsweise „Platin-Plakette“. Denn diese Plaketten suggerierten bei flüchtiger Betrachtung, dass ein Arzt besondere fachliche Qualitäten aufweise.
Nicht neutral wäre es auch, die unfreiwillig in die Datenbank aufgenommenen Ärzte mit dem optisch nicht ansprechenden Basisprofil in einen möglichen Wettbewerbsnachteil gegenüber zahlenden Ärzten, deren Profil ins Bild gesetzt wurde, zu bringen. Denn die nicht zahlenden Ärzte würden unter dem psychologischen Druck stehen, ein weniger attraktives Basisprofil durch die Zahlung der Mitgliedsbeiträge in ein ästhetischeres Premiumprofil zu überführen, um nicht Nachteile im Wettbewerb mit den zahlenden Mitstreitern zu erleiden.
Gefährdetes Geschäftsmodell? – Urteil nicht rechtskräftig
Das Urteil des Landgerichts Bonn ist nicht rechtskräftig. Es zeigt das seinerzeitige Geschäftsmodell auf. Sollte die Entscheidung in den höheren Instanzen gehalten werden, wird eine Vielzahl von Ärzten und Zahnärzten jameda auf Löschung ihres Basisprofils in Anspruch nehmen, wenn sich das Geschäftsmodell nicht ändert beziehungsweise geändert hat. Denn sie werden nicht einsehen, Teil des Geschäftsmodells von jameda zu seinund zur Optimierung ihres Profils „genötigt“ zu werden.
Ob hiermit das Ende der kommerziellen Bewertungsplattformen eingeläutet wird, wird sich zeigen. Wer als Arzt oder Zahnarzt einen Plattform-Betreiber zur Löschung seines Profils oder einer Bewertung zwingen will, sollte sich mit einem Anwalt in Verbindung setzen, der medizinrechtlich und im Datenschutzrecht bewandert ist.
Landgericht Bonn, Urteil vom 28.3.2019 – 18 O 141/18 (nicht rechtskräftig)