Unsichtbare Schiene korrigiert schiefe Zähne
Mit transparenten Zahnschienen ohne Drähte und Metall lassen sich Zahnfehlstellungen diskret korrigieren. Seit einiger Zeit machen daher Aligner Furore – vor allem bei Erwachsenen und Teenagern mit Wunsch nach unsichtbarer Zahnspange. Die Poliklinik für Kieferorthopädie am Universitätsklinikum Bonn bietet diese Therapie standardmäßig an und untersucht zudem, wie das Verfahren optimiert werden kann. Für eine jetzt startende Studie erhielt Prof. Dr. Anna-Christin Konermann den 1. Platz beim Förderpreis der Deutschen Gesellschaft für Aligner Orthodontie (DGAO), der mit 15.000 Euro dotiert ist.
Schiefe Zähne empfinden Betroffene oft als störend für ein gepflegtes optisches Erscheinungsbild. Doch das Tragen einer sichtbaren Zahnspange kommt für viele Erwachsene und Teenager nicht in Frage. Hilfe finden sie an der Poliklinik für Kieferorthopädie des Universitätsklinikums Bonn (Direktor: Prof. Dr. Andreas Jäger): Dort besteht die Möglichkeit einer Korrektur von Fehlstellungen mit Alignern, die sich seit ihrer Einführung vor etwa 20 Jahren in Deutschland gut etabliert haben.
„Die transparenten und hauchdünnen Schienen sind heutzutage nahezu gleichwertig mit festen Zahnspangen, und die Therapie ist dank hochmoderner digitaler 3-D-Technologien von einem Spezialisten äußerst präzise planbar“, sagt Prof. Dr. Anna-Christin Konermann, Leiterin der Experimentellen Kieferorthopädie am Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde des Universitätsklinikums Bonn. Neben einer fachkundigen Analyse und Befundung der Ausgangssituation des Patienten sichern regelmäßige Kontrollen und Nachkontrollen bei einem mit der Aligner-Technik vertrauten Kieferorthopäden eine erfolgreiche Behandlung. Zusammen mit ihren Kollegen korrigiert Prof. Konermann auch sehr komplexe Fehlstellungen: „Es ist viel Erfahrung notwendig, um solche Fälle genauso gut wie mit einer Multiband-Apparatur zu behandeln.“
Neben deren Unauffälligkeit sieht die Kieferorthopädin einen großen Vorteil darin, dass die Kunststoffschienen zum Essen und Trinken herausnehmbar sind. Denn dadurch sind Zahnpflege und Karieskontrolle uneingeschränkt möglich. „Der Erfolg der Aligner-Therapie hängt daher aber auch von der Compliance, also der aktiven Mitwirkung des Patienten ab. Denn die Kunststoffschiene sollte täglich mindestens 22 Stunden getragen werden“, sagt Konermann.
Bewegung der Zähne ganz individuell in kontrollierten Schritten
Zu Beginn einer Aligner-Therapie scannen die Kieferorthopäden am Universitätsklinikum Bonn die Zähne und Kiefer des Patienten. Anhand dieser digitalen Daten erstellen sie am Computer eine räumliche Simulation der aktuellen Zahnstellung und planen millimetergenau welche Zähne auf welche Weise in allen drei Raumebenen Schritt für Schritt bewegt werden sollen. Diese 3-D-simulierte Therapieplanung, der „ClinCheck“, dient dem Hersteller dann als Grundlage, die Korrekturschienen für die einzelnen Behandlungsstufen per 3-D-Druck aus transparentem Kunststoff herzustellen – pro Kiefer zwischen 30 bis 100.
„Jede Schiene korrigiert die Zahnstellung minimal um etwa 0,2 Millimeter weiter in Richtung Therapieziel“, sagt Konermann. Dazu üben die Aligner kontinuierlich einen leichten Druck oder Zug auf die Zähne aus. Nach jedem abgeschlossenen Therapieschritt werden die transparenten Kunststoffschienen gewechselt – je nach Fall alle drei bis 14 Tage. Die Kosten variieren nach Art und Ausmaß der Behandlung und sind in etwa vergleichbar mit denen einer festen Zahnspange. Derzeit übernimmt die gesetzliche Krankenkasse die Kosten einer Aligner-Therapie nicht.
DGAO-Preisgeld fließt in ein Forschungsprojekt
Konermann legt ihr wissenschaftliches Augenmerk auf die Funktionsweise und damit auch auf Optimierungsmöglichkeiten der Aligner-Therapie. So erforscht sie beispielsweise aktuell in der DGAO-geförderten Studie in Zusammenarbeit mit ihrem Forschungsteam Dr. Jörg Schwarze, Prof. Dr. Christoph Bourauel, Hannah Muders und Dr. Ludger Keilig den Einsatz der transparenten Zahnschiene bei Patienten mit Zahnengstand, vor allem in der sichtbaren Oberkieferfront. Dabei werden die Backenzähne im Oberkiefer auf dem Zahnbogen weiter nach hinten bewegt, um für die Frontzähne mehr Platz zu schaffen.
Hierzu geht sie dem Aspekt nach, ob die Backenzähne tatsächlich in dem Ausmaß bewegt werden, wie im ClinCheck geplant und simuliert. Zudem untersucht sie, welchen Effekt der Wechselrhythmus auf diese Effizienz hat. Auch überprüft sie, ob durch ungewollte Krafteinwirkung eventuell die Frontzähne gelockert werden. Diese drei Fragestellungen erforscht sie mittels Scans der Kiefer und 3-D-Überlagerung mit dem ClinCheck durch eine Spezialsoftware sowie durch Messungen an den Frontzähnen mit einem an der Universität Bonn entwickelten speziellen Messgerät. Mit dem Intraoralen Belastungsgerät (IOB) kann die Zahnauslenkung bei zeitabhängiger Belastung gemessen werden.
Die DGAO vergibt alle zwei Jahre drei Preise in Höhe von insgesamt 30.000 Euro für wissenschaftliche Forschungsprojekte auf dem Gebiet der Aligner-Orthodontie. Auf dem 1. virtuellen DGAO-Wissenschaftskongress nahm Konermann am 6. März den 1. Platz beim DGAO-Preis 2020 entgegen. Ihre mit 15.000 Euro geförderte Studie hat den Titel „Effekte der beidseitigen Distalisation von Oberkiefermolaren mittels Alignern auf die Verankerungs- sowie die Bewegungseinheit bei unterschiedlichem Staging der Distalisierungsstrecke.“