Das Thema Personal ist schon eine Wissenschaft für sich – und das nicht nur sprichwörtlich. Leider ist dieses Thema im Dentalmarkt bis jetzt vollkommen untergegangen oder spielt nur eine untergeordnete Rolle. Dabei lohnt ein Blick über den Tellerrand in branchenferne Unternehmen und Studiengänge. Damit Sie im „War of Talents“ auch branchenübergreifend bestehen können, habe ich mich aus der „dentalen Blase“ befreit und mache Personalprozesse durch wissenschaftliche Recherche für Dentallabore und Zahnarztpraxen nahbar. Lassen Sie mich in diesem und in folgenden Artikeln Ihr Übersetzer sein, der anhand von Best-Practice und Gesprächspartnern ihr Verständnis für Personalarbeit schärft.
Im „War of Talents” bestehen
Der Fokus einer Unternehmensmarke (Corporate Brand [B]) richtet sich grundsätzlich auf vier relevante Faktoren: Kunden, Multiplikatoren, Investoren und nicht zuletzt das eigene oder das potenzielle Personal. Diese vier Faktoren werden nicht nur durch Leistungskennzahlen (KPI Key Performance Indicator [L]), sondern auch durch Marketingtools und die eigene Arbeitgebermarke (Employer Brand [G]) angesprochen. Im Vordergrund stehen natürlich der Absatzmarkt (Kunde) und damit qualitätsbewusste und wertschätzende Zahnarztpraxen. Ein weiterer relevanter Markt eines Dentalunternehmens ist der Finanzmarkt. Hierbei ist der klassischste Geldgeber eines Dentallabors immer noch der Bankberater in der Unternehmensabteilung der Hausbank. Zudem beeinflusst die Unternehmensmarke (Corporate Brand) in einem hohen Maße die Unternehmensnachfolge. Durch ein attraktives und zukunftsweisendes Leitbild werden potenzielle Teilhaber oder Private-Equity-Investoren angelockt. Weiterhin gilt zu beachten, dass die Dentalindustrie durch Referentenverträge und Sponsoring ein attraktiver Geldgeber und Multiplikator der eigenen Interessen werden könnte.
Aber Achtung, durch den immer extremer werdenden Fachkräftemangel sollte Ihr Augenmerk zunehmend auf dem Arbeitsmarkt (Personal) liegen. Ihre eigene Belegschaft muss sich mit Ihrer Unternehmensmarke (Corporate Brand [B]) klar identifizieren können. Eine strategische Arbeitgebermarkenbildung (Employer Branding [G]) sollte in dem Fall eine proaktive Rolle einnehmen, um auf dem freien Arbeitsmarkt (extern) und im Unternehmen selbst (intern) eine attraktive Anziehungskraft und Mitarbeiterbindung entfalten zu können. Mit einer starken Arbeitgebermarke (Employer Brand [G]) wird Ihre Unternehmenskultur klar und authentisch nach außen getragen, damit bei frei werdenden Stellen die passenden Bewerber Ihr Unternehmen als attraktiv wahrnehmen und ein Wechselwille erzeugt wird. Die Unternehmenskommunikation nimmt dabei einen hohen Stellenwert ein und beeinflusst den Meinungsmarkt und somit nicht nur potenzielle Kunden, sondern auch potenzielle Mitarbeiter in einem nicht unerheblichen Maße.
Social Media und Bewertungsplattformen
Dabei erfreuen sich aufgrund ihres enormen Wirkungsgrades diverse Social-Media-Kanäle größter Beliebtheit. Durch regelmäßiges und zielgerichtetes Bespielen dieser Kanäle sollten marktrelevante Personengruppen auf ihre Landingpage geführt werden. Zudem können authentische Kundenrezensionen oder Mitarbeiterbewertungen (zum Beispiel auf Kununu) die Marke (Brand [G]) Ihres Dentallabors stärken. Nicht zu unterschätzen ist aber immer noch die Präsenz in der Öffentlichkeit. Ein Dentallabor sollte sich regelmäßig durch Teilnahmen an Karrieremessen, etwa dem „Tag des Handwerks“, einem breiten Publikum präsentieren. Somit fungiert die klare und strategische Unternehmenskommunikation als Multiplikator Ihrer unternehmerischen Belange.
"Authentizität ist bei natürlich gewachsenen Unternehmen kein Problem"
Integration neuer Standorte
Unternehmen, die eine hohe Fluktuationsrate besitzen, oder die über Fusionen nur auf Basis von „Leistungskennzahlen“ (KPI Key Performance Indicator [L]) gewachsen sind, haben eine eher heterogene Kultur. Somit besteht die Gefahr, dass zugekaufte Standorte nie richtig zusammenwachsen und die Unternehmensphilosophie nicht ausreichend auf die neuen Mitarbeiter übergeht. Daraus resultierend kann es zu Spannungen und Zerwürfnissen zwischen Geschäftsführern und der Belegschaft kommen. Markenorientiertes Führen (Leadership Branding [R]) kann bei der Integration neuer Standorte in das gesamte Unternehmenskonstrukt durchaus zu mehr Erfolg führen, aber verlangt in dem Fall eine deutlich größere Anstrengung von den Führungskräften als bei einem intrinsisch gewachsenen Unternehmen. Aus diesem Grund sollte die Geschäftsführung deutlich mehr Zeit und finanzielle Mittel (externe Berater) zur Integration neuer Standorte und deren Mitarbeiter einplanen.
Wachstum (auch) durch Ausbildung Die Unternehmen, die sich am Markt durch eine eigene und qualitativ hochwertige Ausbildung personell vergrößert haben, können hingegen auf eine gewachsene Kultur zurückblicken. Selbst wenn es mehrere Standorte gibt, ist bei den Mitarbeitern eine natürliche Identifikation zum Unternehmen spürbar. Unternehmen, die organisch gewachsen sind, bilden viel leichter eine homogene Unternehmenskultur und haben somit die besten Voraussetzungen, um eine interne Arbeitgebermarke (Employer Brand [G]) formen zu können. Authentizität ist bei natürlich gewachsenen Unternehmen kein Problem mehr, da sich die Marke von innen nach außen entwickeln konnte. Daraus resultierend, müssen Personalverantwortliche beim Aufbau der externen Arbeitgebermarke viel weniger Gestaltungsaufwand betreiben.
Fazit: Der Aufbau einer strategischen Unternehmensmarke (Corporate Brand [B]) auf personalwissenschaftlicher und ökonomischer Basis richtet sich stets an die vier oben genannten und damit marktrelevanten Bezugsgruppen (Kunde, Multiplikator, Investor und Personal).
Das gemeinsame Markenverständnis Diese vier Gruppen sind Ihr strategisches Ziel als Unternehmen, und nicht der Mitbewerber oder die Meinung des Mitbewerbers. Kollegialer Austausch und Networking sind sicherlich ein nettes Zubrot auf Kongressen und in den sozialen Medien, das darf aber nicht dazu führen, dass sich Ihr Fokus von den vier marktrelevanten Gruppen löst. Moderne Dentallabore, die schnell wachsen, stehen grundsätzlich vor der Herausforderung, neue Mitarbeiter finden zu müssen. Passungsprobleme und die Vermittlung der eigenen Philosophie sind dabei nur zwei Stolpersteine auf dem Weg zu einer ganzheitlichen Unternehmenskultur. Investieren Sie in personalwissenschaftliche Strategien und Weiterbildungen und nicht in die Bewunderung der Mitbewerber in den sozialen Medien. Bilden Sie selbst qualitativ hochwertig aus, somit erhöht sich die Mitarbeiterbindung und ein gemeinsames Markenverständnis. Damit senken Sie nicht nur die Fluktuation, sondern auch die Recruitingskosten, die Kosten für Einarbeitung und die Kosten für externe Berater.
DEFINITION DER VIER ZENTRALEN FACHBEGRIFFE
„Employer Branding [G] ist die identitätsbasierte, intern wie extern wirksame Entwicklung und Positionierung eines Unternehmens als glaubwürdiger und attraktiver Arbeitgeber.“ Diese in Wissenschaft und Praxis bis heute am häufigsten referenzierte Definition legte 2006 die Deutsche Employer Branding Akademie (DEBA) vor. Die Arbeitgebermarke ist aber nur ein Teil des Aufbaus und der Führung einer Unternehmensmarke.
„Unter dem Schlagwort des „Corporate Branding (B)“ steht die Unternehmensmarke im aktuellen Fokus der Wissenschaft und Praxis. Ursache dafür ist die Forderung nach einer starken Profilierung von Unternehmen aufgrund zunehmend komplexer werdender Herausforderungen an den Märkten.“ (Diplomarbeit zur Unternehmensmarkenbildung, Jens Walther, 2008) „Leadership Branding (R) ist ein markenstrategischer Prozess der Organisationsentwicklung und der Markenführung, der ein markenspezifisches Führungsverständnis entwickeln soll. Leadership Branding (R) sollen die Markenidentität eines Unternehmens intern durchsetzen, um markenkonformes Verhalten zu generieren.“ (Aus Bachelorarbeit von Nicole Roeger, 2015, „Leadership Branding. Eine kritische Würdigung der Strategie zur Verknüpfung von Unternehmensmarke und Führung“) „Key Performance Indicators (KPI) (L) sind einfache und verständliche Leistungsindikatoren. Die Leistung, die ein Unternehmensbereich erbringt, wird in Form einer Kennzahl gemessen und dargestellt. Ein Unternehmensbereich kann dabei ein einzelner Mitarbeiter, ein Team, eine Abteilung oder das gesamte Unternehmen sein. Die Kennzahl macht sichtbar, ob der jeweilige Bereich seinen Zweck erfüllt und in welchem Umfang er vorgegebene Ziele erreicht.“
(Wirtschaftsingenieur Dr. Jürgen Fleig, 2018)
Autor: NICO HEINRICH
Projektleiter (Personalprozesse
für Zahnarztpraxis
und Labor)