Die Vertreterversammlung der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung war sicher keine leichte. Nicht etwa wegen des ungewohnten Formats – die VV fand „virtuell“ als Live-Stream statt –, sondern wegen der vielen bitteren Wahrheiten der vergangenen Wochen, die der Vorstandsvorsitzende Dr. Wolfgang Eßer den Delegierten mitzuteilen hatte.
Unter diesen bitteren Wahrheiten an erster Stelle die von der „Politik“ gefühlt absichtlich verteilten Demütigungen wie die nicht erfolgte Berücksichtigung der Zahnärzteschaft im Krankenhausentlastungsgesetz, die Ausgestaltung der Covid-19-Versorgungsstrukturen-Schutzverordnung als reinen Corona-Kredit, obwohl die KZBV darum gekämpft hatte, die Lastenverteilung von asymmetrischen 30 zu 70 Prozent zwischen Kassen und KZVen in ein faires 50-zu-50-Verhältnis zu wandeln.
Diese Rückschläge wurden im Zuge der Diskussion um die Systemrelevanz bestimmter Berufsgruppen in Krisenzeiten bezogen auf die Zahnärzteschaft schnell in das Stigma „nicht systemrelevant“ übersetzt: „Eingestuft als nicht systemrelevant kann man nur folgern: Weder sind wir Zahnärzte und unsere Versorgungsinfrastruktur für die Gesundheitsversorgung wichtig, noch verdienen wir Unterstützung!“, so Vorstandschef Eßer empört zur „Desavouierung“ der Zahnärzte – vielleicht vorschnell, aber als Reflex nachvollziehbar.
Warum hat die Politik so abweisend reagiert?
Es stellt sich die Frage, warum die Politik so abweisend reagiert hat und die Bedeutung der Zahnmedizin in den Gesetzen nicht gewürdigt hat. Vielleicht lag es an der Strategie, die Politik mit Modellhochrechnungen des wirtschaftlichen Schadens für die Zahnärzteschaft und der damit drohenden Konsequenz einer Gefährdung des Versorgungsauftrags überzeugen zu wollen.
Zumindest deutet die Auflistung der von der KZBV vorgebrachten Argumente – „fundierte Berechnungen, Analysen und Konzepte“ – nicht an, dass beispielsweise die zahlreichen Statements von DGZMK-Präsident Prof. Dr. Roland Frankenberger Teil der Argumentationskette wurden. Vielmehr setzte man die Sicherstellung der vertragszahnärztlichen Versorgung in Zeiten der Corona-Krise an erste Stelle, statt die medizinische Bedeutung der ZahnMedizin – mit großem „M“ – zu betonen. Die Bundeszahnärztekammer als Berufsvertretung aller Zahnärzte bekam bei der VV auch ihr Fett weg, weil sie mit ihren Verhandlungen mit dem PKV-Verband zu den Hygienepauschalen „vorgeprescht“ war.
Der Berufsstand muss mit einer Stimme sprechen
So gesehen ist Eßers Apell „Der Berufsstand muss mit einer Stimme sprechen und geschlossen nach außen agieren“ vielleicht der zentrale Satz. Eine Stimme bedeutet in meinen Augen, dass BZÄK, KZBV und DGZMK aus unterschiedlichen Perspektiven, aber mit einer Stimme sprechen sollten. Nicht nur im Sinne der Zahnärzteschaft, sondern gerade auch im Sinne der kurz-, mittel- und langfristigen Gesundheit der Patienten.
Die Aufarbeitung, die Dr. Wolfgang Eßer angekündigt hat, ist deshalb ein notwendiger Schritt, um die Zahnärzteschaft im weiteren Verlauf der Pandemie, deren Ende noch nicht absehbar ist, mit einem Strategiewechsel besser zu positionieren.