Die Vertreterversammlung der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) befasst sich am Mittwoch und Donnerstag mit zentralen Zukunftsfragen des Berufsstandes. Neben einer Bilanz der Corona-Krise und sich daraus ergebenden Konsequenzen stehen Themen wie Digitalisierung, Vertragsgeschäft sowie die Sicherstellung einer flächendeckenden und wohnortnahen Versorgung auf der Agenda des wichtigsten Beschlussgremiums der Vertragszahnärzteschaft. Aufgrund der Pandemie findet die Sitzung als Videokonferenz statt, die per Live-Stream auf der KZBV-Website übertragen wird.
Hochachtung und Dank an Zahnärzte und Praxis-Teams
Corona habe Arbeitsbedingungen der Zahnärzteschaft grundlegend verändert, sagte der Vorstandsvorsitzende der KZBV, Dr. Wolfgang Eßer: "Wir wurden vor neue Aufgaben gestellt und haben Entscheidungen getroffen, die alle Kräfte bis an die Grenzen der Belastbarkeit beansprucht haben. Aber auch in dieser schwierigen Lage ist es gelungen, gemeinsame Lösungen und ein effizientes Krisenmanagement umzusetzen." Das Infektionsrisiko in Praxen konnte minimiert, die Versorgung bei maximalem Infektionsschutz aufrechterhalten und die Schmerz- und Notfallversorgung von infizierten und unter Quarantäne stehenden Patienten gewährleistet werden.
"Meine Hochachtung und mein herzlichster Dank gilt allen Zahnärztinnen, Zahnärzten und Praxis-Teams, die in dieser Situation für ihre Patienten da waren, als es drauf ankam!" Aus dem Stand wurde ein Netz von Behandlungszentren in 30 Kliniken und 170 Schwerpunktpraxen für die Akut- und Notfallversorgung aufgebaut. "Bis heute ist kein Fall bekannt geworden, bei dem es zu einer Infektion im Rahmen einer zahnärztlichen Behandlung gekommen ist."
Politik verweigerte echte Unterstützung
Umso unverständlicher sei hingegen, dass die Politik die Leistungen des Berufsstandes nicht anerkannt habe. "Wegen existenzgefährdender Fallzahlrückgänge haben wir dafür gekämpft, dass der finanzielle Schutzschirm für Krankenhäuser und Ärzte zur Sicherung der Versorgung auf unsere Zahnarztpraxen ausgeweitet wird. Dennoch haben wir keine Berücksichtigung im Krankenhausentlastungsgesetz gefunden.
Selbst die COVID-19-Versorgungsstrukturen-Schutzverordnung, in der unsere Forderung nach paritätischer Lastenteilung zwischen Kassen und KZVen bereits beschnitten war, wurde durch das Bundesfinanzministerium auf eine Liquiditätshilfe mit Rückzahlungspflicht gestutzt." Die Politik habe echte Unterstützung verweigert, während Ärzte, Psychotherapeuten, Kliniken, Rehabilitations- und Pflegeeinrichtungen sowie andere Branchen diese erhalten hätten.
Kassen lehnten paritätische Lastenteilung ab
"Die Folgen spüren besonders junge Praxen und Gründer, die für unsere Zukunft und den Erhalt der flächendeckenden Patientenversorgung stehen", sagte Eßer. Zugleich werde ein verheerendes Signal an Studierende und angestellte Zahnärzte ausgesandt, die eine Niederlassung planen. "Wir fordern die Politik erneut auf, diese gravierende Fehlentscheidung zu revidieren und anzuerkennen, dass wir als wichtiger Teil der Daseinsvorsorge systemrelevant sind!"
Den gesetzlichen Kassen warf Eßer vor, sich der gemeinsamen Sicherstellungsverantwortung verweigert zu haben, indem eine paritätische Lastenteilung beim ursprünglich geplanten Schutzschirm abgelehnt wurde. Unsolidarisch sei auch die PKV gewesen. "Trotz Gesprächsversuchen hat sich deren Verband geweigert, der Vereinbarung mit der GKV zu zentral beschaffter Schutzausrüstung im geplanten Umfang beizutreten oder sich an einem Rettungsschirm zu beteiligen."
Mit vereinten Kräften aus der Krise
Es gelte jetzt, sich mit vereinten Kräften aus einer schwierigen Situation zu befreien, sagte Eßer auch mit Blick auf die Evaluation der COVID-19-Versorgungsstrukturen-Schutzverordnung, mit der im Herbst die wirtschaftliche Auswirkung auf Zahnarztpraxen ermittelt werden soll. "Allein zwischen Mitte März und Mitte Mai sind im Vorjahresvergleich Rückgänge im Leistungsvolumen von bis zu 50 Prozent festzustellen. Anzeichen für Normalisierungstendenzen beobachten wir dann ab Mitte Mai."
Auch müsse die Stärke eines freiberuflichen, selbstverwalteten und gemeinwohlorientierten Gesundheitssystems mehr herausgestellt werden, das sich nicht der Kommerzialisierung unterordnet. "Es ist ein Irrweg, Ökonomen die Ausrichtung eines Solidarsystems zu überlassen."
Weiterentwicklung der Regelungen für zahnärztliche MVZ
Auch vor diesem Hintergrund forderte Eßer eine Weiterentwicklung der Regelungen für rein zahnärztliche Medizinische Versorgungzentren: "Angesichts des ungebrochenen Wachstumstrends in diesem Bereich werden wir unsere Forderungen nach einer Rechtsgrundlage für Anstellungsgrenzen in MVZ, einer räumlich-fachlichen Begrenzung der Gründungsbefugnis von Kliniken und der Einführung eines MVZ-Registers in die politische Diskussion einbringen."
E-Bonusheft, Implantatpass und Videoleistungen
Zahnärztliche Leuchtturmprojekte wie das elektronische Beantragungs- und Genehmigungsverfahren sind derweil auf gutem Weg. Dazu zählen das elektronische Bonusheft und ein darauffolgender Implantatpass als Bestandteile der elektronischen Patientenakte sowie die Einführung von Videoleistungen. Zudem wird der VV die IT-Sicherheitsrichtlinie vorgestellt. Hinsichtlich der Störung des Versichertenstammdatenmanagements stellte Eßer klar, dass diese nicht zu Lasten betroffener Praxen gehen dürfe, weder finanziell noch organisatorisch.
"Lassen Sie uns zeigen, dass wir zusammenstehen!"
Abschließend richtete er einen Appell an den Berufsstand: "Lassen Sie uns nach vorne blicken und Herausforderungen gemeinsam angehen. Lassen Sie uns zeigen, dass wir zusammenstehen und uns nicht entmutigen und auseinanderdividieren lassen - besonders in schwierigen Zeiten wie diesen."