In der Landeshauptstadt Düsseldorf fand Mitte Januar zum neunten Mal der Dental-Dialog statt. Thema diesmal: „Zukunft Zahntechnik – wo geht die Reise hin?“.
Der Veranstalter, die Handwerkskammer Düsseldorf, hat mit dem Format Dental-Dialog einen Tag des Informationsaustauschs geschaffen, an dem sich Kollegen aus Zahnmedizin, Zahntechnik und Dentalfirmen in kollegialer Atmosphäre austauschen können. Auf dem Programm standen sechs Fachvorträge mit dem Schwerpunkt Digitalisierung mit Referenten aus der dentalen und nicht dentalen Welt.
Unfreiwillige Nachtaktion
Der Anblick verschlafener Gesichter an diesem Samstagmorgen bei der Begrüßung durch Andreas Ehlert, Präsident der Handwerkskammer Düsseldorf, war dem vorangegangenen Abend geschuldet, auch wenn es diesmal nicht das berühmte Düsseldorfer Nachtleben war: Am Freitagnachmittag war bei Bauarbeiten auf dem Gelände der ehemaligen Justizvollzugsanstalt „Ulmer Höh“ in Düsseldorf-Derendorf eine britische Zehn-Zentner-Weltkriegsbombe gefunden worden – komplett mit Aufschlagzünder. Die Bombe sollte noch am selben Abend entschärft werden, was die Evakuierung von 31.000 Menschen bedeutete. Allerdings zog sich die Evakuierung bis in die späte Nacht hin.
Blick Richtung Zukunft
Der gelernte Schornsteinfegermeister Andreas Ehlert, seit 2014 Präsident der Handwerkskammer, freute sich dennoch auf ein abwechslungsreiches Programm. Die Digitalisierung schreitet voran und ist auch in der Zahntechnik allgegenwärtiges Thema, aber Materialien und Maschinen müssen an die Bedürfnisse des Dentallabors angepasst werden. Trotzdem betonte Ehlert „Ich kenne kein Handwerk, das so innovativ ist und sich so stetig weiterentwickelt!“ ZTM Ernst Oidtmann, stellvertretender Obermeister der Zahntechniker-Innung Düsseldorf, appellierte an die Zahntechniker, sich der Welt der Digitalisierung nicht zu verschließen. ZTM Stephanie Remmen, Dozentin an der Handwerkskammer Düsseldorf, moderierte die eintägige Veranstaltung und stand jederzeit für Fragen und Anregungen zur Verfügung.
Nicht aufzuhalten
Erster Referent des Tages war Marcel Rösner, der auf mehrere Jahre Erfahrung in der Dentalindustrie, verwendete Materialien und CAD/CAM-Technologie zurückblicken kann. Sein Thema lautete: „Evolution der zahntechnischen Fertigung – wird Drucken das neue Fräsen?“ Er plädierte dafür, auch einen Blick in die Vergangenheit zu werfen, um die Evolution der Zahntechnik erfassen zu können. Er zeigte archäologische Funde, die belegen, dass es bereits um 700 v. Chr. erste Zahnrestaurationen beim Menschen gab.
Bei allen Erneuerungen, die die Zahntechnik durchlaufen habe, Gießen, Pressen oder Fräsen, habe es anfangs immer Skeptiker gegeben. Doch wenn sich dann eine Technologie durchsetzte und als wirtschaftlich empfunden wurde, wurde sie in den Alltag etabliert und schnell von nahezu jedem Dentallabor genutzt. Noch stehe beispielsweise der 3D-Druck am Anfang, und erst einige wenige Vorreiter befassten sich ernsthaft mit dieser Art der Herstellung und ihren Möglichkeiten. Irgendwann aber, so Rösners Vision, werde der 3D-Druck ein ganz alltägliches Verfahren sein, in jedem Labor zu Hause. Wichtigste Voraussetzungen: Die Technik müsse massentauglich, kostenfreundlich und nutzerfreundlich sein und zusätzlich eine höhere Materialvielfalt aufweisen.
Digital 4.0
Zahntechniker und Schütz-Referent Silvio Dornieden sprach im Bereich Digitalisierung ganz klar der Schnittstelle zwischen Praxis und Labor enorme Bedeutung zu. Digitalisierung beginne nicht erst im Labor, sondern schon bei der Kieferregistrierung eines Patienten, also bereits in der Praxis. Am Beispiel Datenaustausch zwischen Praxis und Labor durch Zebris (Schütz Dental) demonstrierte er eine ganz neue Dimension der Kieferregistrierung als zentrales Element eines komplett digitalen Workflows. Gewonnene Daten können direkt in die CAD-Software eingepflegt werden, womit Fehlerquellen effektiv ausgeschlossen werden könnten.
Wandel ja, aber bitte geplant
In Zeiten wachsender Konkurrenz in der Dentalbranche muss es oberstes Ziel sein, wettbewerbsfähig zu bleiben. Offenheit gegenüber neuester Technologie ist dafür eine wichtige Voraussetzung. Aber man muss seine Mitarbeiter auch mitnehmen, um den Weg in die Digitalisierung gehen zu können.
Hier kommt Dipl.-Ing. und Dipl.-Wirtschafts-Ing. Claudia Hilbertz, Gründerin der „Akademie Life Balance“, ins Spiel. Sie greift ein, wenn wegen tiefgreifender Umstellungen Chaos in Organisationsabläufen und damit auch im Team herrschen.
Hilbertz machte auf ein unterstützendes Förderinstrument in NRW aufmerksam, das alle Betriebe mit Arbeitsstätten in NRW in Anspruch nehmen können. Diese Potenzialberatung wird vom Europäischen Sozialfond (ESF) unterstützt und stellt Gelder zur Verfügung, um gerade kleine und mittelständische Unternehmen zu fördern.
Bezuschusst werden bis zu 50 Prozent der notwendigen Ausgaben für Beratungstage, maximal mit 500 Euro je Beratungstag. In Anspruch genommen werden können maximal zehn Beratungstage.
Die Potenzialberatung sei ein bewährtes Förderangebot in NRW und unterstütze Unternehmen und ihre Beschäftigten, den Wandel erfolgreich zu meistern.
Feuershow mal anders
Was tun, wenn’s brennt!? Diesen Ernstfall demonstrierten die beiden Gründer des Unternehmens „Ohne Feuer“, Wolfgang J. M. Kohlhaas und Malte Beckers, draußen auf dem Gelände der Handwerkskammer ganz praktisch: mit Feuer. Dort konnte als „Hands-on“ der Umgang mit einem handelsüblichen Feuerlöscher, allerdings mit Wasser gefüllt, geübt werden. Die beiden Brandschutzbeauftragten simulierten einen Brand, und Freiwillige konnten den Brandherd nach einer kleinen Unterweisung durch die Brandschutzbeauftragten selbstständig löschen. Es zeigte sich, wie wichtig die Unterweisung im Umgang mit einem Gerät ist, das zwar jeder schon mal gesehen hat, das die wenigsten aber jemals in der Hand hatten.
Selbstverständlich ging es den beiden Referenten um mehr als die „Feuershow“ vor Ort. Sie wollten vielmehr dafür sensibilisieren, wie wichtig das Thema für jedes Labor und jede Praxis ist. Denn nicht nur Brandschutz, sondern auch Arbeitsschutz dürften keinesfalls vernachlässigt werden. So liege der Fokus der Berufsgenossenschaften beim Arbeitsschutz aktuell mehr und mehr auf Laboren und Zahnarztpraxen, die verstärkt unangemeldet „begangen“ werden. Ergebnis seien viel zu oft seitenlange Mängellisten, die schnellstmöglich abgearbeitet werden müssen, da andernfalls empfindliche Strafen drohen.
Automatik-Tour mit Schaltgetriebe
Gleich zwei Referenten hatten sich zusammengetan, um den „Lückenschluss im digitalen Workflow“ zu präsentieren. Zahntechniker Jörg Mannherz und ZTM Sascha Ludwig arbeiten seit Jahren bei Amann Girrbach und haben die digitale Transformation an den eigenen Maschinen miterleben können. So habe sich die kleine Fräsmaschine zu einem autarken Flaggschiff entwickelt, das dem Labor in Zeiten der Digitalisierung zur Seite stehe, ohne dabei selbst zur Last zu fallen.
Genau eine solche Maschine hatten die beiden Zahntechniker gleich mitgebracht. Auf dem Parkplatz der Handwerkskammer war der Transporter mit dem markanten Panther auf der Seite nicht zu übersehen. Das Auto-Matik-Mobil – ironischerweise mit Schaltgetriebe, wie Referent Ludwig witzelte – ist eine clevere Idee, um die neue Fräsmaschine jedem präsentieren zu können, denn digital zu sein bedeutet auch, mobil und flexibel zu sein.
Genauer hinschauen
Referent ZTM German Bär, selbst Inhaber eines Dentallabors, versetzte die Teilnehmer zurück in die Anfänge der Zahnanalyse. Mit seinem Thema „Man erkennt nur das, was man weiß“ machte er deutlich, wie wichtig der Blick für die Vielfalt aus Farben, Struktur und Oberflächenbeschaffenheit – bei Zähnen und Gingiva – für die Arbeit des Zahntechnikers ist. „Es gibt keinen besseren Scanner als das Auge im Zusammenspiel mit dem Gehirn!“
Zahnersatz, selbst wenn er mithilfe einer Maschine hergestellt werde, sei immer nur so gut wie der Techniker, der ihn final bearbeite. So sind seiner Meinung nach das Erkennen der charakteristischen Merkmale von Zähnen und Zahnfleisch ebenso wie das Verstehen von „Gesetzmäßigkeiten“ elementar für die Realisierung einer naturkonformen Rekonstruktion.
„Zähne sind wie Gesichter“ – diesen Leitsatz erklärte Bär so, dass sich wie bei menschlichen Gesichtern nur die Form ändere, nicht jedoch der grundlegende Aufbau. So wie jeder Mensch zwei Augen, einen Mund und eine Nase hat, sei auch bei Zähnen der Grundaufbau im Prinzip immer derselbe. Anhand einer Bilderstrecke demonstrierte Bär die gelungene individuelle Gestaltung einer Gingiva, basierend auf einer genauen Analyse jedes Teilbereichs des Zahnfleischs, um die Nachbildung so natürlich wie möglich zu gestalten.
Um dem Patienten nicht nur optisch bestmöglichste Rekonstruktionen bieten zu können, lässt er in seinem Labor neben Fotos auch Videos der Patienten anfertigen und nutzt „phonetische Anproben“, um den ganzen Menschen erfassen zu können. Die Gesamtheit dieser Informationen bildet die Grundlage für perfekten Zahnersatz.
Mythos 3-D-Druck
Dr. Martin Klare, Geschäftsführer von pro3dure, ein globales Unternehmen der Druckbranche, das sich auf die Bedürfnisse seiner Kunden im 3D-Druck aus den Bereichen Audiologie, Medizin, Forschung und Dental konzentriert, hatte sich mit seinem Vortrag das Ziel gesetzt, einen Überblick der aktuellen verfügbaren 3D-Druckverfahren und ihre jeweilige Leistungsfähigkeit im Hinblick auf dentale Applikationen zu geben. Denn in der Branche mache viel Halbwissen, wenn nicht gar gezielte Falschinformationen zum 3D-Druck, die Runde, wie er immer wieder feststelle.
Sein Rat: Nicht alles hinnehmen, sondern die „Fakten“, die zu einer bestimmten Technik angepriesen werden, auch mal kritisch hinterfragen. So sei beispielsweise die Technik des adhäsiven 3D-Drucks keineswegs so „neu“, wie viele Anbieter behaupteten. Im Prinzip lasse sich das Verfahren zurückführen auf die Herstellungsweise des „Königs der Kuchen“, den Baumkuchen, die bereits im 18. Jahrhundert genutzt wurde. Auch Aussagen zum Parameter „Genauigkeit“ sollten immer hinterfragt werden, denn, so Klare, „Genauigkeit ist ein äußerst dehnbarer Begriff“.