Anzeige

Beatmung bei COVID-19-Patienten

Unter Hochdruck haben in den letzten Wochen zwölf erfahrene Lungenfachärzte in Deutschland ein Positionspapier zur praktischen Umsetzung der apparativen Differenzialtherapie der akuten respiratorischen Insuffizienz bei COVID-19 erarbeitet. Am Freitag, 17. April, wurde es der Fachöffentlichkeit bei einer Online-Pressekonferenz der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) vorgestellt.

„Es habe durchaus eine anfängliche Unsicherheit bestanden, wie man der respiratorischen Insuffizienz von COVID-19-Patienten richtig begegnen solle, denn die Empfehlungen zur Behandlung von schwer kranken Patienten beruhten auf den Erfahrungen insbesondere in China, Frankreich und Italien“, schildert Prof. Michael Pfeifer, Präsident der DGP und Medizinischer Direktor der Klinik Donaustauf, Zentrum für Pneumologie, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie. „Es ist daher ein großer Vorteil“, erklärt der stellvertretende Präsident Prof. Dr. Torsten Bauer, „dass man aufgrund der moderaten Fallzahlen von Patienten mit schwerem Verlauf und dem frühzeitigen Therapiebeginn in Deutschland die Erkrankung erst mal in Ruhe anschauen konnte.“  Nun hat die Fachgesellschaft ein gut 40-seitiges Positionspapier vorgelegt, in dem die Experten ihre Erfahrungen in der Behandlung von COVID-19-Patienten in mehreren Kernaussagen und Feststellungen zusammengefasst haben.

Gestörte Immunologie

Bei rund 80 Prozent der Infizierten könne man weiterhin von einem milden Verlauf der COVID-19-Erkrankung sprechen, aber bei etwa 20 Prozent käme es zu einem schweren Verlauf, wovon etwa 5 Prozent einer intensivmedizinischen und damit auch pneumologischen Behandlung bedürften. Bei ihnen gehen die Mediziner derzeit von einer gestörten Immunologie aus. Der Krankheitsverlauf sei darauf zurückzuführen, dass sich das Virus im Körper ungehindert ausbreiten könne, das Immunsystem die Entzündung nicht abriegelt und der Entzündungsprozess und die damit verursachten Schädigungen sich unkontrolliert ausbreiten. „Das ist das Neuartige an der Erkrankung und unterscheidet sie von der herkömmlichen Grippe, bei der es eine saisonale Hintergrundimmunität gibt“, erklärt Prof. Bauer.

Tag acht bis zwölf sind entscheidend

Aus der Beobachtung des klinischen Verlaufs der Patienten habe man zwei grundlegende Phasen der Erkrankung erkennen können. Im frühen Stadium könne eine zunehmende Verschlechterung des Gasaustausches beobachtet werden, bei dem der Patient aber noch stabil sei. „Bei einem Teil der Patienten nimmt die Atemnot in der Folge weiter zu und es tritt ein kritischer Abfall der Sauerstoffsättigung ein mit weiteren Organkomplikationen. Dann muss der Patient intensivmedizinisch behandelt werden mit einer rechtzeitigen und adäquaten Atmungsunterstützung. Das Kritische: Eine Verschlechterung der Atmung und damit des Allgemeinzustandes des Patienten kann innerhalb von Stunden erfolgen, weshalb wir Pneumologen für ein engmaschiges Monitoring bereits in der ersten Phase plädieren“, schildert Prof. Pfeifer. Als entscheidend für das Outcome haben die Ärzte die Tage acht bis zwölf der Erkrankung erkannt. „In dieser Zeit gewinnt entweder das Immunsystem oder das Virus die Oberhand“, so Prof. Bauer, Chefarzt der Klinik für Pneumologie, Lungenklinik Heckeshorn im Helios-Klinikum Emil von Behring in Berlin.

Invasive und nicht-invasive Beatmung

Die Unterscheidung zwischen einer frühen und späten Phase kann auch für die apparative Differenzialtherapie der akuten respiratorischen Insuffizienz herangezogen werden. Bei Hypoxämie, also bei Sauerstoffmangel im Blut, stehen zunächst die Gabe von Sauerstoff über Nasensonde, Venturi-Maske und nasale High-Flow-Therapie (NHF) im Vordergrund. Bei weiterer Verschlechterung des Gasaustausches und vermehrten Sauerstoffbedarf ist die Indikation zur CPAP-Therapie beziehungsweise zur Beatmung zu überprüfen. Neben der Indikationsstellung ist es ebenso wichtig den adäquaten Zeitpunkt und die richtige Form der Beatmung zu wählen. Prof. Pfeifer erklärt: „Wenn die invasive Beatmung zu spät einsetzt, erhöht das die Sterblichkeit. Die Diskussion über eine mögliche dauerhafte Schädigung der Lunge bei einer invasiven Beatmung ist unberechtigt. Die Folgen einer Nichtbeatmung sind schwerwiegender, sie können zum Tod des Patienten führen.“ Die Beatmung ist aber kein Selbstläufer, wie Professor Bauer unterstreicht: „Auch hier ist ein enges Monitoring wichtig, nach 30 bis 60 Minuten sollte überprüft werden, ob die eingeleitete Maßnahme den gewünschten Effekt zeigt oder nicht, ansonsten müsse man die Therapie ändern. Anfang Mai hoffen die Mediziner weitere Daten zur Mortalität bei COVID-19-Patienten und somit weitere Erkenntnisse zu haben.

Das Positionspapier finden Sie hier.