Ein Beitrag aus dem aktuellen Mitgliedermagazin für hessische Zahnärzte der Landeszahnärztekammer Hessen sowie der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Hessen veranlasst diesen Artikel. Im aktuellen Heft wird ein Interview mit Prof. Dr. Christoph Benz, Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer sowie Vorstandsmitglied der Bayerischen Landeszahnärztekammer, abgedruckt. In seiner Funktion als wissenschaftlicher Leiter der Akademie für freiberufliche Selbstverwaltung und Praxismanagement (AS Akademie) wird Prof. Benz auf die Förderung der Freiberuflichkeit als wesentliches Prinzip der AS Akademie angesprochen. Hierzu antwortet er:
„Dabei bleibt es auch. Natürlich können wir uns der jüngsten Entwicklung nicht verschließen, dass der zahnärztliche Nachwuchs immer öfter ins Angestelltenverhältnis strebt. Wir sind jedoch überzeugt, dass sich unsere Zahnmedizin nur ohne Nine-to-five-Denken und mit einer Chefin oder einem Chef umsetzen lässt. Die Unis sind schon lange ein MVZ, und von daher kenne ich die Arbeitsmentalität von Angestellten. Das erforderliche Engagement entsteht nur in der Freiberuflichkeit, und man muss den jungen Kolleginnen und Kollegen auch sagen, was sie aufgeben, wenn sie auf Freiberuflichkeit verzichten.“
An dieser Stelle ist einzuhaken. Selbstverständlich verzichtet kein Zahnarzt oder sonstiger Freiberufler auf seine Freiberuflichkeit, wenn er in ein Anstellungsverhältnis geht. Freiberuflichkeit hat nichts mit Selbstständigkeit zu tun, auf Freiberuflichkeit kann man insofern gar nicht „verzichten“.
Was bedeutet der Begriff der Freiberuflichkeit?
Da es immer wieder Missverständnisse im Hinblick auf diese Begrifflichkeiten gibt, möchten wir diesen Beitrag zum Anlass nehmen, den Begriff der Freiberuflichkeit einmal näher zu erläutern.
Unter einem „freien Beruf“ versteht man einen selbstständig ausgeübten wissenschaftlichen, künstlerischen, schriftstellerischen, unterrichtenden oder erzieherischen Beruf (Paragraf 18 Absatz 1 Nr. 1 Satz 2 Einkommensteuergesetz). Dabei ist die Freiberuflichkeit jedoch als Abgrenzung zum Gewerbe zu verstehen. Konkret fallen unter die freien Berufe die „Katalogberufe“ des Paragrafen 18 Absatz 1 Nr. 1 Satz 2 EStG: Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Rechtsanwälte, Notare, Patentanwälte, Vermessungsingenieure, Ingenieure, Architekten, Handelschemiker, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, beratende Volks- und Betriebswirte, vereidigte Buchprüfer, Steuerbevollmächtigte, Heilpraktiker, Dentisten, Krankengymnasten, Journalisten, Bildberichterstatter, Dolmetscher, Übersetzer, Lotsen und ähnliche Berufe. Menschen, die freie Berufe ausüben, werden als Freiberufler bezeichnet. Die freien Berufe haben im Allgemeinen auf der Grundlage besonderer beruflicher Qualifikation oder schöpferischer Begabung die persönliche, eigenverantwortliche und fachlich unabhängige Erbringung von Dienstleistungen höherer Art im Interesse der Auftraggeber und der Allgemeinheit zum Inhalt (vgl. Paragraf 1 Absatz 2 Partnerschaftsgesellschaftsgesetz).
Historische Erläuterung
Dies mag nun missverständlich zu verstehen sein, sieht die Legaldefinition im Einkommensteuergesetz doch die selbstständige Ausübung des Berufs als „freien Beruf“. Allerdings ist in diesem Zusammenhang auch die Historie zu berücksichtigen: Früher haben Zahnärzte, Rechtsanwälte oder auch Steuerberater ihren Beruf regelmäßig als „Einzelkämpfer“ in einem eigenen Büro oder auch in einer Bürogemeinschaft/Praxisgemeinschaft oder einer Sozietät/Gemeinschaftspraxis ausgeübt. Erst im Lauf der Jahre wurde es immer verbreiteter üblich, dass diese Praxis- oder Kanzleiinhaber angestellte (Zahn)Ärzte, Rechtsanwälte oder Steuerberater haben. Da nun der Beruf an sich die Qualifikation als „freier Beruf“ begründet, „verlieren“ die angestellten Zahnärzte, Rechtsanwälte oder Steuerberater ja nicht ihre Freiberuflichkeit. Da die Freiberuflichkeit in Abgrenzung zum Gewerbe definiert wird, würde dies sonst im Umkehrschluss bedeuten, dass angestellte Zahnärzte oder Rechtsanwälte ein Gewerbe ausüben. In der Folge würde dies bedeuten, dass eine Praxis mit einem Praxisinhaber und zwei angestellten Zahnärzten aus einem Freiberufler und im Übrigen aus Gewerbetreibenden besteht. Das ist mitnichten der Fall.
Der Beruf des Zahnarztes, des Arztes, Rechtsanwalts oder auch des Steuerberaters ist und bleibt typischerweise ein freier Beruf – ob die Tätigkeit nun selbstständig oder in Anstellung ausgeübt wird.
Der freie Beruf – auch in der Musterberufsordnung verankert
Auch aus der Musterberufsordnung für Ärzte geht die Abgrenzung zwischen freiem Beruf und Gewerbe klar und eindeutig hervor: „Der ärztliche Beruf ist kein Gewerbe. Er ist seiner Natur nach ein freier Beruf.“ (Paragraf 1 Absatz 1 Sätze 2 un d 3 MBO-Ärzte). Vor diesem Hintergrund erscheint erst recht zweifelhaft, dass dem Vizepräsidenten der Bundeszahnärztekammer, der gleichzeitig Vorstandsmitglied der Bayerischen Landeszahnärztekammer ist, die Begrifflichkeit nicht klar zu sein scheint. Schließlich sei in diesem Zusammenhang ein Beschluss des 118. Deutschen Ärztetags 2015 zu erwähnen. Als Tagesordnungspunkt I „Gesundheits-, Sozial- und ärztliche Berufspolitik“ wurde unter dem Titel „Begriff der Freiberuflichkeit zutreffend verwenden“ folgender Beschluss gefasst: „Der 118. Deutsche Ärztetag 2015 fordert die Akteure im Gesundheitswesen auf, den Begriff der Freiberuflichkeit im Hinblick auf den Arztberuf zutreffend und korrekt zu gebrauchen. Ärztinnen und Ärzte üben ihren Beruf frei aus. Sie sind ausschließlich dem Wohl ihrer Patienten verpflichtet. Dies gilt unabhängig davon, ob sie ihre Tätigkeit selbstständig oder angestellt, ambulant oder stationär ausüben. Der Gesetzgeber hat deshalb in (...) der Bundesärzteordnung festgelegt: ‚Der ärztliche Beruf ist kein Gewerbe; er ist seiner Natur nach ein freier Beruf.‘ Eine identische Formulierung findet sich in den Berufsordnungen aller Landesärztekammern. Alle Ärztinnen und Ärzte üben demnach einen freien Beruf aus. Dies ist auch Beschlusslage des Deutschen Ärztetags (112. Deutscher Ärztetag 2009, Entschließung III – 05). Angesichts vielfacher Bedrohungen unabhängiger und freier ärztlicher Berufsausübung ist es Aufgabe der deutschen Ärzteschaft, die Merkmale des freien Berufs Arzt in allen Bereichen ärztlicher Tätigkeit stets zu verteidigen.
Der 118. Deutsche Ärztetag nimmt zur Kenntnis, dass vermehrt in Verlautbarungen ärztlicher Organisationen, Verbände und einiger Körperschaften die Begriffe ,Freiberuflichkeit‘ und ,selbstständige Berufsausübung‘ bedeutungsidentisch verwendet werden, überwiegend mit dem Ziel, die Freiberuflichkeit als Alleinstellungsmerkmal ausschließlich für die eigenen Mitglieder zu reklamieren. Der 118. Deutsche Ärztetag tritt dieser Neigung zur gezielten Fehlinterpretation des Begriffs der Freiberuflichkeit von Ärztinnen und Ärzten beziehungsweise der selbstständigen Berufsausübung entschieden entgegen. Er fordert die ärztlichen Verbände, Organisationen und Körperschaften auf, die teilweise missbräuchliche Verwendung des Begriffs ‚Freiberuflichkeit‘ zulasten der Mitglieder anderer ärztlicher Organisationen und Verbände innerhalb ihrer jeweiligen Organisation zu verhindern und in der Kommunikation nach außen künftig zu unterlassen.“
Fazit
Wir hoffen, mit diesem Beitrag nun weiterhin verbreitete Missverständnisse hinsichtlich des Begriffs der Freiberuflichkeit ausgeräumt zu haben. Der (zahn)ärztliche Beruf ist und bleibt ein freier Beruf – unabhängig davon, ob er in selbstständiger oder angestellter Tätigkeit, in Vollzeit oder Teilzeit, stationär oder ambulant, privat- oder vertrags(zahn)ärztlich ausgeübt wird.