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Hätten Sie das alles gewusst? – Behandlungsfall, Erkrankungsfall, Beratung

Ein Alltagsbeispiel: Der neue Behandlungsfall bei der Ziffer Ä1 „Beratung“. Eigentlich muss man sie „Kurzberatung“ nennen, denn betriebswirtschaftlich stehen dem Zahnarzt selbst dafür im Schnitt ca. 2,5 bis maximal vier Minuten zur Verfügung. Erste häufige Reaktion in der Praxis: „Ich weiß bei der Ä1 Bescheid, da kenne ich alles.“ Das ist jedoch in einer deutlichen Anzahl von Fällen nicht so, und gegenüber dem Jahr 2013 scheint sich nach dem bisherigen Stand der ZA-Statistik für 2014 die Zahl mehr als zu verdoppeln.

Der erste Fehler ist dem arglosen Leser vielleicht bereits jetzt unterlaufen, wenn er den soeben gebrauchten Begriff „neuer Behandlungsfall“ nicht sofort kritisch hinterfragt. Ist wirklich der neue Behandlungsfall gemeint, wie stets von den Kostenerstattern behauptet, oder ist der neue Erkrankungsfall ausschlaggebend für den erneuten Ansatz der Ziffer Ä1?

Ä1 als einzige oder alleinige Leistung

Vorauszuschicken ist ganz grundsätzlich Folgendes: Keineswegs jede Beratung, die tatsächlich erfolgt und inhaltlich (kurz) dokumentiert ist, darf gebührentechnisch auf der Rechnung angesetzt werden. Beratung wird seit jeher pauschaliert vergütet. Natürlich nur, wenn sie wirklich erfolgt ist, aber es müssen eben noch weitere Regeln zur Berechnungsfähigkeit nach der GOZ hinzukommen. Regel Nummer 1 ist, dass die Beratung nach Ziffer Ä1 als einzige Leistung in einer Sitzung immer berechnungsfähig ist, ob indiziert oder verlangt; das macht nur einen Unterschied bei der Rechnungskennzeichnung gegebenenfalls als „Leist. i.S.v. § 1 (2) 2 GOZ“, als Leistung nach Paragraf 1, Absatz 2 Satz 2 GOZ.

Regel Nummer 2 besagt, dass die Berechnung der Ä1 als alleinige Leistung neben der Ä5 „symptombezogene Untersuchung“ oder der Ä6 „vollständige Untersuchung des stomatognathen Systems“ ebenfalls immer berechnungsfähig ist, wenn sie angefallen ist. Das gilt aber nur, wenn keine weiteren GOZ-Leistungen in der betreffenden Sitzung hinzukommen, jedoch auch keine GOÄ-Leistungen aus den Abschnitten C bis O (nichtgebietsbezogene Sonder- bis Röntgenleistungen).

Warum ist dennoch zusätzlich zur Ziffer Ä1 die Ä5 oder Ä6 möglich? Weil die im Abschnitt B der GOÄ (von Ä1 bis Ä96) zu finden sind, und alle dortigen Leistungen sind gemäß den „Allgemeinen Bestimmungen“ zu Abschnitt A der GOZ zunächst nicht auf einmal im Behandlungsfall neben Ziffer Ä1 beschränkt, gegebenenfalls jedoch einzelne Ziffern gemäß ihrer speziellen Berechnungsbestimmungen daneben ausgeschlossen etc.

Warum aber ist nach dem Erstansatz im Behandlungsfall neben weiteren GOZ-/GOÄ-Leistungen eine alleinige Ziffer Ä1 neben einer Nummer  0010 GOZ „eingehende Untersuchung“ nicht möglich? Weil Berechnung der Ziffer Ä1 trotz Erbringen generell nach deren Erstansatz im Behandlungsfall neben unterschiedslos allen GOZ-Leistungen ausgeschlossen ist. Zitat aus der GOZ: „Eine Beratungsgebühr nach der Nummer 1 des Gebührenverzeichnisses für ärztliche Leistungen […] darf im Behandlungsfall nur einmal zusammen mit einer Gebühr für eine Leistung nach diesem Gebührenverzeichnis und für eine Leistung aus den Abschnitten C bis O des Gebührenverzeichnisses für ärztliche Leistungen berechnet werden.“

Neuer Behandlungsfall

Es bleibt nun die eingangs aufgeworfene Frage nach dem „neuen Behandlungsfall“. Dieser ist in den „Allgemeinen Bestimmungen“ zu Abschnitt A. der GOZ definiert (Zitat): „Als Behandlungsfall gilt für die Behandlung derselben Erkrankung der Zeitraum eines Monats nach der ersten Inanspruchnahme des Zahnarztes.“

In dieser Bestimmung sind drei Aussagen, die zu beachten sind, wovon jedoch eine häufiger falsch ausgelegt und die andere oft gar nicht zur Kenntnis genommen wird. Der „Behandlungsfall“ hat weniger mit zahnärztlicher Tätigkeit, eher mit dem reinen Zeitablauf zu tun. Der Behandlungsfall im Verständnis von GOZ und GOÄ ist ganz simpel eine „Monatsfrist“, womit allerdings kein Kalendermonat gemeint ist, sondern eine 30-Tage-Frist. Nach Ablauf von 30 Tagen beginnt der neue Behandlungsfall vielleicht wieder mit einer Beratung (Ä1) und gegebenenfalls mit einer neuen ersten Leistung neben dieser Beratung, unabhängig davon, was in den vorangegangenen Tagen an Behandlung erfolgt oder nicht erfolgt ist. Und wieder nach einer Monatsfrist beginnt möglicherweise der dritte Behandlungsfall bei der Behandlung derselben Erkrankung.

Neuer Erkrankungsfall

Wann beginnt denn nun ein neuer Erkrankungsfall? Der beginnt, wenn eine neue Erkrankung behandelt wird. Der beginnt, wenn es sich nicht mehr um die Behandlung derselben Erkrankung handelt, egal ob mitten im Behandlungsfall (Monatsfrist!) oder zu Beginn eines neuen Behandlungsfalls.

Was ist ein neuer Erkrankungsfall? Der Erkrankungsfall ist die Gesamtheit der erhobenen und erhebungsfähigen Befunde anlässlich einer eingehenden oder einer vollständigen Untersuchung (0010 GOZ, Ä6). Es liegt nicht mehr „derselbe Erkrankungsfall“ vor, wenn Neubefunde mit Erkrankungswert erhoben wurden, also eine Neuerkrankung vorliegt.

Woran ist demnach die Neuerkrankung auf der Rechnung – auch bei automatisierter Prüfung der Rechnung per Computer – zu erkennen? An einer vor der erneuten Ziffer Ä1 (Beratung) angefallenen Untersuchungsleistung, zumindest nach Ä5 (symptombezogene Untersuchung), die wie die Ä1 im neuen Erkrankungsfall jeweils wieder angesetzt werden kann.

Inanspruchnahme

Nach erfolgter Behandlung einer Erkrankung erfolgt der Behandlungsabschluss. Ein neuer erster Behandlungsfall als Monats- beziehungsweise 30-Tage-Frist beginnt mit der „ersten Inanspruchnahme des Zahnarztes“ anlässlich eines Recalltermins, eines Schmerzfalls etc. Die erste Inanspruchnahme des Zahnarztes ist der Ersttermin im neuen Behandlungsfall (Erstsitzung), und in Anspruch genommen werden natürlich nicht nur der Zahnarzt, sondern auch die Fachkräfte, die gesamte Praxis nebst Einrichtung und ihren Dienstleistungen. Inanspruchnahme ist gleichzusetzen mit dem Begriff „Sitzung“ – und deshalb gibt es auch prinzipiell keine zwei Sitzungen mit zwei unterschiedlichen Behandlern anlässlich einer Inanspruchnahme.

Die Besonderheit bezüglich der Ziffer Ä1 und der Zeitfrist ab der ersten Inanspruchnahme im Behandlungsfall ist, dass zu diesem Ersttermin im Behandlungsfall nicht unbedingt eine Beratung nach Ä1 erfolgen muss oder an deren Stelle eine eingehende Beratung zum Beispiel nach Ziffer Ä3 erfolgen kann. Wenn dann möglicherweise in einer zweiten Sitzung eine Beratung nach Ä1 erfolgt, ist diese die erste Ziffer Ä1 im Behandlungsfall (Monatsfrist) und die nächste Kurzberatung könnte gegebenenfalls bereits in der dritten Sitzung zu Beginn einer neuen Monatsfrist seit der ersten Inanspruchnahme erfolgen: Das gilt also auch, wenn zwischen den beiden Beratungen nach den Ziffern Ä1 (zum Beispiel in der 2. und 3. Sitzung) vielleicht nur zwei Wochen liegen sollten.

Dieser Teil der Bestimmung wird regelmäßig nicht beachtet. Das ist jedoch zum Nachteil der abrechnenden Praxis und wird daher von Kostenerstattern nie beanstandet. Jedoch wird der tatsächlich oder angeblich oder nicht vorliegende neue Erkrankungsfall sehr häufig moniert (in mehr als 50 Prozent aller Einwände zu Beratungsleistungen). Angeführt wird dann von Erstattern immer die lediglich einmalige Berechnungsfähigkeit der Ziffer Ä1 „im Behandlungsfall“.

Davon gibt es aber vier Ausnahmen, auf die man gegebenenfalls nachdrücklich hinweisen muss:
1. Ä1 als einzige Leistung,
2. Ä1 alleine neben Ä5, Ä6 (und/oder weiteren Leistungen aus Teil B. GOÄ, zum Beispiel Ä60),
3. Ä1 im neuen Erkrankungsfall, zum ersten Mal neben GOZ-/ GOÄ-Leistungen (C-O),
4. Ä1 im neuen Behandlungsfall (nach Monatsfrist, gegebenenfalls diese seit Erstinanspruchnahme).