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Hepatitis C und Mundgesundheit
Hepatitis_C_Virus

3-D-Illustration des Hepatitis C Virus. Es gibt noch keine Impfung, die gegen eine Infektion schützt.

Weltweit sind etwa 170 Millionen Menschen mit  dem Hepatitis C Virus (HCV) infiziert, die Prävalenz beträgt 2,5 Prozent, in den Hochrisikogebieten sogar bis zu 48 Prozent. Die Ansteckung erfolgt über Blut und Blutprodukte, eine Impfung gegen das HC Virus gibt es derzeit nicht.

Infektionen mit HCV führen in 70 bis 80 Prozent der Fälle zu einer chronischen Entzündung der Leber und in der Folge zu weiteren Komplikationen wie Zirrhose und hepatozellulärem Karzinom. Daneben kommt es bei mehr als 75 Prozent der Betroffenen auch zu extrahepatischen Manifestationen wie erhöhtem Lymphomrisiko, Kryoglobulinämie und in vielen Fällen auch zu oralen Läsionen. Neben beträchtlichen Auswirkungen auf den parodontalen Status sind vor allem der orale Lichen planus, das Sjögren Syndrom und eine vermehrte Inzidenz für orale Plattenepithelkarzinome mit der Virusinfektion assoziiert. Die biologische Ursache der Genese derartiger Krankheitsbilder ist nicht vollständig geklärt. Vermutet wird eine Kombination aus den durch die Lebererkrankung hervorgerufenen Veränderungen im Abwehrsystem und direkten viralen  Einflüssen.

Parallelen im Entzündungsgeschehen von Leber und Parodontium

HCV Patienten zeigen gegenüber nichtinfizierten Personen vergleichbarer Altersgruppen eine deutlich vermehrte Neigung zu schweren chronischen Parodontopathien mit  starker Gingivablutung, tiefen Zahnfleischtaschen und raschem Attachmentverlust. Die Leber kontrolliert wichtige immunologische Prozesse in unserem Körper. Durch eine verminderte Leberfunktion werden sowohl die unspezifische zelluläre Abwehr, als auch das Komplementsystem empfindlich beeinträchtigt. Die bei oralen und gingivalen Entzündungen in der erster Linie der lokalen Abwehr stehenden neutrophilen Granulozyten sind in ihrer Beweglichkeit, dem Adhäsionsvermögen und ihrer Phagozytosefähigkeit gestört, die Interaktion mit Komplementfaktoren ist vermindert. Gleichzeitig werden inadäquat hohe Mengen an proinflammatorischen Zytokinen, vor allem TNF alpha, Interferon gamma und Interleukine (IL1, IL6) gebildet und freigesetzt.

Die Hepatitis C als präexistente entzündliche Systemerkrankung kann damit gemeinsam mit einem potenziell pathogenen bakteriell/fungalen Biofilm sowohl die Entstehung einer Parodontitis begünstigen als auch deren Progression massiv fördern. Der Serumspiegel von TNF alpha bei HCV Infektion korreliert in seiner Höhe mit der Zytokinkonzentration in der Sulkusflüssigkeit. Zusätzlich belastet die mit der Leberfibrose einhergehende metabolische Dysfunktion durch vermehrte Adiponectinbildung die orale Homöostase. Die im Rahmen der HCV Infektion erhöhte Leberenzyme ALT (Alanin Aminotransferase) und AST (Aspartat Aminotransferase) lassen sich ebenfalls in ähnlichen Konzentrationen im Sulkus nachweisen. Anderseits wirkt auch die Parodontitis auf die infektionsgeschädigte Leber zurück, indem die chronische Inflammation von Gingiva und Zahnhalteapparat systemisch erhöhte Entzündungswerte verursacht und damit das viral induzierte Krankheitsgeschehen verstärkt.

Speicheldrüsendysfunktion durch molekulare Mimikry

Im Sulkusfluid entzündeter Zahnfleischtaschen können bei bestehender Hepatitis C bei fast 60 Prozent der Betroffenen virale RNA und in 84 Prozent auch Antikörper gegen HCV nachgewiesen werden. Die Viruspartikel werden durch mononukleäre Blutzellen in die Sulkusflüssigkeit transportiert. Die Effektivität der viralen Transmission über die Sulkusflüssigkeit korreliert mit dem aktuellen Virusload des Patienten.

Hepatitis C führt zu Veränderungen in der Speichelbildung und Sekretion. Bis zu 75 Prozent der Infizierten leiden zumindest unter einer milden Form einer Sialadenitis bis hin zu einem  Sjögren Syndrom. Bei Untersuchungen von Patienten mit Sjögren Syndrom waren etwa 15 Prozent von ihnen mit dem Hepatitis C Virus infiziert.  Allerdings zeigt die HCV assoziierte Speicheldrüsenerkrankung deutliche Unterschiede zu der idiopathischen Form. So findet man hier nicht die sonst präsenten Antikörper, wie anti-Ro/SS-A oder Jo-1.

Bei beiden Formen kommt es aber zu einer Infiltration der Speicheldrüsen mit kleinen Lymphozyten und in der Folge durch Hyperaktivität der B-Zellen zu einer massiven Überproduktion von Autoantikörpern. Das Sjögren Syndrom bei HCV Patienten zeigt eine Dominanz von B- gegenüber T- Lymphozyten im lymphatischen Fokus, aber eine gleichzeitig vermehrte Expression von T-Lymphozyten im Entzündungsinfiltrat. Die Struktur der Speicheldrüsen wird zerstört; die Folge ist eine massive Xerostomie. Damit wird die Schutz- und Spülfunktion des Speichels herabgesetzt, die oralen Schleimhäute werden vulnerabler und infektionsanfälliger, das Kariesrisiko steigt. Ursache für das HCV bedingte Sjögren Syndrom ist neuen Forschungen zufolge vermutlich eine molekulare Mimikry zwischen dem Speicheldrüsengewebe und dem Virus.

HC-Viren in  Läsionen des oraler Lichen planus

Die Häufigkeit von oralem Lichen planus (OLP) bei HCV Patienten wurde erstmals 1990 beschrieben. Es handelt sich dabei um eine chronisch entzündliche Erkrankung der oralen Schleimhäute, die autoimmun über T- Lymphozyten induziert wird. Die Immunzellen wenden sich gegen die basalen Epithelien der Mukosa und zerstören deren Struktur. In den meisten Fällen findet man netzartige Veränderungen an der Wangeninnenseite, allerdings sind auch plaqueartige, bullöse, erosive oder atrophische Läsionen möglich. Weniger eindeutig erkennbar ist der OLP der Gingiva, der, mit entsprechenden Folgen für den parodontalen Status, meist als desquamative Gingivitis imponiert.

Die Ursachen der Erkrankung sind heterogen und nicht restlos geklärt. Bei Patienten mit HCV Infektion tritt die Läsion allerdings überproportional häufig auf. Virus RNA  und Antikörper sind bei HCV Patienten nicht nur im Serum, sondern auch direkt im oralen Lichen nachweisbar. Wie auch beim HCV assoziierten Sjögren Syndrom ist als Verursacher ein  Mimikry-Effekt wahrscheinlich. Dieser resultiert aus der strukturellen Übereinstimmungen zwischen der Virushülle und den Keratinozyten der Mukosa. HCV verursacht eine lokale Immunantwort, die an sich spezifisch für Virenepitope ist, jedoch aus den genannten Gründen nun auch das körpereigene Gewebe des Wirtes angreift. Typischerweise ist der Anteil der CD8+ T-Lymphozyten beim HCV assoziierten OLP deutlich höher als beim idiopathischen Lichen. In beiden Fällen ist das Resultat ein inadäquater Immunrespons mit massiver Ausschüttung von proinflammatorischen Zytokinen.

In 1,5 Prozent der Fälle kann der orale Lichen bei längerem Bestehen in ein invasives Plattenepithelkarzinom übergehen, weshalb er zu den Präkanzerosen gezählt wird. Das orale Plattenepithelkarzinom tritt in der Gruppe der HCV Patienten deutlich häufiger als bei Nichtinfizierten auf. Dies erklärt sich einerseits aus den präkanzerösen Eigenschaften des oralen Lichen planus; andererseits konnten retrospektive Studien belegen, dass das Malignom auch unabhängig von derartigen Vorstufen eine Assoziation zu HCV aufweist. Über die Zusammenhänge ist derzeit noch wenig bekannt, hier sind weiterführende Untersuchungen zur Abklärung notwendig. In jedem Fall bedürfen Patienten mit chronischer Hepatitis C aus zahnärztlicher Sicht regelmäßiger Kontrollen und im Bedarfsfall adäquater Interventionen.