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Hypomineralisation: "MIH wird zu einer großen Herausforderung"

Auf der Wissenschaftlichen Pressekonferenz zum Deutschen Zahnärztetag Anfang November in Frankfurt (Main) informierte Prof. Dr. Dr. Norbert Krämer zu einem Thema, das in vielen Zahnarztpraxen immer häufiger auftritt. In Zusammenhang mit einem auch in Deutschland stetig rückläufigen Kariesbefall werde offensichtlich ein gehäuftes Auftreten der Molaren-Inzisiven-Hypomineralisationen (MIH) beobachtet.

Inwieweit das Phänomen der MIH in der Vergangenheit durch den Kariesbefall überlagert wurde oder ob es sich tatsächlich um eine Häufigkeitszunahme handelt, ist bislang ungeklärt, so Krämer. Die Prävalenz liege in Deutschland bei etwa 10 Prozent der Kinder, man beobachte aber weltweit einen Anstieg. Aus Skandinavien werden Werte von bis zu 50 Prozent in einigen Regionen Dänemarks berichtet, so Krämer.

Ursachen noch nicht geklärt

Die Ursachen der MIH seien nach wie vor ungeklärt, frühere Annahmen wie Mangelernährung schieden heute in der Regel aus. Für die oft genannten Bisphenole gebe es nur eine moderate Evidenz. Die betroffenen Patienten leiden häufig an Schmelzfrakturen, Füllungsverlust, Sekundärkaries aber vor allem unter starken Überempfindlichkeiten dieser Zähne. Die hypomineralisierten Zähne weisen strukturelle Defizite auf, welche für den Kliniker von Bedeutung sind, vor allem in Anbetracht der ihm zur Verfügung stehenden Behandlungsmöglichkeiten. Die Versorgung der Anomalie verlange neben der konservierend restaurativen und prothetischen Fachkenntnis auch oralchirurgisches und kieferorthopädisches Wissen für beide Dentitionen, so Krämer. Das Thema werde zu einer großen Herausforderung für die Praxen.

Erhöhter Anteil von Proteinen

Die strukturellen Besonderheiten von Zähnen mit MIH führen jedoch immer wieder zu Misserfolgen insbesondere bei der adhäsiven restaurativen Versorgung der Zähne. Der Schmelz sei häufig porös, eine Studie von Göteborger Wissenschaftlern habe zudem einen erhöhten Anteil von Proteinen im Schmelz von MIH-Zähnen gezeigt, der zu einer schlechteren Haftung von Adhäsiven führe. Vor diesem Hintergrund sei die Frage noch weitgehend ungeklärt, inwieweit eine Adhäsion an die veränderte Zahnhartsubstanz der Zähne mit Molar-Inzisiven-Hypomineralisation überhaupt möglich ist. Neuere Studien wiesen jedoch darauf hin, dass durch eine adäquate Vorbehandlung die Haftwerte verbessert werden können, so Krämer. Amalgam sei wegen seiner Wärmeleitfähigkeit für die hypersensiblen MIH-Zähne nicht geeignet.

Frühzeitige Intervention mit intensiver Fluoridierung

Er empfiehlt eine möglichst frühzeitige Intervention schon im Zahndurchbruch mit intensiver Fluoridierung und Kalziumspendern um den Schmelz zu festigen. Bei Kariesrisiko sollte früh mit Glasionomerzementen (GIZ) versiegelt werden. GIZ seien auch Mittel der Wahl, wenn kein Kofferdam für eine adhäsive Restauration eingesetzt werden könne.

"Es ist eine generelle Erfahrung, dass trotz desaströser Erstansicht solcher Molaren die vertikale Ausdehnung der Dentinkaries in Richtung Pulpa meist erheblich geringer ausgeprägt ist, als zuerst vermutet. Daher macht der direkte restaurative Ansatz sehr oft Sinn, nicht zuletzt um Hypersensitivitäten zu reduzieren und auch, um Zeit zu gewinnen. Später kann man immer noch indirekt restaurieren. Bei Ausdehnung der Karies bis in die Pulpa jedoch sollte eine frühzeitige Extraktion und kieferorthopädische Einstellung der Zwölf-Jahr-Molaren ernsthaft erwogen werden", so Krämer.