Im achten Teil der Reihe Stichpunkt Anästhesie schreibt Lothar Taubenheim über Anästhetika für die intraligamentäre Anästhesie.
Das vor mehr als 40 Jahren – im Jahre 1976 von vormals Hoechst AG, heute Sanofi – ausgebotene Anästhetikum Ultracain (patentierte Substanz Articain) war eine Bereicherung im Bereich der dentalen Schmerzausschaltung und hat sich in der zahnärztlichen Praxis millionenfach bewährt, auch für die intraligamentäre Anästhesie (ILA).
Zeitgleich stellten Chenaux et al. 1976 in der Schweizer Monatsschrift für Zahnheilkunde zum Aspekt Anästhetika fest, dass „prinzipiell jedes Lokalanästhetikum für die intraligamentäre Anästhesie verwendet werden kann [1]. Die Toleranz gegenüber den gefäßverengenden Zusätzen war stets gut. Das Fehlen von Nebenerscheinungen ist auf die geringe Dosis wie auf die mehr oder weniger vollständige Schmerzfreiheit bei sorgfältiger Anwendung der Technik zurückzuführen“.
Klinische Vergleichsstudie zur ILA
Eigentlich ist – auch für den Autor – damit die Frage, ob für die intraligamentäre Anästhesie Anästhetika mit oder ohne Vasokonstringentien appliziert werden sollen, schon beantwortet. Aber was gilt schon eine Aussage, wenn sie nicht durch evidenzbasierte Studienergebnisse gedeckt ist. Vor diesem Hintergrund führten Gray et al. (1987) ihre klinische Vergleichsstudie zur ILA „With or without Vasoconstrictor“ durch [2]. Sie verwendeten für ihre klinische Studie Lignocaine (Lidocain) 2 Prozent mit Adrenalin 1:80.000 beziehungsweise Lignocaine 2 Prozent ohne „Vasoconstrictor (plain)“. Für die intraligamentalen Injektionen benutzten Gray und Mitarbeiter Ligmaject-Spritzen – neben den Peripress-Spritzen damals Stand der Technik.
Bei den klinischen Indikationen gab es keine Festlegungen; hauptsächliche Anwendungen waren restaurative Behandlungen, einige Extraktionen und Pulpaexstirpationen. Pro Wurzel wurden 0,2 ml Anästhetikum appliziert; die Anästhesie trat meist unverzüglich, spätestens jedoch nach 30 Sekunden ein. Bei Ausbleiben der Analgesie wurde die gleiche Menge nachinjiziert. Der Zusatz von Adrenalin zur Anästhetikalösung verdoppelte die Erfolgssicherheit der Analgesie. Dokumentiert wurden:
- 91,6 Prozent Erfolgsrate bei Verwendung von Lignocaine 2 Prozent mit Adrenalin 1:80.000
- 42,0 Prozent Anästhesieerfolg bei Verwendung von Lignocaine 2 Prozent ohne diesen vasokonstriktorischen Zusatz
Postoperative Nebenwirkungen oder Komplikationen („minor discomfort“) traten in fünf Fällen auf, die sich auf beide Gruppen verteilten. Sie klangen innerhalb von 48 Stunden ab. Für die intraligamentäre Anästhesie wird daher eine Lösung mit Adrenalin empfohlen, in Deutschland zum Beispiel Ultracain D-S, das Standardanästhetikum in fast allen deutschen Zahnarztpraxen.
Lösung mit Adrenalin empfohlen
Die Toleranz gegenüber gefäßverengenden Zusätzen in den Anästhetika bei der ILA ist als gut einzuschätzen. Das Ausbleiben von unerwünschten Nebenerscheinungen wird auf die geringe notwendige Dosis sowie auf die mehr oder weniger vollständige Schmerzfreiheit bei sorgfältiger Anwendung der Technik zurückgeführt (Castagnola et al. 1982) [3]. Schon 1994 bestätigten Heizmann und Gabka, dass es hinsichtlich der verwendeten Anästhetika keine Einschränkung für die Anwendung im Rahmen der intraligamentären Anästhesie gebe und infolge der geringen Dosierung auch Lösungen mit höherem Adrenalinzusatz verwendet werden könnten [4].
Bei allen in den vergangenen 20 Jahren durchgeführten klinischen Studien zur intraligamentären Anästhesie (ILA), deren Ergebnisse publiziert wurden, wurde als Anästhetikum 4-prozentige Articainhydrochloridlösung mit Adrenalinzusatz gewählt, das heißt, das gleiche Lokalanästhetikum, das auch in den meisten Fällen für die Leitungs- und die Infiltrationsanästhesie appliziert wird.
Die Studien zeigen, dass die ILA bei den meisten zahnärztlichen Maßnahmen eine Alternative zu der Leitungs- und der Infiltrationsanästhesie ist. Sie bietet für die behandelnden Zahnmediziner Sicherheit und für den Patienten weniger Beeinträchtigungen. Allerdings ist der Anästhesieerfolg der ILA eine Triade aus Instrumenten, das heißt sensiblen Instrumentarien, mit denen der Anwender die anatomischen Gegebenheiten des Patienten gut erspüren und den von ihm aufgebauten eigenen Injektionsdruck patientenorientiert anpassen kann, Anästhetika mit Adrenalin und die Beherrschung der Methode der intraligamentären Anästhesie, die ja immer noch nicht generell als primäre Lokalanästhesiemethode in der Zahnheilkunde gelehrt und angewandt wird.
Angesichts der heutigen Rechtslage, dass vor jeder Infiltrations- oder Leitungsanästhesie über systemimmanente Risiken, die auch bei fehlerfreier Verabreichung bestehen, aufgeklärt werden muss, die intraligamentäre Anästhesie jedoch keine solchen systemimmanenten Risiken beinhaltet, die der Aufklärung bedürfen, kommt der intraligamentäre Anästhesie für die tägliche Praxis eine ständig zunehmende Bedeutung zu.
Lothar Taubenheim, Erkrath
Literatur
[1] Chenaux G, Castagnola L, Colombo A. L’anesthésie intraligamentaire avec la seringue „Peripress”. Schweiz Monatsschr Zahnheilkd, 86: 1165-1173 (1976).
[2] Gray R J M, Lomax A M, Rood J P. Periodontal ligament injection: with or without a vasoconstrictor? Br Dent J (162) 11, 263-265 (1987).
[3] Castagnola L, Chenaux G, Colombo A. Intraligamentary anesthesia with the peripress syringe. Quintessence Internat 3, 927-930 (1982).
[4] Heizmann R, Gabka J. Nutzen und Grenzen der intraligamentären Anaesthesie. Zahnärztl Mitt 84, 46-50 (1994).