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Intraligamentäre Anästhesie: Triade der Anwendung

Im zweiten Teil der Reihe Stichpunkt Anästhesie schreibt Lothar Taubenheim über Instrumente, Anästhetika und Methodenbeherrschung der intraligamentären Anästhesie.

Die Ausschaltung von Schmerzen durch Lokalanästhesie ist eine Voraussetzung für eine risikoarme und patientenfreundliche Behandlung. Beachtet man die Invasivität und die bekannten Risiken der Nervstammblockade, so sollte die Leitungs- und auch die Infiltrationsanästhesie als „immerwährender Goldstandard“ überdacht werden [1].

Die intraligamentäre Anästhesie ist eine minimal-invasive Alternative. Die erfolgreiche Anwendung dieser Lokalanästhesiemethode allerdings erfordert eine konsequente Umstellung der bis dato täglich konventionell praktizierten Injektionen von Lokalanästhetika.

Beherrschung unerwünschter Effekte

Der Anästhesieerfolg der intraligamentären Anästhesie ist eine Triade aus Beherrschung der Methode, der Applikation bewährter Anästhetika mit Adrenalin und die Anwendung sensibler Injektionsinstrumentarien. Zur Triade des Anästhesieerfolgs der intraligamentären Anästhesie (ILA) gehört primär die Beherrschung der in der Literatur immer wieder erwähnten unerwünschten Effekte. Sie hängen ursächlich mit der Injektion des Anästhetikums unter Druck via Sulcus gingivalis ins Desmodont (Ligamentum circulare) zusammen. Als wesentliche negative Effekte sind zu betrachten: Vorkontakt, Druckschmerz, Elongationsgefühl nach Abklingen der Analgesie und reversible Drucknekrosen [2].

Die medizintechnische Entwicklung neuer Instrumentarien, zu denen die Dosierradspritze SoftJect (Abb. 1) und das elektronisch gesteuerte STA-System mit dem Zauberstab Wand (Abb. 2 und 3) gehören, ermöglicht es, intraligamentale Injektionen gezielt durchzuführen und definierte Mengen Anästhetikum trotz des anatomisch bedingten Gegendrucks (back-pressure) kontrolliert in das Desmodont des zu behandelnden Zahns diffundieren zu lassen.

Etwa 0,2 ml pro Wurzel zu applizieren, ist ein beachtliches Volumen; diese Anästhetikummenge in mindestens 20 Sekunden zu injizieren, erfordert Geduld und Beharrlichkeit. Die „Belohnung“ erfolgt unverzüglich: Der latenzfreie Anästhesieeintritt. Die erreichte tiefe Kurzzeitanalgesie eines einzelnen Zahns macht es möglich, die meisten zahnerhaltenden Maßnahmen und begrenzte chirurgische Therapien, darunter Einzelzahnextraktionen oder minimale parodontalchirurgische Eingriffe, ohne länger anhaltende Beeinträchtigungen des Patienten durchzuführen. Für länger dauernde größere chirurgische Eingriffe reicht die intraligamentäre Anästhesie allerdings nicht aus.

Die in der Literatur angesprochenen Effekte Elongationsgefühl, Missbehagen und Aufbissempfindlichkeit nach Abklingen der Analgesie sowie reversible Drucknekrosen sind nicht methodenimmanent. Aktuelle klinische Studien [3] zeigen, dass bei Verwendung adäquater Instrumentarien, der Applikation bewährter Anästhetika mit Adrenalin und der sicheren Beherrschung der intraligamentalen Injektion diese Effekte nicht auftreten.

Die intraligamentäre Anästhesie – lege artis angewandt – ist den konventionellen Methoden der Lokalanästhesie – mit Blick auf Anästhesieerfolg und -verträglichkeit –  bei fast allen zahnmedizinischen Indikationen und Patientengruppen mindestens vergleichbar [4]. Sie ist als sichere Methode der zahnärztlichen Lokalanästhesie einzustufen und führt auch bei zahnerhaltenden Therapien zu Ergebnissen, die denen der konventionellen Methoden der zahnärztlichen Lokalanästhesie, das heißt der Leitungs- und der Infiltrationsanästhesie, vergleichbar sind. Voraussetzung ist die Beherrschung der Methode durch den Behandler, die Anwendung adäquater Injektionssysteme, mit denen die anatomischen Gegebenheiten des Patienten sicher gespürt oder der interstitielle Gegendruck gemessen werden können, zum Beispiel den Dosierradspritzen vom Typ SoftJect oder dem STA-System, und die Verwendung bewährter Anästhetika vom Articain-Typ mit Vasokonstringenzien wie Septanest 1/200.000 (Septodont) oder Ultracain D-S (Sanofi-Aventis). Dies sind Garanten einer weitgehend erfolgreichen und den Patienten schonenden Schmerzausschaltung vor zahnärztlichen Behandlungen ohne ungewünschte Nebenwirkungen.

Nutzen für den Behandler

Den Nutzen der Methodenumstellung hat vor allem der Behandler: Die Zeit für die Aufklärung des Patienten über die Risiken (Beeinträchtigungen) der geplanten Lokalanästhesiemethode und die möglichen Alternativen kann bei der ILA minimiert werden. Da die intraligamentäre Anästhesie praktisch ohne Latenz eintritt, kann der Anästhesieeffekt unverzüglich überprüft werden. Die Versagerrate ist bei dieser Lokalanästhesiemethode signifikant niedriger als bei den konventionellen Methoden, entsprechend geringer ist der Aufwand für gegebenenfalls erforderliche Komplettierungen. Da kein Risiko eines Gefäß- oder Nervkontakts besteht, kann die ILA auch bei Patienten mit hämorrhagischer Diathese und Antikoagulantientherapie angewandt werden. Nicht unterschätzt werden sollte der Marketingeffekt: Da die Dispositionsfähigkeit des Patienten bei der ILA nach Abschluss der Behandlung nicht eingeschränkt ist, wird er darüber auch seiner Familie, seinen Freunden und Kollegen berichten.

Lothar Taubenheim, Erkrath

 

Literatur

[1] Kämmerer et al., Dent Impantol 2010: 14 (5) 306-313
[2] Einwag 1985, Giovannitti und Nique 1983, Kaufman et al. 1983, Malamed 1982, Marshall 2001, Plagmann 1987, Smith et al. 198)
[3] Zugal 2001, Dirnbacher 2002, Weber 2005, Prothmann 2008, Csides 2009, Langbein 2011
[4] Csides et al. 2011, Prothmann et al. 2016