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Wasserhygiene ist von vielen Faktoren abhängig

laboratory flasks

Auch Systeme, bei denen zertifiziert sterilisiertes Wasser, wie medizinische Kochsalzlösung, verwendet wird, müssen jährlich beprobt werden.

Beim Thema Wasserhygiene in Behandlungseinheiten verunsichern divergierende Angaben aus diversen Quellen. Bisweilen, so der Eindruck, werden werbewirksam abenteuerliche Aussagen zum einzig richtigen Produkt oder Verfahren getroffen. Gut beraten ist deshalb, wer vor etwaigen Anschaffungen mal in Ruhe seinen Taschenrechner konsultiert und die Gesamtkosten über eine Laufzeit X kalkuliert. Dann kann man durchaus zu dem Entschluss kommen, sich zunächst gründlich zu informieren, um dann die RKI-Empfehlungen zur Durchspülung für die Dauer von zum Beispiel zwei Monaten gewissenhaft durchzuführen. So kann ein unter Umständen vorhandenes Wasserhygieneproblem erkannt, reduziert und eingekreist werden. Eine Unterlassung führt früher oder später zu Ordnungsgeldern, Strafen oder wenigstens einer sehr ungünstigen Position bei etwaigen juristischen Auseinandersetzungen.

Unsicherheit über die Vorschrift zur jährlichen mikrobiologischen Untersuchung

In der Frage zur mikrobiologischen Prüfung von Dentaleinheiten ist die RKI-Empfehlung (KRINKO) eindeutig. Es besteht eine jährliche Untersuchungspflicht einer Entnahmestelle pro Behandlungseinheit. Die Möglichkeit einer Selbstprüfung durch eigenständige Probenahme kann zwar kritisch betrachtet werden, ist je nach Lesart der Empfehlung aber nicht ausgeschlossen.

Die Notwendigkeit der Beprobung ist unabhängig von der technischen Ausführung. Auch Systeme, bei denen zertifiziert sterilisiertes Wasser verwendet wird (zum Beispiel medinzinische Kochsalzlösung), müssen beprobt werden. Als eine Behandlungseinheit wird ein Gerät gesehen, welches über eine eigene Wasserversorgung oder einen separaten Wasseranschluss verfügt. Eine Behandlungszimmer kann daher mehrere Einheiten umfassen (Behandlungseinheit, Carts mit diversen Geräten, zum Beispiel Airpolishing, ZEG).

Die Empfehlung der KRINKO stellt kein Gesetz dar, vielmehr ist sie eine verbindliche Handlungsempfehlung. Das Nichteinhalten einer Empfehlung wird behördlicherseits als verkehrswidrig, aber nicht als Rechtsbruch angesehen. Insofern hat es keine strafrechtlichen Konsequenzen, wenn der Betreiber einer zahnmedizinischen Einrichtung etwa die Beprobung unterlässt.

Die Gesundheitsbehörde hat jedoch die Aufgabe, nach eigenem Ermessen die Einhaltung der Empfehlungen (KBE-Werte < 100/ml) zu prüfen und gegebenenfalls Sanktionen in Form fristbewehrter Auflagen und Stilllegungen zu erteilen. Im juristischen Streitfall liegt die Beweislast der dauerhaft verkehrsmäßigen Einhaltung der KRINKO-Empfehlung beim Betreiber der Praxis.

Kein Bestandsschutz bei nicht verkehrsfähigen Alt-Installationen

Ausnahmeregelungen, die in privaten häuslichen Installationen gelten können, sowie Regelungen des Bestandsschutzes können aufgrund der Rechtsgüterabwägung und der Bestimmungen des Infektionsschutzgesetzes bei gewerblichen und medizinisch genutzten Installationen nicht zur Anwendung kommen. Eine Pflicht zur Anpassung an neue Bestimmungen gibt es nur dann nicht, wenn von der Installation keine Gefährdung ausgeht.

Freie Fallstrecke in der Dentaleinheit deplaziert

Dentaleinheiten mit Verbindung zur Trinkwasserinstallation müssen am Beginn der Zuleitung abgesichert werden. Eine Sicherungseinrichtung mit freiem Auslauf (Typ AA, AB oder AD nach DIN EN 1717) ist hierzu notwendig. Die sogenannte „Freie Fallstrecke“ in Dentaleinheiten ist eine Absurdität, die in der Welt der Wasserhygiene ihresgleichen sucht. Ihre zweifelhafte Existenz verdankt sie der Novellierung der an die Trinkwasserverordnung angeknüpften technischen Standards aus dem Jahr 2003. Damit waren von einem auf den anderen Tag die allermeisten zahnmedizinischen Einrichtungen regelwidrig an das Trinkwasser angeschlossen. Bestandsschutz gab es keinen.

Zunächst wohl nur als Notbehelf mangels besserer Alternativen und als Mittel zur Absatzförderung per Innovationszwang eingeführt, ist die Freie Fallstrecke heute innerhalb der Dentaleinheiten als gefühlt obligat eingeführt. Und erstaunlicherweise von behördlicher Seite – die es eigentlich besser wissen sollte – hingenommen. Weder die zugrundeliegende Norm DIN EN 1717 noch die technische Richtlinie des VDI/GVGW erlauben die Integration in das hygienegefährdete endständige Gerät (hier die Dentaleinheit). Ein zur Raumluft offener Wassertank, in den ein Keimeintrag bei Zimmertemperatur begünstigt wird, wird auch in der Leitlinie 075-002 des AWMF kritisch beurteilt.

Grenzen der Leistungsfähigkeit von Wasserstoffperoxid

Die Dosierung von Desinfektionsmitteln (in der Regel Wasserstoffperoxid; zumeist lediglich 1,41 Gramm je Liter) innerhalb von Dentaleinheiten ist eine nur begrenzt wirksame Maßnahme. Insbesondere bei einer Verkeimung der Versorgungsleitungen und entsprechender Biofilmbildung innerhalb der Dentaleinheit ist sie ineffektiv. Die Annahme, jegliche Kontamination könne auf diese Weise auf dem letzten Meter des Wasserwegs zum Patienten beseitigt werden, könnte falscher nicht sein.

Falsche Versprechen und irreführende Werbung

Es gibt keine einfache, universelle Lösung, denn Wasserhygiene ist von vielen Faktoren abhängig. Nur das Zusammenspiel wirkungsvoll eingesetzter Technik mit der Sorgfalt des Anwenders bringt dauerhaften Erfolg. Weder kann ein einzelnes Gerät „RKI-Konformität“ bewirken noch ist das erwünschte Ergebnis durch den bloßen Einsatz teurer Chemikalien oder Filter garantiert.

Appell zu mehr Verantwortungsbewusstsein und Eigeninitiative

Die Verantwortlichkeit des Betreibers für die Verkehrsfähigkeit und Sicherheit der Einrichtung gegenüber Patienten, Mitarbeitern und sich selbst ist nicht delegierbar. Mitunter werden Geräte, gepaart mit Dienstleistungen, zur Wasserhygiene als „Rundum-sorglos-Paket” im Abonnement angeboten. Deren Akzeptanz könnte mit Unsicherheit und fehlender Aufklärung erklärt werden.

Ein unnötiger Umstand, denn mit der recht hoch angesiedelten S2k-Leitlinie der AWMF liegt eine vollständige und leicht verständliche Aufarbeitung der einschlägigen Regelungen vor. Dem Zahnarzt ist durch sie ein Mittel an die Hand gegeben, um mit Mitarbeitern, Vermietern, Lieferanten und dem ausführenden Gewerbe auf Augenhöhe handeln zu können. So wird eine gemeinsame Basis erreicht.