Stellenanzeigen gleichen in der Dentalbranche immer mehr einer Auktion. Wer mehr bietet, macht auf sich aufmerksam. Wer mehr bietet, bekommt den Zuschlag. Die ZFA geht an den Meistbietenden. Deutschland gilt als Konsumland und kurbelt durch die Bereitschaft seiner Bürger, Geld auszugeben, die Wirtschaft an. Das ist mal mehr, mal weniger sinnvoll. Mittlerweile wird ein stetig wachsendes, achtsameres Verhalten bei vielen Mitmenschen sichtbar. Nachhaltigkeit geht vor Konsum. Andererseits verschiebt sich bei so mancher Arbeitskraft der Konsumgedanke an den Arbeitsplatz.
Wer bietet mehr?
Mit großem Aufwand und immer absurderen Mitteln wird um die Gunst von Mitarbeitern geworben. Zugegeben, die beschriebene Situation ist etwas überspitzt, gar provokant und doch empfinden viele Praxisinhaber die Suche nach einem neuen Mitarbeiter als die Suche nach dem verlorenen Schatz.
Personalknappheit lässt Gehälter steigen
Geeignete Bewerber sind rar, die Gründe dafür mannigfaltig. Die Konsequenz, die wir aus der Wirtschaft kennen, knappe Güter = hohe Preise, hat sich längst auf die Rekrutierung von Personal übertragen. Einen gut ausgebildeten Mitarbeiter zu finden, wird als immer schwieriger empfunden. Um nicht ohne Mitarbeiter zu bleiben, trifft so mancher Praxisinhaber aus lauter Verzweiflung die Entscheidung, einen weniger qualifizierten Mitarbeiter einzustellen, in der Hoffnung, dass alles schon gut wird und erwacht nicht selten in einem Albtraum.
Lücken in der Ausbildung können teuer werden
Es gibt sie, die Mitarbeiter, bei denen man sich nach der Einstellung fragt, ob sie überhaupt den Beruf des ZFA erlernt haben, da umfangreiche Lücken im Fachwissen klaffen oder die manuellen Fertigkeiten stark eingeschränkt sind. Mitarbeiter, die sich auf den Fleiß der Kollegen ausruhen und vom Fachkräftemangel profitieren.
Dieser Umstand bedeutet für viele Praxisinhaber nicht nur eine Belastung, sondern fordert zusätzlich eine Investition. Eine Investition, die über Monate erforderlich sein kann, um einen Mitarbeiter dabei zu unterstützen,die Kompetenzen zu erlagen, die er eigentlich mitbringen müsste.
Ungeschliffene Diamanten oder Narrengold?
Sofern Praxisinhaber ein Potenzial in diesen Mitarbeitern erkennen und sich für die Beteiligung an der beruflichen sowie persönlichen Entwicklung der Mitarbeiter entscheiden sowie diese ihrerseits Entwicklungsbereitschaft, Willen und Fleiß mitbringen, passt es. Ein Investitionsverlust wird es erst, wenn Mitarbeiter Interesse und Fleiß nur vortäuschen. Wenn sie andere Ziele als die Praxisinhaber verfolgen oder nur auf der „Durchreise“ zur nächsten Praxis sind.
Mitarbeiter, die den Fachkräftemangel als Arbeitsmodell für sich entdeckt haben. Mitarbeiter, die keinerlei Verbundenheit entwickeln. Mitarbeiter, die sich nicht als Teil des Teams wahrnehmen. Mitarbeiter, die ausschließlich eigene Interessen verfolgen und die Notwendigkeiten des Marktes nutzen, um die Grenzen des Möglichen auszutesten. Mitarbeiter, die auf den ersten Blick manchmal sogar glänzen, doch leider mit ihrem Glanz auch blenden. Solche Mitarbeiter sind wie schwarze Löcher, die Zeit, Investitionen und Vertrauen verschlingen, ohne das die Praxis einen adäquaten Nutzen hätte.
Von solchen Mitarbeitern oder Bewerbern sollten Praxisinhaber Abstand nehmen und lieber Verzicht üben. Denn solche Mitarbeiter schädigen zusätzlich den Teamgeist und beeinflussen die Teamatmosphäre in einem nicht kalkulierbaren Ausmaß.
Keine Angst vor einem Nein
Doch was tun, wenn Mitarbeiter fehlen und die Auswahl an Bewerbern sich auf unterdurchschnittlich ausgebildete begrenzt oder gar auf Bewerber ohne Abschluss, aber mit hohen Forderungen? Was tun, wenn der Einsatzwille zur Kompetenzerweiterung nicht vorhanden ist, die Forderungen im Vergleich zum Output weit auseinanderklaffen oder der Arbeitseinsatz überschaubar ist? Keine Angst vor einem Nein. Keine Angst vor einer Absage. Denn Verzweiflung war noch nie ein guter Ratgeber und doch ist es leicht, in die Notwendigkeitsfalle zu tappen. Denn wie soll ein Zahnarzt ohne Behandlungsassistenz, Prophylaxeassistent, Rezeptionskraft oder Verwaltungsangestellten die Praxis führen?
Lösungen gibt es
Der Handel und die Industrie bietet bereits einige Lösungen, die Zahnarztpraxen darin unterstützen, auch mit wenigen Mitarbeitern im Arbeitsalltag zurechtzukommen. Ein absolutes Muss ist dabei die Digitalisierung. Ein Megatrend, an dem keine Praxis vorbeikommt, die langfristig wettbewerbsfähig und als Arbeitgeber auf dem Markt attraktiv bleiben möchte. Outsourcing und die Einbindung fachfremden Personals sind zusätzliche Optionen, die helfen können. Die Angebote und Möglichkeiten sind bekannt und doch zögern Praxisinhaber vorhandene Angebote anzunehmen.
Neues Mindset, neues Arbeiten
Glaubenssätze, dass eine Praxis nur personalintensiv geführt werden kann oder die liegen gebliebenen Aufgaben in Zukunft von dem Praxisinhaber persönlich übernommen werden, beeinträchtigen den Blick über das Behandlungstray hinaus.
Der Arbeitsmarkt verändert sich und mit ihm die Aufgaben und Möglichkeiten: Viele Aufgaben müssen nicht vor Ort erledigt werden, andere schon. Es geht darum, Klarheit zu erlangen, welche Aufgaben wo anfallen, welche Kompetenzen die Praxis als Ressource intern zur Verfügung stehen und welche extern erworben werden können.
Praxis neu denken wird ein Befreiungsschlag von den Mitarbeitern sein, die ihren Arbeitsplatz ausschließlich nach dem „wo bekomme ich mehr“ auswählen. Praxis neu denken ist die Vorbereitung auf mehr Solobehandlungen und Mitarbeiter, die sich als Multiplayer in den Praxen engagieren.
Diamant, Rubin, Smaragd und Perle
Die Branche hat viele sehr gute, leistungsstarke Arbeitskräfte, die bereit sind, die Zukunft der Praxis mitzugestalten. Mitarbeiter, die sich mit den Werten der Praxis identifizieren und an der Erreichung der Ziele mitwirken. Diese zu finden, zu binden und sie als Multiplayer zu qualifizieren, ist eines der wichtigsten Führungsziele. Der damit verbundene Wettbewerbsvorteil ist es wert, zu warten und einem nicht passenden Bewerber abzusagen. Praxis neu denken! Es wird Zeit, sich auf die Zukunft vorzubereiten.
Wenn Mitarbeiter fehlen, dann sollten:
- Arbeitsprozesse effizienter gestaltet werden
- Arbeitsprozesse digitalisiert werden
- Arbeitsbereiche ausgliedern (zeitweise oder dauerhaft) werden
- Doppelarbeiten vermieden werden
- Erwägungen außerhalb des Bekannten in Betracht gezogen werden
- Arbeitshilfen (Tray-Systeme) genutzt werden
- Praxiskooperationen gegründet (Mitarbeiter teilen) werden
- Multiplayer ausgebildet und gefördert werden.
- Teammitglieder in Lösungsprozesse eingebunden werden
- kurzfristige Entscheidungen vermieden werden
- Personalkonzepte entwickelt oder angepasst werden, die der Situation entsprechen
- offene Kommunikationswege dafür sorgen, dass Interpretationen nicht die Praxis-/Teamatmosphäre schädigen
- Solobehandlungen in Erwägung gezogen werden
Titelbild: mauro mora / unsplash