Sozialversicherungsrechtliche Fragen: Stellt man den im zweiten Teil der Serie beschriebenen Grundsätzen des BSG die Rechtsprechung des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg aus dem Jahr 2014 gegenüber, so geht es aber um erneut andere Kriterien. Nach der Auffassung des LSG Baden-Württemberg liegt eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung nach Paragraf 7 Absatz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) vor, wenn jemand in nicht selbstständiger Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis, für einen anderen tätig wird.
Kriterien für eine Arbeitnehmereigenschaft
Im zu entscheidenden Fall stellte das Landessozialgericht Baden-Württemberg fest, dass der Juniorpartner in die Betriebsorganisation des Seniors eingegliedert war, weil er seine Tätigkeit in der Gemeinschaftspraxis ausübte, die Praxiseinrichtung und Materialien nutzte und mit dem dortigen Personal und dem Kläger zusammenarbeitete. Hier wertet das Landessozialgericht offensichtlich anders als das Bundesarbeitsgericht (BAG) in der im ersten Teil dieser Serie zitierten Entscheidung und leitete insbesondere aus der Tätigkeit in der Praxis des Seniorpartners die Arbeitnehmereigenschaft her. Das Argument, dass der Juniorpartner keiner Weisung hinsichtlich seiner Tätigkeit unterlag, wird in der Entscheidung zur Seite gewischt mit dem Argument, dass selbst Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft, die ja die Arbeitgeberfunktion für die Gesellschaft wahrnehmen, ebenfalls regelmäßig abhängig beschäftigt seien.
Kein ernst zu nehmendes Unternehmerrisiko
Das Landessozialgericht ging davon aus, dass kein ins Gewicht fallendes Unternehmerrisiko bestand, weil weder eigenes Kapital noch die eigene Arbeitskraft mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wurden. Insbesondere besteht ein echtes Unternehmerrisiko nach Auffassung des Landessozialgerichts nicht schon dann, wenn man das Wagnis hat, kein Entgelt zu erzielen, sondern erst dann, wenn bei einem Arbeitsmangel nicht nur „kein Einkommen oder Entgelt aus der Arbeit erzielt wird, sondern zusätzlich auch Kosten für die betrieblichen Investitionen und/oder Arbeitnehmer anfallen oder früher getätigte Investitionen brach liegen“.
Nach dieser Auffassung ist also der Juniorpartner echter Arbeitnehmer, mit der Folge, dass der Seniorpartner Sozialversicherung für den Juniorpartner abführen muss.
Steuerrechtliche Fragen: Der Bundesfinanzhof (BFH) betrachtet die Stellung des Juniorpartners unter dem Aspekt der „Mitunternehmerschaft“. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist nicht jeder zivilrechtliche Gesellschafter einer Personengesellschaft auch Mitunternehmer. Mitunternehmerschaft liegt nur vor, wenn ein Gesellschafter aufgrund seiner gesellschaftsrechtlichen oder wirtschaftlich vergleichbaren Stellung Mitunternehmerinitiative ausüben kann und ein Mitunternehmerrisiko trägt. Das Mitunternehmerrisiko bedeutet die Teilnahme am Erfolg oder Misserfolg der Praxis.
Der BFH hält die allseitige Beteiligung am laufenden Gewinn für die Annahme einer Mitunternehmerschaft grundsätzlich für obligatorisch, wobei eine Beschränkung der Verlustbeteiligung auf die Höhe der Einlage denkbar ist, wenn diese Beschränkung der eines Kommanditisten entspricht. Allerdings gibt es keine starren Regeln, denn die Merkmale der Mitunternehmerinitiative und des Mitunternehmerrisikos können im Einzelfall mehr oder weniger stark ausgeprägt sein. Zum Beispiel kann ein gesellschaftsvertraglich gering festgelegtes Initiativrecht durch ein besonders stark ausgeprägtes Mitunternehmerrisiko ausgeglichen werden.
Zwar könne grundsätzlich nicht ohne Weiteres die Mitunternehmerstellung verneint werden, wenn ein Gesellschafter weder am Gewinn noch am Verlust noch am Vermögen beteiligt sei, in einem solchen Fall muss dann aber eine besonders starke Ausprägung des Initiativrechts festgestellt werden.
Im zu entscheidenden Fall war der Juniorpartner nicht am Gewinn beteiligt, sondern verfügte nur über eine umsatzabhängige Vergütung. Zudem wurde nicht festgestellt, dass der Juniorpartner ein besonders stark ausgeprägtes Initiativrecht hatte. Vielmehr war dies, ebenfalls weitgehend, wie im Bereich der Geschäftsführung, ausgeschlossen. Zudem sollte der Juniorgesellschafter auch nicht am immateriellen Wert der Praxis beteiligt werden. Dabei ließ der BFH das Argument, die Regelung zum Ausschluss der Beteiligung am immateriellen Wert sei zivilrechtlich angreifbar gewesen, nicht zu, da sich die Parteien im Streitfall an die möglicherweise unwirksame Regelung gehalten haben (Paragraf 41 Abgabenordnung – AO).
Die Auswirkung der Entscheidung des BFH auf solche Konstruktionen von Senior- und Juniorgesellschaftern ist, dass die Einkünfte des Juniorgesellschafters nicht im Rahmen der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) in der „gesonderten und einheitlichen Feststellung des Gewinns“ für die GbR aufgenommen werden. Der Juniorgesellschafter muss in einem solchen Fall seine Einkünfte in seiner eigenen Steuererklärung erklären.
Gewerbliche Tätigkeit: Problematisch für den oder die Seniorpartner ist insoweit, dass der BFH in seiner weiteren Entscheidung festgestellt hat, dass die Seniorgesellschafter gewerblich tätig sind, weil der Juniorpartner im vorliegenden Fall nicht von dem Seniorpartner „überwacht“ wurde. Die Überwachung durch den Senior ist in solchen Konstruktionen regelmäßig nicht gewollt, weil auch der Juniorpartner seine Patienten eigenverantwortlich behandeln soll. Wer aber als Freiberufler bei seiner Behandlung nicht zumindest leitend tätig wird, verliert insgesamt den Status der Freiberuflichkeit und erzielt Einkünfte aus Gewerbebetrieb.
Folge ist nicht nur, dass die Gewerbesteuer gezahlt werden muss, sondern dass bei einer gewerblichen Tätigkeit keine Einnahmenüberschussrechnung zur Gewinnermittlung verwendet werden darf, sondern dass auf eine Bilanz umzustellen ist.
Dies bedeutet, dass in das Rechnungswesen zum Beispiel auch die Forderungen gegen KZV und Privatpatienten aufzunehmen sind. Im Hinblick darauf, dass nach Ablauf eines Geschäftsjahres die zuständige KZV noch Zahlungen für zwei Quartale vornimmt, kann es hier gerade bei größeren Gesellschaften zu ganz erheblichen Beträgen führen, die dann mit Leistungserbringung und nicht erst mit Geldeingang bei den Einnahmen berücksichtigt werden.
Dies führt einmalig im Fall der Umstellung von der Einnahmeüberschussrechnung auf Bilanz im Regelfall zu einem deutlichen Übergangsgewinn, der dann völlig ungeplant von dem oder den Seniorpartnern versteuert werden muss.
Welche Konsequenzen aus den in diesem und den beiden vorangegangenen Beiträgen geschilderten Urteilen zu ziehen sind, erläutert dann der vierte und abschließende Beitrag dieser Serie.