Mehr Zeit für Patienten und deutlich geringerer Aufwand für administrative Aufgaben: das verspricht der Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) in der Zahnarztpraxis. Bei Hēa – die Vernetzte Praxissteuerung, dem neuen Angebot der Health AG, kommt sie bereits zum Einsatz. Was steckt hinter dem Versprechen der KI und was kann sie in der Zahnarztpraxis wirklich leisten? Ein Interview mit Dr. Jobst Landgrebe, Arzt, Mathematiker und geschäftsführender Gesellschafter der Firma Cognotekt – eine Autorität im Bereich KI.
Sie sind die besseren Schach- und Go-Spieler, steuern Werkzeugmaschinen und bald auch Autos. Intelligente Maschinen befinden sich auf dem Vormarsch. Übernehmen sie etwa bald auch die Herrschaft über unsere Arbeitsplätze oder unser ganzes Leben? Oder ist das bloß eine Hollywood-Horrorfantasie?
Es sind, wie so oft, Übertreibungen, die ihren Niederschlag in Tageszeitungen, auf Webseiten oder bis in Alltagsdiskussionen finden. Tatsache ist, dass es derzeit einen Hype gibt, der sich oft um den Begriff künstliche Intelligenz, kurz: KI, dreht. Meist taucht KI im Zusammenhang mit weiteren Schlagworten wie Digitalisierung, Automatisierung und Wirtschaft 4.0 auf und setzt dann vielfach Ängste frei.
KI ist keine Modeerscheinung
Experten freilich wundert der Hype. Denn tatsächlich ist KI keineswegs eine Modeerscheinung. Ihre Anfänge als anerkannte Wissenschaftsdisziplin reichen bis in die 1940er Jahre zurück, die mathematischen Wurzeln sogar bis ins 18. Jahrhundert.
Inzwischen eröffnet KI viele neue Anwendungsmöglichkeiten und damit große Chancen für ihre Nutzer. Denn es handelt sich um „eine Technologie, mit der man einfache repetitive Aspekte menschlichen Denkens in Mathematik ausdrücken kann“, wie Jobst Landgrebe, geschäftsführender Gesellschafter von Cognotekt, erklärt.
Das Unternehmen entwickelt als Partner der Health AG KI-Anwendungen für die Zahnarztpraxis. Landgrebe nennt sie Automaten. Sie kommen zum Beispiel bei der Prüfung von Abrechnungen auf GOZ-Konformität oder der sprachgesteuerten Behandlungsdokumentation zum Einsatz.
Herr Landgrebe, womit beschäftigt sich die Firma Cognotekt?
Dr. Jobst Landgrebe: Unsere Aufgabe ist es, fachliche Prozesse in höhere Mathematik zu übersetzen. Damit automatisieren wir repetitive Tätigkeiten und erkennen Muster, die Menschen mit bloßem Auge nicht sehen können. So entwickeln wir Programme, oder wie Fachleute sagen, Automaten, die wiederkehrende menschliche Tätigkeiten übernehmen, aber genauer und schneller erledigen können.
Inwiefern kommt KI bei Hēa – die Vernetzte Praxissteuerung zum Einsatz?
Landgrebe: Dies ist beispielsweise bei der Prüfung von Abrechnungen der Fall. Mit Hilfe künstlicher Intelligenz haben wir innerhalb der Vernetzten Praxissteuerung einen automatischen Rechnungs-Check entwickelt, der die Rechnungsprüfung künftig für die Praxismitarbeiter übernimmt. Wir haben die Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) sowie die freigegebenen GOÄ-Bereiche untersucht und auf Basis der Leistungskategorien und Faktorbegründungen 9.000 Regeln definiert.
So gibt es viele Situationen, in denen eine GOZ- Ziffer die andere ausschließt. Der Automat prüft nun in Sekundenschnelle auf diese Regeln und ermittelt, ob die Abrechnung GOZ-konform ist. Das wäre für einen Menschen allein nicht darstellbar, insbesondere bei einer wachsenden Zahl von Belegen und nach einem anstrengenden Arbeitstag. So werden Flüchtigkeitsfehler verhindert und Rechnungen korrekt erstellt. Kostenträger analysieren und beanstanden Rechnungen heute größtenteils bereits automatisiert. Durch den Einsatz künstlicher Intelligenz innerhalb der Vernetzten Praxissteuerung bringen wir die Zahnärzte zurück auf Augenhöhe.
Muss man vor künstlicher Intelligenz Angst haben?
Landgrebe: Ganz und gar nicht. Im Gegenteil. Sowohl Zahnarzt als auch Praxismitarbeiter profitieren enorm von solchen Automaten, da ihnen so unangenehme Verwaltungstätigkeiten erspart bleiben. Der Mensch wird nicht ersetzt, er wird von der KI in seiner Arbeit unterstützt. Von menschenähnlicher KI sind wir noch sehr, sehr weit entfernt – wenn dies überhaupt irgendwann möglich ist.
Wie werden Zahnärzte oder auch andere Ärzte in zehn Jahren von KI profitieren?
Landgrebe: Schon bald wird die Steuerung per Spracheingabe mit Hēa Realität. Spätestens in fünf Jahren werden alle Ärzte in modern arbeitenden Praxen ihre Tätigkeit beschreiben und die Abrechnung ist überall automatisiert. Der Arzt wird sich dann auf seine vornehmste Aufgabe konzentrieren können: die Betreuung und Behandlung des Patienten. Aus meiner Sicht ist die eigentliche Kunst der ärztlichen Tätigkeit, den Menschen zu managen, als eine Art Seelsorger. Denn wenn Sie zu einem Arzt gehen und zufrieden sind, dann hat er sie technisch gesehen gut behandelt – und menschlich auch.