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Kliniken hier, Praxen da

Der Kommentar von Chefredakteur Marc Oliver Pick

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbachscheint eine ganz besondere Brille zu tragen, wenn er einen Blick auf die aktuelle Nachrichtenlage – Inflationsdruck, explodierende Energiekosten, GKV-Finanzstabilisierungsgesetz etc. – und danach auf seinen Zuständigkeitsbereich wirft.

Versorgung geht nur gemeinsam

Irgendwie schafft er es immer wieder, bestimmte Bereiche des Gesundheitssektors einfach auszublenden. Aus der Fotografie kennen wir Polarisationsfilter, die beim Fotografieren zum Beispiel Reflektionen auf Glas zum Verschwinden bringen. Lauterbachs Brille aber scheint über einen neuen, andersartigen Filter zu verfügen. Dieser blendet mit schöner Regelmäßigkeit und bislang absolut zuverlässig den ambulanten Sektor aus. Die Krankenhäuser samt ihrer sich abzeichnenden Schwierigkeiten dagegen bleiben jederzeit fest in seinem Fokus.

Mit zweierlei Maß zu messen, leuchtet bei näherer Betrachtung kaum bis gar nicht ein. Denn wo genau sollen denn eigentlich die Unterschiede zwischen Kliniken und Pflegeeinrichtungen auf der einen und Arzt- und Zahnarztpraxen auf der anderen Seite sein? Nun, die Kliniken leiden unter Fachkräftemangel – Ärzte und Zahnärzte aber auch. Auf die Kliniken kommen wegen massiv steigender Energiekosten erhebliche Probleme zu – auf die Ärzte und Zahnärzte in ihren Praxen aber auch. Die Krankenhäuser leiden unter dem steigenden Inflationsdruck, sehen sich infolgedessen in ihrer Wirtschaftlichkeit bedroht – Ärzte und Zahnärzte aber ebenso.

Wo also liegt der Unterschied?

Er wird offenbar lediglich in der Größenordnung gesehen – große Klinik hier, (vergleichsweise) kleine Praxis da. In den Praxen ist es außerdem, darauf weist insbesondere die Bundeszahnärztekammer hin, nicht der reguläre Energiebedarf für den Betrieb allein, der schon jetzt zu erheblich gestiegenen Kosten führt, es kommen zusätzlich Ausgaben aufgrund besonderer Hygienmaßnahmen hinzu. Schließlich wird in den Praxen – coronabedingt – intensiver und häufiger als zu Nicht-Coronazeiten gelüftet, was wiederum zu Heizkosten über den üblichen Bedarf hinaus führen wird.

Auf die jeweilige Größe der Gesundheitseinrichtungen – Krankenhäuser und Praxen – skaliert müsste also ein abgestimmtes Maßnahmenpaket geschnürt werden. Das bereits vorhandene Energiekostendämpfungsprogramm, mit dem das Bundeswirtschaftsministerium die Industrie – und möglicherweise auch kleinere und mittlere Unternehmen – unterstützen möchte, könnte einen Ausweg weisen, wenn auch Arzt- und Zahnarztpraxen in den Kreis der unterstützungswerten Unternehmen aufgenommen würden, so die pragmatischen Vorschläge von Bundeszahnärztekammer und Kassenärztlicher Bundesvereinigung.

Den oben angesprochenen Herausforderungen, Fachkräftemangel einerseits, inflationsbedingt wachsenden Ausgaben für Personal andererseits, steigenden Preisen für Verbrauchsmaterialien und einer Energiekostensteigerung auf der einen Seite stehen einsparbedingte Budgetkürzungen auf der anderen Seite gegenüber. Eine gesunde, gut aufgestellte Praxis wird einen dieser Faktoren verkraften können. Alle genannten Faktoren gleichzeitig aber können durchaus auch den Fortbestand einer soliden Praxis gefährden.

Es liegt damit jetzt an der Politik, mit Weitsicht und Augenmaß dafür zu sorgen, dass der ambulante Sektor, die Arzt- und Zahnarztpraxen, auch in Zukunft ihrem Versorgungsauftrag nachkommen können. Es ist wenig hilfreich, nur auf einen Bereich zu fokussieren, denn letztlich müssen stationärer und ambulanter Bereich gleichermaßen arbeitsfähig erhalten werden. Nur gemeinsam können Praxen und Kliniken ihrer Aufgabe gerecht werden.

Es geht nicht um „entweder oder“, sondern um „sowohl als auch“!