Ein erhöhter Körperfettanteil ist die Ursache für die Entstehung mancher Krebsarten. Das haben Wissenschaftler der International Agency for Research on Cancer (IARC) unter Beteiligung der Universität Regensburg nun in einer Studie belegt.
Steigende Zahl Übergewichtiger
Laut aktuellen Zahlen des Robert-Koch-Instituts (RKI) sind fast zwei Drittel der Männer und über die Hälfte der Frauen in Deutschland übergewichtig. Ein Viertel der erwachsenen Männer und Frauen sind sogar stark übergewichtig. In diesen Fällen spricht man von adipös. Weltweit steigen die Zahlen übergewichtiger und adipöser Personen. Schon heute sind mehr Menschen über- als untergewichtig.
Begleiterkrankungen wie Diabetes oder Bluthochdruck sind oft die Folgen. Aber Fettleibigkeit stellt auch einen Risikofaktor für viele Krebserkrankungen dar. Professor Dr. Dr. Michael Leitzmann, Direktor des Instituts für Epidemiologie und Präventivmedizin am Universitätsklinikum Regensburg (UKR), war Teil einer Arbeitsgruppe, die im April 2016 von der IARC einberufen wurde. Die Gruppe hat untersucht, welche Rolle Übergewicht bei der Entwicklung von Krebserkrankungen spielt. Die ersten Ergebnisse wurden nun bekannt gegeben.
Erhöhter BMI als Ursache
Bereits 2002 hatte sich eine Arbeitsgruppe des IARC des Themas angenommen. Mit dem Body-Mass-Index (BMI) als Faktor zur Festlegung des Körperfettanteils kamen sie zu dem Schluss, dass ein erhöhter BMI das Risiko für Dickdarmkrebs, Speiseröhrenkrebs, Nierenkrebs, Brustkrebs und Gebärmutterkörperkrebs steigert. Die neue Arbeitsgruppe hat nun die Ergebnisse in einer Metastudie überprüft, wofür mehr als 1.000 epidemiologische Studien und Publikationen verglichen und analysiert wurden, und konnte sie bestätigen.
Erhöhter Körperfettanteil als Risikofaktor
Darüber hinaus haben die Wissenschaftler noch acht weitere Krebsarten identifiziert, für die ein gesteigertes Risiko bei einem erhöhten Körperfettanteil besteht. Dazu zählen Magenkrebs, Leberkrebs, Gallenblasenkrebs, Bauchspeicheldrüsenkrebs, Eierstockkrebs, Schilddrüsenkrebs sowie Tumore der Hinhaut und B-Zell-Lymphome, eine spezielle Krebsform des Lymphsystems.
"Aus unseren Ergebnissen lässt sich das Einhalten des Normalgewichts oder eines normalen Körperfettanteils als eine wichtige Maßnahme zur Krebsprävention begreifen. Zwar konnten wir keinen Zusammenhang für alle Krebsarten feststellen, aber bereits für dreizehn gibt es nun gesicherte Belege“, sagt Leitzmann. Neben dem Kernpunkt der Studie, dass ein erhöhter Körperfettanteil mit der Entstehung mancher Krebsarten in Verbindung steht, haben die Wissenschaftler anhand der zur Verfügung stehenden Daten noch weitere Zusammenhänge entdeckt.
Keine geschlechtsspezifischen Unterschiede
So haben die Untersuchungen gezeigt, dass es keine signifikanten geschlechtsspezifischen Unterschiede bezüglich des Krebsrisikos in Zusammenhang mit Übergewicht bei Männern und Frauen gibt. Eine weitere Fragestellung während der Analyse war, ob Erwachsene, die bereits als Kind oder Jugendliche einen hohen BMI aufwiesen, ein höheres Risiko haben, im Erwachsenenalter an Krebs zu erkranken.
Diese Hypothese konnte anhand der zur Verfügung stehenden Daten für die dreizehn Krebsarten bestätigt werden, für die bereits eine Verbindung mit Übergewicht nachgewiesen werden konnte.
Senkung des Brustkrebsrisikos
Darüber hinaus untersuchte die Arbeitsgruppe, ob es neben der Erstdiagnose auch einen Zusammenhang zwischen Körperfettanteil und Rezidivrate (Widerauftreten einer Krankheit) gibt. So konnte ein Versuchsmodell identifiziert werden, in dem durch einen Gewichtsverlust in Folge einer fettarmen Diät die Rezidivrate bei Brustkrebs gesenkt werden konnte. Darüber hinaus wurde die Überlebensprognose nach einer Krebserkrankung in Zusammenhang mit einem erhöhten BMI untersucht.
Die Arbeitsgruppe konnte eine große Anzahl an Hinweisen ausmachen, die auf einen Zusammenhang zwischen erhöhtem BMI zur Zeit der Krebsdiagnose und verringerter Überlebensrate von Patienten mit Brustkrebs hindeuten. Für andere Krebsarten ließen sich keine ausreichenden Hinweise hierauf feststellen.
Nachdem ausreichend Bestätigungen dafür vorlagen, das Übergewicht in Zusammenhang mit der Entwicklung mancher Krebsarten steht, ging die Arbeitsgruppe auch den Wirkmechanismen nach. Die Wissenschaftler identifizierten hierfür, welche zellulären und molekularen Mechanismen, die sich bei der Entstehung einer Krebserkrankung verändern, ursächlich mit Übergewicht und Adipositas in Verbindung stehen könnten.
Fettleibigkeit ist mit erheblichen hormonell und stoffwechselbedingten Auffälligkeiten verbunden. Einige davon – wie der Stoffwechselprozess bei Geschlechtshormonen oder auch Entzündungserscheinungen – scheinen eine große Rolle im Zusammenspiel zwischen Fettleibigkeit und Krebs zu spielen. Eher geringen Einfluss hingegen haben Insulin und Insulinproduktion.
"Unsere Ergebnisse besitzen angesichts der aktuellen gesellschaftlichen Entwicklung, in der die Anzahl der übergewichtigen Menschen weltweit steigt, hohe Relevanz. Wir konnten zeigen, dass Fettleibigkeit gesundheitliche Risiken bis hin zu einer Krebserkrankung birgt. Eine wichtige Erkenntnis nicht nur für jeden individuell, sondern auch in Bezug auf das Gesundheitssystem insgesamt", so Leitzmann.
Die ausführlichen Ergebnisse der Arbeitsgruppe werden aktuell in einem Handbuch zusammengetragen, das gegen Ende 2016 erscheinen soll.