Anzeige

Marktszene der Dentallabore hat sich unwiderruflich geändert

Dentallabore in Deutschland: Die Digitalisierung nimmt gerade erst Fahrt auf.

Dentallabore in Deutschland: Die Digitalisierung nimmt gerade erst Fahrt auf.

Legt man, wie der Verband Deutscher Zahntechniker-Innungen (VDZI), die Zahlen der zuständigen Berufsgenossenschaft zugrunde, so stieg die Zahl der gewerblichen Labore bis 2011 kontinuierlich an auf etwa 8.600 Betriebe – also seit 2005 um fast 700. Das war im Prinzip eine Verschärfung des Wettbewerbs um Kunden wegen der gleichzeitig abnehmenden Zahl der Praxen. Sie war aber unmerklich, weil sich das Volumen des Prothetikgeschäfts insgesamt wieder sehr positiv aus der Talsohle heraus entwickelte.

Die steigende Zahl Labore nach 2005 ging zum Teil auf das Konto von Zahntechnikern, die beim Geschäftsrückgang nach der Einführung des Festkostenzuschusses und im Rahmen der fortschreitenden Digitalisierung von größeren Laboren freigesetzt wurden. Sie stürzten sich mit ihren Lieblingskunden in die kleine Selbstständigkeit. Erst 2011 drehte dieser Trend wieder. Die Betriebszahlen sind leicht rückläufig. „No big deal“, kommentiert ein Insider. Wahrscheinlich haben Geschäftsaufgaben wegen Alter oder Rückkehr ins Angestelltendasein in gewerbliche oder die zunehmende Zahl der Praxislabore da geknabbert. Kein Wunder, bei immer knapper und älter werdenden Fachkräften.

Die 10 Prozent der größeren Labore mit mehr als 1 Million Euro Jahresumsatz erarbeitet zirka 50 Prozent des Branchenumsatzes. Die 50 Prozent Kleinlabore mit weniger als 250.000 Euro Jahresumsatz nicht einmal mehr 10 Prozent. Fazit: Der „Verlust der Mitte“, der bis Mitte der Nuller-Jahre noch das Bild prägte, ist Geschichte. 10/50 heißt die aktuelle Marktstruktur. Die größeren Labore sind bisher die Gewinner der Entwicklung, wenn sie sich auf die Intensivierung ihres Kerngeschäfts konzentriert haben. Ihre Zahl nahm um etwa ein Drittel zu. Man kann gespannt sein, wie sich die Situation entwickelt, wenn die Zahl größerer Praxislabore weiter zunimmt.

Outsourcing von Fertigungsschritten hat den Markt verändert

Outsourcing von Teilen der Fertigung war für viele Kleine notwendig, um ohne eigene Investitionen in neue Technologien im Wettbewerb mitzuhalten. Für Große war es eine Möglichkeit, ihr Geschäft effizienter zu gestalten. Für beide ging es darum, bei fortschreitender Digitalisierung preis- und leistungsfähig zu bleiben. Der Verzicht auf Wertschöpfungsmöglichkeiten war bei zunehmendem Marktvolumen kein Problem. Die Folgen von Preisverfall bei Zirkongerüsten und CAD/CAM-Überkapazitäten wurden so zum Teil in die Fertigungszentren „outgesourct“, die sich um diesen Markt balgten. Fertigungszentren von Laboren und Innungen waren dabei bezüglich Volumen und Marktanteil deutlich weniger erfolgreich als die Spezialisten und Hersteller. Auch die kleinen Labore gingen lieber zu Industrie-Fertigungszentren als zur Laborkonkurrenz oder den eigenen Verbundgruppen.

Im Wandel nahm die Bedeutung der Standesvertretungen ab

Die Innungen haben sich in Rat und Tat mit der Wertschöpfung in der digitalen Entwicklung immer wieder befasst. Trotz einiger vorderhand erfolgreicher Kampagnen an anderen Brennpunkten (Korruption, Selektivverträge) haben sie aber kontinuierlich an Gewicht bei der Mitgestaltung des technologischen Wandels verloren. Aktuell sind nur noch gut ein Drittel der gewerblichen Labore Mitglieder in VDZI-Innungen. Der Status als „Volkspartei“ ist gefährdet, denn die absoluten Mitgliederzahlen verringerten sich fast im Jahresrhythmus um 5 bis 10 Prozent, trotz steigender Anzahl der Betriebe.

Viele Handwerkerinnungen klagen über rückläufige Mitgliederzahlen – in der Regel, weil die Anzahl der Betriebe deutlich zurückgeht. Aber Rücklauf bei zunehmender Zahl von Betrieben wie in der Zahntechnik? Über die Gründe kann man spekulieren. In Gesprächen wurden genannt:
• Zu guter Geschäftsverlauf nach dem 2005er Crash – es bestand kein Anlass zu angstgetriebener Rudelbildung wie anno dazumal, als das Flemming-Konzept oder die anstehende Festkostenregelung Ängste schürten. Lang ist's her.
• sichtbare Überalterung der nationalen Führung, die unternehmerisch und zahntechnisch aus einer ganz anderen Zeit kommt als junge Start-up-Unternehmer und wenig Identifikationsfläche bietet.
• Zersplitterung der Standesorganisation in VDZI-Innungen, freie Innungen und Freien Verband, die an unterschiedlichen Stricken ziehen und sich das gegenseitig vorwerfen. Aus der Außensicht entsteht der Eindruck, dass manchmal personenbezogene Animositäten der Spitzenfunktionäre wichtiger sind als Bündelung der Schlagkraft. Stichwort Einzelmitgliedschaft. Differenzen in Sachthemen bis hin zum „Raus aus dem SGB V“ des Freien Verbands kann man auf Basis der Entwicklung der Marktszene auch gemeinsam und nüchtern auf ihren aktuellen Nutzen abklopfen. Von dem politischen Einfluss für den Berufsstand, der von allen Gruppierungen für sich reklamiert wird, bleibt so am Ende des Tages oft nur das Lamento, dass man davon zu wenig hat. Ein Beispiel dafür war nach vollendeten Tatsachen die Klage über die Mindestlohnregelung, als das Kind schon im Brunnen lag.
• Bedeutungsverlust der BEL-Konzeption in einer Zeit des durch die Digitalisierung befeuerten Preisringens jeder gegen jeden und gegen zunehmende Anteile von Praxislaboren, Auslandszahnersatz und Fertigungszentren. Erfolgslabore und die Kleinen, die um ihren Anteil kämpfen, arbeiten eher nach der Banker-Regel „Rules are for fools“ und bauen ihre eigenen Konzepte.
• Auch wenn der Jahresbeitrag der meisten Innungen mittlerweile durch deren konkret nutzbare Dienstleistungen mehr als kompensiert werden kann: Für diese Leistungen gibt es mittlerweile auch andere Anbieter, und für Neugründer kommt der Beitrag ja erst mal zusätzlich zu allen Kammerbeiträgen und Gebühren – und dort ist die Mitgliedschaft Zwang. In dem gesamten Kontext hat die Innung dann wenig Anziehungskraft. Neue Laborunternehmer beschränken sich auf das Muss. Gestandene haben meist eine gewachsene Meinung zum Thema und sind kaum zu bewegen.
• Eine Rolle mag auch die generell eher aversive Haltung der jüngeren Generationen gegenüber Vereinigungen jeder Art spielen, die ja auch die zahnärztlichen Verbände spüren. Andere freiwillige Laborgruppierungen wie die Dentagen haben allerdings ihre Mitgliederzahlen in der gleichen Zeit durchaus positiv entwickelt, mit vergleichbaren Dienstleistungen. Und die Digital Natives der institutionen-aversiven Generation Y der nach 1985 Geborenen, die bei den Zahnärzten schon präsent ist, kommen im Labor ja erst jetzt langsam zum Zug.

Ohne Strategie- und Generationswechsel sieht es trotz nationaler Kampagnen und intensiver regionaler Aktivitäten für das Konzept der Innungen als Standesvertretung jedenfalls nicht so toll aus. Leider. Angebliche Konzepte für den zweiten Gesundheitsmarkt, Assessments zur Berufseignung und Management-Lehrgänge für Kleinlabore machen aus der neutralen Außensicht nicht den Eindruck, dass da Prägendes passiert. Dabei gibt es schon noch dicke Bretter zu bohren, wenn Laborinhaber in Diskussionsrunden, sobald es nicht mehr um die geliebte Technik geht, genervt ausrufen: „Schon wieder Kundenbindung und -findung – ich kann es nicht mehr hören.“ Das sind aber „leider“ in den nächsten Jahren Schlüsselthemen und keine Nebenkriegsschauplätze, und die erfolgreichen, aber oft innungsresistenten Großlabore beherrschen das ebenso wie die national marschierenden Ausländer. Bei vergleichbaren Leistungen gewinnen die besseren Verkäufer. Das ist kein Paradigmenwechsel. Das war schon immer so in der Zahntechnik, nur vielleicht weniger sichtbar.

Auslandszahnersatz, Fertigungszentren und neue Technologien schieben den Wandel

Eine der Stoßrichtungen der gewerblichen Labore und ihrer Standesvertreter war deshalb immer wieder der national akquirierende Auslandszahnersatz. Nach den vorliegenden Studien kommt der bereits bei einem großen Teil der Praxen zum Einsatz, und derzeit wird wieder dessen Marktanteil diskutiert. Dabei gehen die genannten Zahlen weit auseinander. Zwischen der Addition von bekannten und geschätzten Umsätzen der national akquirierenden Top-10-Anbieter in Höhe von etwa 5 Prozent und bis mehr als 25 Prozent, die an anderen Stellen genannt werden (unter anderem vom VDZI), liegen Welten. Die eine oder andere Zahl ist sicher auch politisch motiviert. Eines ist sicher abzuleiten: Ein Gutteil des Zahnersatzimports wird von gewerblichen Laboren auch selbst getätigt und nicht nur über die großen, gerne gescholtenen Auslandszahnersatzhändler. Da beißt sich dann, trotz erkennbarer Kauft-deutsch-Bremswirkung bei den Zahnärzten, die Innungs-PR ins eigene Bein mit selbstgestrickten Qualitätssiegeln und Zertifikaten. Die gescholtenen Ausländer arbeiten zudem mittlerweile fast alle auch mit deutschen eigenen oder Partnerlaboren.

Selbst gebissen haben sich auch viele der etwa 200 Fertigungszentren jeder Couleur, denen es nicht gelungen ist, bei sinkenden Material- und Marktpreisen ihre Geschäftsmechanik dauerhaft profitabel zu gestalten, obwohl man einen großen Teil der Fertigung an sich ziehen konnte. Der Preisverfall bei Gerüstkeramiken und die massiven Überkapazitäten haben viele Ballons platzen lassen. Der vermeintlich Größte auf Herstellerseite, sowie Große und Kleine auf Laborseite, haben schon die Segel gestrichen. Andere versuchen noch, diese möglichst schmerzfrei zu reffen. Je höher die Profiterwartung an das eigene Geschäft, desto lieber raus. Da kann man eine weitere Bereinigung zugunsten der Leistungsstärksten erwarten. Überkapazität und Preisdruck bleiben, und schon naht der nächste Technologieschub mit aufbauenden und Druckverfahren in industrieller und gewerblicher Dimension.

Diese Entwicklung sollte auch bei Investitionsüberlegungen im gewerblichen und im Praxislabor einbezogen werden. Sie wird sich, wie bereits die Frästechnologie, auf die Preise der Prothetik am Markt auswirken. Vielleicht dann doch lieber Outsourcing von Chance und Risiko bei Teilen der Prothetikfertigung, als alles selber basteln?

Fazit
Die Labore haben sich durch Nutzung von Outsourcing und trotz des Drucks der Auslandszahnersatzanbieter und Praxislabore bisher als stabiles Segment im Markt erfolgreich behauptet. Preiskämpfe wurden durch die Fertigungszentren und das Wachstum des gesamten Geschäfts zum Teil mehr als kompensiert. Ab der IDS wird es spannend zu sehen, wie sich Geschäftsmechanik und Strukturen weiter entwickeln. Mit dem Preisverfall bei Gerüstkeramiken, der Vollkeramik und monolithischen Versorgungen und der Digitalisierung, hier speziell dem intraoralen Scanner, wird es weitergehen. Den Zugang dazu brauchen alle, denn die Digitalisierung hat erst angefangen.