Vor der anstehenden Landtagswahl in Hessen im Oktober 2023 hat das Bündnis Heilen & Helfen die Fraktionen im Landtag dazu eingeladen, zu zentralen Themen der Heilberufe Stellung zu nehmen. Dabei stand die Sicherstellung der medizinischen Versorgung im Mittelpunkt. Ein dringendes Thema mit vielen Herausforderungen – denn jede und jeder ist irgendwo Patientin beziehungsweise Patient. Politiker aller im Landtag vertretenen Parteien standen den Repräsentanten der Heilberufskörperschaften Rede und Antwort und zeigten sich offen für deren Anliegen.
Heilkörperschaften setzen ihre Themen
Journalist und Publizist Dr. Winfried Kösters moderierte die Diskussionsrunde. Jede der Heilkörperschaften schilderte wichtige Themen, die jedoch alle auf die Herausforderungen der aktuellen und zukünftigen Versorgung der Patienten abzielten. Für die Landeszahnärztekammer griff Präsidentin Dr. Doris Seiz diese Problematik auf und stellte infrage, ob seitens der Politik als ein möglicher Lösungsweg eine Erweiterung der Landarztquote auch auf das Zahnmedizinstudium vorgesehen sei. Während CDU, SPD und Grüne dieser Möglichkeit grundsätzlich zustimmend gegenüberstehen und die AfD nichts ausschließen will, stößt die Quote bei FDP und Die Linke auf Ablehnung.
Die Präsidentin der Landesapothekerkammer Hessen, Ursula Funke, problematisierte die Honorierung der Apotheken. Diese sei von der allgemeinen Preisentwicklung und der hohen Inflation seit 2004 gänzlich abgekoppelt, was viele Apotheken wirtschaftlich extrem stark belaste. Dies sei auch einer der Hauptgründe für den dramatischen Rückgang der Apothekenzahlen gerade auch im ländlichen Raum. Es stelle sich daher die Frage, was die Politik tue, damit nicht noch mehr Apotheken schließen müssten.
Die Landtagsabgeordneten waren sich einig, dass der Apotheke vor Ort eine wichtige Versorgungsfunktion zukomme. Die FDP stellte zudem heraus, dass die Bekämpfung der Inflation eine staatliche Aufgabe sei. Grüne und AfD plädierten für Lösungsvorschläge aus dem Berufsstand, während SPD und Die Linke staatliche Strukturmaßnahmen im ländlichen Raum anmahnten. Der CDU-Vertreter sprach sich für eine Stärkung der Vor-Ort-Apotheken beispielsweise durch eine Einschränkung des Versandhandels aus.
Die dringend erforderliche Gestaltung einer effektiven Notallversorgung im Rahmen der Krankenhausreform sprach Dr. Edgar Pinkowski, Präsident der Landesärztekammer Hessen, an. Seine Idee, anstelle der realitätsfernen und kostenintensiven bundespolitischen Vorhaben in ganz Hessen das erfolgreiche hessische SaN-Projekt (Sektorenübergreifende ambulante Notfallversorgung) einzuführen, stieß bei den gesundheitspolitischen Sprechern aller Parteien auf Zustimmung. Auch Pinkowskis Frage, ob sie sich nach den Wahlen für die Einrichtung eines Lehrstuhls für Palliativmedizin in Hessen einsetzen würden, wurde mit einem Ja beantwortet.
Dr. Heike Winter, Präsidentin der Psychotherapeutenkammer Hessen, thematisierte den mangelhaften Zugang zur psychotherapeutischen Versorgung in Alten- und Pflegeheimen. Dabei litten rund 50 Prozent der Menschen über 70 Jahren an psychischen Problemen. Insbesondere in Heimunterbringung würden diese allerdings fast ausschließlich mit Psychopharmaka behandelt. Die Politiker unterstützten das Thema mit Nachdruck. Verschiedene Vorschläge zur Realisierung wurden vorgetragen, wie beispielsweise eine Verpflichtung der GKV oder ein Konzept ähnlich den Heimärzten.
Die Kassenzahnärztliche Vereinigung, vertreten durch die Vorstandsbeauftragte Carolina van der Bosch, sorgt sich um die zunehmende Vergewerblichung des Gesundheitswesens durch investorengetragene Medizinische Versorgungszentren (iMVZ) und fordert, den Gründungsbereich solcher iMVZ einzuschränken. CDU, Grüne, SPD und Die Linke sprachen sich für gesetzliche Regelungen der Gründung von MVZ durch Finanzinvestoren aus. Obwohl auch aus Sicht von FDP und AfD wirtschaftliche Vorgaben bei medizinischen Entscheidungen keine Rolle spielen dürfen, gehen beiden Parteien mögliche Verbote jedoch zu weit. Ein weiteres Anliegen der KZV Hessen betrifft die Volkskrankheit Parodontitis: Das zum 1. Januar 2023 in Kraft getretene GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG) enthält Budgetregelungen, die die seit Mitte 2021 erweiterten Behandlungsmöglichkeiten dieser Erkrankung konterkarieren.
Auch Prof. Dr. Sabine Tacke, Präsidentin der Landestierärztekammer, thematisierte die Begrenzung des Einflusses von Kapitalgesellschaften auf die medizinische Versorgung; weitere Anliegen sind die Sicherstellung der Notfallversorgung für landwirtschaftliche Nutztiere und Lösungen für den Fachkräftemangel in der Veterinärmedizin.
Ärzte-, Zahn- und Tierärztekammer fragten zudem nach mehr Studienplätzen im Bereich Medizin und nach einer Vergabepraxis, die nicht allein die Abiturnote, sondern die persönliche Eignung berücksichtigt. Sowohl die Erhöhung der Anzahl der Studienplätze als auch die Umsetzung einer bereits rechtlich möglichen breiteren Vergabepraxis fand fraktionsübergreifend Zustimmung.
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