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Membranen sind ein Schlüssel zur Heilung

Prof. Dr. Christer Dahlin forscht am Institut für Biomaterialien der Universität Göteborg (Sahlgrenska Academy) zum Thema gesteuerte Knochenregeneration (GBR). Zusätzlich arbeitet er am NÄL Medical Centre Hospital, Trollhättan (Schweden) als MKG-Chirurg mit Schwerpunkt Implantatbehandlungen. Während des Neoss-Integrate-Kongresses Anfang Juni 2022 sprach Dr. Jan H. Koch mit dem Forscher und Kliniker, der seit 20. Juni des Jahres neuer Präsident der renommierten Osteology Foundation ist.

Gibt es seit den bahnbrechenden Studien Ihrer Arbeitsgruppe neue Entwicklungen auf dem Gebiet der GBR?
Prof. Dr. Christer Dahlin:
Als wir Ende der 1980er-Jahre mit unserer Grundlagenforschung begannen, sahen wir Membranen primär als Barrieren, die die unterschiedlichen Gewebe im Heilungsverlauf voneinander trennen. In den letzten Jahren haben weiter entwickelte Forschungsmethoden zu völlig neuen Erkenntnissen geführt: Membranen spielen tatsächlich eine Schlüsselrolle bei der Heilung, sodass wir sie heute gern als „bio-aktiv“ bezeichnen. Wir können jetzt maßgeschneiderte Membranen herstellen, die die Heilung sowohl auf der Weichgewebs- als auch auf der Hartgewebsseite fördern.

Graphische Darstellung von oralem Hart- und Weichgewebe

Schematische Darstellung der e-PTFE Membran mit maßgeschneiderten Oberflächen sowohl für die Weich- wie die Hartgewebsseite.

Was haben diese klinischen Details mit Poly-Tetra-Fluoro-Ethylen-(PTFE-)Membranen zu tun? Diese sind bekanntlich nicht resorbierbar und wurden dafür entwickelt, biologisch inaktiv zu sein.
Dahlin:
In der Tat ist das PTFE der ersten Generation sehr inert und starr, fast wie Titan. Dieses Material wird bis heute verwendet, zum Beispiel in der Herzchirurgie. Die ersten PTFE-Membranen für die orale Chirurgie (GoreTex), die aus einem ähnlichen PTFE-Typ bestanden, wurden leider vom Markt genommen. Es gibt aber nach wie vor einen Bedarf für klinisch erprobte, nicht resorbierbare Membranen, besonders in anspruchsvollen Defekten, bei denen Knochen außerhalb der natürlichen Anatomie aufgebaut werden muss. Aus diesem Grund haben wir PTFE-Membranen mit der NeoGen von Neoss weiterentwickelt – auf der Basis des aktuellen Verständnisses ihrer biologischen Funktionen.

Was passiert im Gewebe in Kontakt mit der NeoGen-Membran?
Dahlin
: Hart- und Weichgewebe haben im Heilungsprozess sehr unterschiedliche Ansprüche. Der Knochen benötigt im Vergleich zum Weichgewebe mehr Zeit für die Regeneration in einem geschützten Raum. Deshalb haben wir die Knochenseite der nicht resorbierbaren NeoGen-Membran so modifiziert, dass sie wie ein Schwamm wirkt, zum Beispiel für Knochenwachstumsfaktoren (BMPs). Wir haben die Konzentration von Wachstumsfaktoren wie BMP2 und TGFβ gemessen, zusätzlich die Menge neuen Knochens im Kontakt zur Membran an verschiedenen Zeitpunkten. Wir fanden in Bezug auf beide Faktoren einen signifikanten Zuwachs. Außerdem lagert sich Knochenmineral innerhalb der Membran ab, was deren bioaktive Wirkung auf die Heilung zeigt.

Wie ist NeoGen auf der Weichgewebsseite strukturiert?
Dahlin:
Die Fibrozyten auf der dem Weichgewebe zugewandten Seite lagern sich am effektivsten an eine natürliche 3-D-Faserstruktur. Wir haben diese Membranseite entsprechend modifiziert. Das Ergebnis aller Anpassungen ist eine PTFE-Membran der dritten Generation mit expandiertem Material unterschiedlicher Porosität auf beiden Seiten. Die dreidimensionale Struktur der Weichgewebsseite ist hochgradig biokompatibel und zellfreundlich, was auch das Komplikationsrisiko im Fall einer Membranexposition reduziert. Dessen ungeachtet ist die NeoGen zu 100 Prozent bakteriendicht, auch das ist für sichere Heilung sehr wichtig. Nicht zuletzt sorgt die zwischengelagerte wabenförmige Titanstruktur für optimale Formbarkeit und mechanische Stabilität, eine weitere Bedingung für voraussagbare Augmentationsergebnisse.

Welche Augmentationsmethoden empfehlen Sie für die tägliche Praxis?
Dahlin:
Zirka 70 Prozent aller Eingriffe sind kleinere Augmentationen, die im Zusammenhang mit ein oder zwei Implantaten durchgeführt werden. In diesen Fällen können Knochenersatzmaterialien in Kombination mit einer resorbierbaren Kollagenmembran verwendet werden. Mit PTFE-Membranen erreichen wir spektakuläre Ergebnisse mit erheblichem horizontalem und vertikalem Knochengewinn, doch sie sind auch technik-sensitiver als resorbierbare Membranen. Wir arbeiten intensiv daran, PTFE-Membranen anwenderfreundlicher und klinisch weniger fehleranfällig zu machen, unter anderem mithilfe der oben beschriebenen strukturellen Veränderungen.

Was ist neu an der NeoGen-Cape-Membran, die Neoss beim Integrate Kongress in Göteborg vorgestellt hat?
Dahlin:
Für den Erfolg einer GBR ist auch eine zuverlässige und starre Fixierung der Membran entscheidend. Die NeoGen-Cape hat eine Aussparung zur einfachen Befestigung mit der Implantatdeckschraube [siehe auch Fallbericht Dr. Christian Schober in diesem Heft, Anm. d. Redaktion]. Zusätzlich sorgt ein Abstandhalter (Spacer) für zusätzlichen vertikalen Knochengewinn oberhalb der Implantatschulter. Dieses neue Konzept kann als Alternative für die oben genannten begrenzten Augmentationen dienen, aber mit einfacherer Handhabung im Vergleich zur reinen Pin-Fixierung, und mit zusätzlichem vertikalem Knochengewinn.

Sind Blutkonzentrate wie PRF (Platelet-Rich Fibrin) und PGRF (Plasma-Rich in Growth Factors) für die GBR relevant?
Dahlin:
Wie zum Beispiel die Arbeitsgruppe der Universität Leuven (Belgien) zeigen konnte, fördern diese Präparate die Weichgewebsheilung und das ist entsprechend ihr Indikationsbereich. Wie wir wissen, entscheidet eine zuverlässige Heilung der Weichgewebe mit über den Erfolg von GBR-Maßnahmen.

Abschließend eine Frage zum Timing: Wie sehen Sie den aktuellen Trend, implantologische Protokolle zu beschleunigen?
Dahlin: Das Thema hat in letzter Zeit an Bedeutung gewonnen. Es ist nachvollziehbar, dass sowohl Mediziner als auch Patienten Zeit gewinnen und die Zahl der Eingriffe und die Gesamtbehandlungsdauer reduzieren wollen. Hinzu kommt ein biologischer Aspekt, weil nach Extraktionen immer ein Teil des zahnbezogenen alveolären Knochens verloren geht. Dies passiert in den ersten sechs Monaten, sodass eine rechtzeitige Implantation einen Teil dieses Abbaus verhindern kann. Wir sollten diese also nicht zu lange hinauszögern.

Andererseits sind einige Protokolle aus meiner Sicht zu aggressiv. Zum Beispiel ist zu bedenken, dass Patienten mit Zahnverlusten meist einen pathologischen Befund haben. Ich bevorzuge daher ein etwas konservativeres, also verzögertes Vorgehen. Nachdem ich das entzündliche Gewebe entfernt habe, warte ich ab, bis der Körper nach etwa vier bis sechs Wochen seinen physiologischen „Reinigungsprozess“ abgeschlossen hat. Für meine folgenden chirurgischen Arbeitsschritte, zum Beispiel die Augmentation, habe ich dann ein ausgeheiltes, gesundes Gewebe.

Grafik der NeoGen-Membran mit Funktionen

Aufbau und Wirkprinzip der NeoGen-Cape-Membran

Titelbild: Prof. Dahlin