Sind monolithisches Zirkonoxid und Hybridmaterialien schon bewährt? Was tun bei Bruxismus und Erosionen? Wie lassen sich zahnlose Patienten minimalinvasiv und kostengünstig versorgen? Der mit rund 1.400 Teilnehmern sehr gut besuchte Bayerische Zahnärztetag am 27. und 28. Oktober 2017 in München lieferte praxisorientierte Antworten und spannende Perspektiven.
Prothetik-Professorin Meike Stiesch (Medizinische Hochschule Hannover) skizzierte als Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Prothetische Zahnmedizin und Biomaterialien (DGPro, früher DGZPW) ihre Vision von der Zukunft der Prothetik. Im Fokus sieht sie besser abgesicherte Behandlungsmethoden, den Patientenwunsch nach besserer Ästhetik und langlebigere Werkstoffe, bis hin zu Zahnersatz mithilfe von Tissue Engineering.
Welche Materialien sind geeignet?
Als zahnfarbene Materialien für Kronen, Brücken und Veneers haben sich laut Dr. Alexander Vuck (Universität Düsseldorf) bisher vor allem Keramiken bewährt. Zu Hybridmaterialien aus Kunststoff und Keramik gibt es nur Daten bis zu etwa drei Jahren (Enamic). Die mit CAD/CAM zu verarbeitenden Materialien erlauben dünn auslaufende Ränder, die Werkstücke müssen aber laut Vuck manuell nachbearbeitet werden.Die S3-Leitlinie zu Keramikmaterialien für Kronen und Brücken aus dem Jahr 2014 hatte noch einige Indikationen offen gelassen [1]. Verblendetes Zirkonoxid kann inzwischen aufgrund von Studiendaten mit bis zu fünf Jahren Beobachtungsdauer empfohlen werden [2, 3]. Das Abrasionsverhalten sei bei geeigneter Politur mit anderen Keramiken vergleichbar.
Praxis-Tipp
Verblendungen von Kronen und Brücken sollten sich wegen der Chipping- Gefahr auf den unbelasteten Anteil beschränken.
Zu monolithischem Zirkonoxid gibt es aktuell Beobachtungsdaten von bis zu drei Jahren [4]. Diese sind vielversprechend, doch sind wegen des unklaren Degradationsverhaltens laut Vuck längerfristige Ergebnisse notwendig. Diese Aussage ist sicher auch in Bezug auf teilverblendete Restaurationen relevant (Anmerkung des Autors). Daten fehlen auch zu implantatgetragenen Ganzkieferversorgungen aus Zirkonoxid, wobei hier Chipping das zentrale Problem sein dürfte.
Was tun bei Parafunktionen?
Für die erwähnte Keramik-Leitlinie hatten die Experten auch die Eignung bei Patienten mit Bruxismus und anderen Parafunktionen diskutiert. Der Leiter der Würzburger Zahnerhaltung Prof. Dr. Marc Schmitter machte deutlich, dass Belastungen von bis zu 800 Ncm ausreichende Biegefestigkeiten erfordern. Die betroffenen Patienten sind nur mit aufwändigen Methoden wie Polysomnografie und im Fall von Wachbruximus gar nicht zuverlässig zu identifizieren.
Entsprechend fehlen laut Schmitter eindeutige Studien und idealerweise sollten Restaurationsmaterialien auch für diese Patienten geeignet sein. Studien aus Schmitters Gruppe deuten darauf hin, dass monolithisches Zirkonoxid und Lithiumdisilikat diese Anforderungen auch im Seitenzahnbereich erfüllen könnten [5].
Möglichkeiten bei Erosionsgebissen
Der Münchner Prothetik-Professor Daniel Edelhoff machte auf die zunehmende Prävalenz von Erosionen (Biokorrosion) aufmerksam, die sich durch Fehlernährung oder Reflux-Erkrankungen entwickeln können. Erosionen und Abrasionen treten häufig kombiniert auf, wobei der erosive Anteil zum Beispiel durch Niveau-Unterschiede zwischen Restaurationsmaterial und Zahnsubstanz erkennbar ist.
Muss die verbleibende Zahnsubstanz geschützt und die vertikale Relation restaurtiv angehoben werden, eignen sich zum Probetragen Polykarbonat- Schienen [6, 7]. Diese sind zahnfarben, simulieren im Gegensatz zu Schienen natürliche Zähne, sind durch ihre Elastizität für Bruxer geeignet und bei Bedarf auch provisorisch zementierbar. Als definitive Versorgungen haben sich laut Edelhoff monolitische Lithiumdisilikatkronen bewährt.
Praxis-Tipp
Die Präparation erfolgt bei Erosionsgebissen am besten minimalinvasiv mit speziellen rotierenden Instrumentensets (Nr. 4665, Komet Dental) oder kann je nach Ausgangssituation ganz entfallen.
Versorgung zahnloser Kiefer – altersgerechte Konzepte
Der in München niedergelassene MKG-Chirurg Prof. Dr. Dr. Karl Andreas Schlegel beschrieb aktuelle Möglichkeiten, Knochen durch atraumatische Extraktionen, Alveolenmanagement (Socket Preservation) oder orthodontische Extrusion zu erhalten. Geschlossene regenerative Räume wie bei der Sandwich-Osteoplastik verbessern Augmentationserfolge. Konzepte, die in der Regel ganz ohne Augmentationen auskommen, präsentierten die Hochschullehrer Matthias Kern (Kiel) und Rolf Ewers (Wien).
Alt ist man oder frau, wenn Alterserscheinungen irreversibel, fortschreitend und generalisiert sind. Wie die Gerodontologie-Spezialistin Prof. Dr. Frauke Müller (Genf) erläuterte, ist ein weiteres Kriterium die Unfähigkeit, komplexere Aktivitäten wie Einkaufen oder den Gebrauch von Kommunikationsmitteln zu bewältigen. Prothesen sollten ab diesem Alter einfach herausnehmbar gestaltet werden und leicht zu reinigen sein. Implantatgetragene Prothesen verbessern die Lebensqualität und das Alter ist keine Kontraindikation für Implantate.
Praxis-Tipp
Prothesenabzieher mit Handgriff gibt es zum Beispiel von GeriaDental (entwickelt von Zahnarzt Dr. Bernd Johnki).
Gelungener Kongress
Der in Kooperation mit der DGPro und dem Berufsverband der Implantologisch tätigen Zahnärzte (BDIZ EDI) organisierte Kongress war glänzend organisiert und bot eine Menge Informationen rund um Prothetik und Implantologie, abgerundet durch Vorträge aus Erwachsenen-Kieferorthopädie, Endodontie und Praxisführung.
Das Engagement der Bayerischen Berufsverbände wurde auch in der Ankündigung der „KZVB-Dialogtage“ deutlich, bei denen die Verantwortlichen in allen bayerischen Kammerbereichen vor Ort ihre Konzepte präsentieren wollen. Die bayerischen Zahnärzte, die wegen zahlreicher Querelen in der jüngsten Vergangenheit nicht immer von ihrer Vertretung begeistert waren, können sich aus fachlicher Sicht schon auf den nächsten Kongress freuen.
Literatur
[1] DGPro, DGZMK; 2014. S3-Leitlinie, AWMF-Registernummer 083-012, Stand 08/2014.
[2] Moscovitch, M.; Int J Periodontics Restorative Dent 2015. 35 (3): 315-323.
[3] Bomicke, W., et al.; J Esthet Restor Dent 2017. 29 (1): 22-30.
[4] Worni, A., et al.; Quintessence Int 2017. 48 (6): 459-467.
[5] Stober, T., et al.; J Oral Rehabil 2016. 43 (8): 621-629.
[6] Edelhoff, D., et al.; Quintessence Int 2016. 47 (3): 207-216. 7. Edelhoff, D., et al.; Quintessenz 2016. (10): 1195-1209.