Pflegebedürftige und Menschen mit Behinderung haben seit Juli 2018 Anspruch auf weitere (vorbeugende) Leistungen, um Zahnerkrankungen zu verhindern. Denn nach dem neu gefassten Paragraf 22a SGB V, der seit 1. Juli 2018 in Kraft ist, haben Menschen, die nach Paragraf 15 SGB XI einem Pflegegrad zugeordnet sind oder nach Paragraf 53 SGB XII Eingliederungshilfe erhalten, einen Anspruch auf Präventionsleistungen. Dies bedeutet, dass die gesetzlichen Krankenkassen mittlerweile die Kosten für erweiterte Leistungen zur Verhütung von Zahnerkrankungen übernehmen müssen.
Zu diesen Leistungen gehören:
- die Erhebung eines Mundgesundheitsstatus,
- die Aufklärung über die Bedeutung der Mundhygiene und über Maßnahmen zu deren Erhaltung,
- die Erstellung eines Plans zur individuellen Mund- und Prothesenpflege
- sowie die Entfernung harter Zahnbeläge.
Ziel ist es, dadurch das überdurchschnittlich hohe Risiko für Karies-, Parodontal- und Mundschleimbeutelerkrankungen zu senken. In einem ersten Schritt soll im Rahmen der Erhebung des Mundgesundheitsstatus insbesondere der Pflegezustand der Zähne, des Zahnfleischs, der Mundschleimhäute sowie des gegebenenfalls vorhandenen Zahnersatzes beurteilt werden. Diese „Analyse“ bildet die Grundlage für einen individuellen Mundgesundheitsplan, der die Maßnahmen umfasst und konkretisiert, mit denen die Mundgesundheit gezielt gefördert werden kann und soll.
Personen, die bei der Pflege unterstützen, sollen in etwaige Prozesse und die „Maßnahmenplanung“ einbezogen werden, zumal in der Praxis der Hilfe bei der Mundhygiene eine besondere Bedeutung zukommt. Aber: Mundpflege will gelernt sein, sodass auch die intensive Aufklärung (zum Beispiel über Ausstattung und Techniken) eine wichtige Rolle spielen wird. Bei der „Mundgesundheitsaufklärung“ sollen die empfohlenen Maßnahmen daher erläutert und auch praktisch demonstriert werden; auch eine enge (zeitliche) Bindung an die Erstellung des individuellen Mundgesundheitsplans soll grundsätzlich gewährleistet werden.
Auf diese Weise soll insgesamt dem besonderen Bedarf im Bereich der Mundgesundheit Rechnung getragen werden, denn erst im Frühjahr dieses Jahres hatte die Barmer ihren „Zahnreport“ vorgestellt, bei dem diesmal insbesondere die aufsuchende zahnärztliche Betreuung in Pflegeeinrichtungen analysiert wurde. Der Bericht zeigt zwar auf, dass eine deutlich höhere Frequenz von abgerechneten Besuchen bei Pflegebedürftigen vorliegt, diesen aber nicht verstärkt kurative Leistungen gefolgt sind.
Insgesamt sind in vielen Fällen die Betroffenen auch nur eingeschränkt in der Lage, die tägliche Mundpflege durchzuführen – folglich ist es um die Mundgesundheit derzeit nach wie vor nicht zum Besten bestellt. In diesem Zusammenhang stellen sich für den Kreis der Berechtigten jedoch üblicherweise verschiedene Fragen, die die Um- und Durchsetzung eines entsprechenden Anspruchs betreffen. Der Anspruch nach Paragraf 22a SGB V fügt sich in das System der verschiedenen Ansprüche der Versicherten ein, die dem Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung entsprechen und diesen abbilden. Dabei steht die Verhütung von Krankheiten oder die Vermeidung einer Verschlimmerung im Mittelpunkt.
Grundsätzlich waren bislang die Pflegepersonen beziehungsweise das Pflegepersonal dafür verantwortlich, die Mundpflege zu unterstützen oder gegebenenfalls durchzuführen. Da in der Vergangenheit dennoch Defizite in diesem Bereich festzustellen waren, soll durch den nun bestehenden Anspruch eine erneute Verbesserung der Situation der Betroffenen erreicht werden. Insofern kann im Rahmen der mit dem Heim oder Pflegedienst bestehenden Verträge darauf hingewiesen werden, dass diese Rechte bestehen und herauszufinden ist, ob und in welchem Umfang Kooperationsverträge mit Zahnärzten in der Umgebung bestehen, damit diese Rechte auch wahrgenommen werden können.
Dies bedeutet jedoch, dass dieser Anspruch auch von den Betroffenen selbst geltend gemacht werden muss. Sie müssen selbst oder durch ihre Angehörigen, Betreuer oder sonstige Vertreter dafür sorgen, dass entsprechend ihrer Bedürfnisse die Versorgung auf Grundlage des Paragrafen 22a SGB V und auf der Grundlage der entsprechenden Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über Maßnahmen zur Verhütung von Zahnerkrankungen bei Pflegebedürftigen und Menschen mit Behinderungen vorgenommen wird.
Das heißt, dass es zunächst an den Berechtigten selbst ist, ihre Rechte einzufordern und durchzusetzen. Dies gilt jedoch nicht nur für den stationären Bereich, sondern auch bei der Pflege im heimischen Umfeld, sodass die neuen präventiven Leistungen nicht nur in der Zahnarztpraxis, sondern auch bei den Menschen zu Hause erbracht werden können. Damit wird eine entscheidende Lücke geschlossen, denn oft verschlechtert sich der Mundgesundheitszustand insbesondere in der Zeit der „noch“ häuslichen Pflege rapide. Die neuen Leistungen können aber auch explizit von denjenigen Betroffenen in Anspruch genommen werden, die – trotz Handicap oder Pflegebedürftigkeit – noch selbstständig ihren Zahnarzt aufsuchen können.
Rechtsanwalt Guido Kraus, Hannover
Dieser Artikel ist Teil unseres Schwerpunktes "Patienten mit Beeinträchtigungen".