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"Titan ist nicht für alle verträglich"

Gesprächsstoff bot das jährliche PROSEC-Symposium – nicht nur für Prof. Dr. Christoph Hämmerle, Zürich, und Dr. Carolin Stolzer, Hamburg.

Gesprächsstoff bot das jährliche PROSEC-Symposium – nicht nur für Prof. Dr. Christoph Hämmerle, Zürich, und Dr. Carolin Stolzer, Hamburg.

Mehr als 120 Wissenschaftler, Kliniker und Zahntechniker trafen sich Mitte Januar zum jährlichen PROSEC Symposium. Das Netzwerk PROSEC (Progress in Science and Education with Ceramics) hatte eingeladen, um über seine aktuellen Forschungsergebnisse auf dem Gebiet der keramischen/metallfreien Implantologie und Versorgung zu berichten.

Auf dem Programm stand unter anderem und von den Teilnehmern mit Interesse erwartet die Präsentation von Methodik und klinischen 5-Jahresdaten einer bizentrischen (Zürich und Freiburg) prospektiven Studie mit dem Zirkoniumdioxidimplantat ceramic.implant (vitaclinical) durch Prof. Dr. Christoph Hämmerle, Zürich.

Mit 98,4 Prozent zeigte die statistische Auswertung der erhobenen Daten eine hohe Überlebensrate, ein stabiles marginales Knochenniveau und stabile Weichgewebsverhältnisse. Auch im Vergleich mit der aktuellen Literatur zeige sich eine positive Entwicklung.

Einer der weiteren Vorträge: Die „Übersicht über unterschiedliche Titanunverträglichkeitstests und deren klinische Wertigkeit“, gegeben von Dr. Carolin Stolzer, Hamburg, die auf den Titansimulationstest, die Diagnostik der generellen, genetischen Entzündungsneigung und den Lymphozytentransformationstest (LTT) einging.

Eine Titanallergie gibt es nicht

Hyperreaktivität und Unverträglichkeit auf den Werkstoff Titan sind ein schon lange kontrovers diskutiertes Thema. Stolzer stellte noch einmal klar: eine Titanallergie gibt es nicht – aber Titan ist trotzdem nicht für alle verträglich.

Voraussetzung für eine Allergie Typ IV sei, dass Metallionen an zelluläre Proteine binden und diese modifizieren (Hapteneffekt). Das könnten Titanoxidpartikel nicht. Titanionen bildeten durch ihre hohe Sauerstoffaffinität unmittelbar nach ihrer Freisetzung Oxide, und im Unterschied zu freien Ionen könnten diese Oxide keine Proteinbindung eingehen und somit keine allergene Wirkung entfalten.

Keine generelle Bioverträglichkeit

Stolzers Fazit: „Titan ist aus allergologischer Sicht unbedenklich, aber die Allergie ist nicht die einzige Form einer Unverträglichkeit.“

Eine generelle Bioverträglichkeit könne dem Material Titan nicht zugesprochen werden. Zwar würden keine Ionen freigesetzt, aber Titanpartikel im periimplantären Gewebe – ein nicht temporäres und nicht ortsständiges Phänomen. Stolzer: „Titan ist nicht unsichtbar für das Immunsystem“, die Immunantwort individuell und materialabhängig.

Titanstimulationstest

Zur präventiven immunologischen Diagnostik dient der Titanstimulationstest, bei dem die Reaktionsbereitschaft der Makrophagen auf Titanoxidpartikel gemessen wird.

Physiologisch reagierten Makrophagen nach Kontakt mit Titanoxidpartikeln mit der Freisetzung proentzündlicher Zytokine, führte Stolzer aus. Sehr individuell sei allerdings das Ausmaß dieser Immunantwort, was die Evaluierung möglicher Risikopatienten für eine periimplantäre Entzündung  ermögliche.

Bei der Befundinterpretation seien Immunmodulation oder Immunsuppression zu beachten, zudem zeige der Test nur eine temporäre Aufnahme der Immunreaktion. Bei akuten oder chronischen Entzündungen im Körper können die Normwerte bereits stark erhöht sein, in dem Fall sei der diagnostische Nutzen des Tests gleich null.

Diagnostik der generellen genetischen Entzündungsneigung

Nicht temporär veränderbar ist die Genetik, die Diagnostik der generellen genetischen Entzündungsneigung ist für Stolzer ein Mittel zur Erkennung einer hyperinflammatorischen Veranlagung. Auf ein und denselben Reiz reagiere das Immunsystem jedes Menschen individuell und genetisch bedingt. Mit welcher Intensität die Zytokine im Rahmen der Immunantwort freigesetzt würden, sei durch funktionell relevante Polymorphismen in den Genen der Zytokine individuell festgelegt. Der genetische Entzündungsgrad steige abhängig von der Anzahl der vorliegenden Polymorphismen von Grad 0 (kein Polymorphismus liegt vor, normale Entzündungsneigung) bis Grad 4 (alle vier untersuchten Polymorphismen liegen vor, deutlich erhöhte Entzündungsneigung).

Die Anzahl der Risikopolymorphismen und der daraus resultierende genetische Entzündungsgrad hätten einen signifikanten Einfluss auf den Implantatverlust, so Stolzer.  Mit steigendem genetischen Entzündungsgrad steige auch das Risiko für ein Titan-assoziiertes Entzündungsgeschehen. Patienten mit Grad 3 und vier gelten als High-Responder und somit als Risikopatienten. 15 bis 20 Prozent der Bevölkerung reagierten genetisch bedingt mit einer starken Entzündungsneigung. Dabei berief Stolzer sich unter anderem auf eine Studie der Deutschen Gesellschaft für Umwelt-Zahnmedizin.

Lymphozytentransormationstest (LTT)

Zuletzt ging Stolzer auf den Lymphozytentransormationstest (LTT) ein, der allergenspezifische T-Lymphozyten nachweist (LTT-Testung auch auf die im Implantat enthaltenen Metalle). Sind T-Lymphozyten vorhanden, besteht eine Sensibilisierung vom Typ IV auf ein Allergen. Bei positivem Testergebnis rät Stolzer zum Meiden des Allergens und entweder zu einem alternativen Implantatmaterial (Zirkoniumdioxid) oder zu einer nicht- implantatgetragenen Versorgung.

Gleiches empfiehlt sie bei einem positiven Titanstimulationstest. Grundsätzlich sei ein positiver Titanstimulationstest nicht gleichzusetzen mit einer Allergie und somit für sich alleine keine absolute Kontraindikation für ein Titanimplantat. Ihr Fazit für die Praxis: Titan sei weiterhin der Goldstandard in der Implantologie, aber nicht für jeden Patienten die richtige Lösung.  Die Tests ermöglichten ein frühzeitiges Erkennen eines immunologischen Risikos, liege dieses vor: befundadaptiert behandeln. Sie könnten auch Entscheidungshilfe für unschlüssige Patienten sein.

• Einen ausführlichen Bericht über das PROSEC-Symposium lesen Sie in der Ausgabe 1/19 der dzw Orale Implantologie, die am 27. Februar erscheint.