Wie in jeder Branche und in vielen Lebenslagen gibt es auch in Praxen hin und wieder Konflikte zwischen den verschiedenen Akteuren.
Folgende Situationen sind typisch:
- Die Mitarbeiter tragen ihre Konflikte für alle spürbar in der Praxis aus.
- Der Praxisinhaber hat ein Problem mit einem oder mehreren Teammitgliedern.
- Zwei oder mehrere Praxisinhaber streiten sich über die Gewinnverteilung, die Zukunft der Praxis und vieles mehr.
- Der ausscheidende Zahnarzt will eine hohe Abfindung, die der verbleibende nicht bezahlen will.
- Der Praxiswert ist zwischen den Parteien strittig.
- Der vorgeschlagene Nachfolger passt dem verbleibenden Inhaber nicht.
- Der alte Chef ist zu dominant, meint der junge Kollege.
- Der „Juniorpartner“ fühlt sich vom „Alten“ ausgenutzt.
- Der ehemals nette Partner wird plötzlich unangenehm.
- Das Zahnarztehepaar trennt sich und streitet darüber, wer in der Praxis verbleibt.
- Die geschiedene Ehefrau will mehr Geld als die Praxis hergibt.
Typische Problemlösungsansätze
Die typischerweise praktizierten Lösungsstrategien sind höchst unterschiedlich. Häufig wird der Konflikt gar nicht thematisiert, die Beteiligten leben in der Konfliktsituation weiter. Das kann zu einer dauerhaften Verstärkung der Problematik führen, zum Aufschaukeln, bis es richtig knallt. Wenn es ein Mitarbeiter nicht mehr aushält, vielleicht auch, weil er sich gemobbt fühlt, kündigt er möglicherweise. Oder es wird pathologisch und mündet in einer Depression.
Häufig sucht auch mindestens eine am Konflikt beteiligte Partei das Gespräch und findet nicht die richtigen Worte. Es entsteht Streit, und die Situation verschlimmert sich. Oder es werden weitere, zunächst nicht Beteiligte, in den Konflikt hineingezogen. Schließlich kann es passieren, dass es dem Chef zu dumm wird und er Kraft seines Amtes eine Lösung erzwingt. Hier kann dann oft beobachtet werden, dass die Lösung nicht lange wirkt, der Konflikt flammt immer wieder auf.
Der Berater
Wenn der Konflikt festgefahren ist, wird möglicherweise ein Berater hinzugezogen. Üblicherweise ist das ein Kenner der Branche, der den Beteiligten irgendwie bekannt ist oder von einem Vertrauten empfohlen wurde. Fachlich versiert wird dann an der Konfliktlösung gearbeitet. Der fast ausschließlich anzutreffende Modus ist: „Versuchen Sie es doch mal damit.“ Oder:“ Ich empfehle Ihnen, sich öfter auseinanderzusetzen, mehr zu kommunizieren.“ Also sehr vernünftig erscheinende Vorschläge auf der Basis eines großen Erfahrungsschatzes, die der Berater den Mandanten aktiv unterbreitet. Denn er ist ja Berater und wird für die Lösung bezahlt. Das Problem ist: Es funktioniert nicht lange, nicht nachhaltig. Die Probleme flammen immer wieder auf. Warum ist das so?
Das Eisbergmodell
Bei Konflikten ist es wie bei einem Eisberg: Das Wesentliche ist unter Wasser und kann nicht gesehen werden. Der Berater kratzt, ebenso wie die Beteiligten, nur am sichtbaren oberen Siebtel, wobei die eigentliche Ursache gar nicht bearbeitet wird. Denn die sitzt viel tiefer.
Wenn dann Verbesserungsvorschläge über Wasser noch nicht einmal von den Beteiligten selbst kommen, sondern von außen, ist am eigentlichen Problem nicht mal ansatzweise tatsächlich gearbeitet worden. Aus diesem Grund kann es auf diese Weise keine Lösung geben, und die Konflikte werden nach kürzester Zeit wieder scharfgeschaltet.
Der Mediator
Um eine wirksame Problemlösung zu finden, braucht man entgegen der ersten Erwartung nun keineswegs einen Psychotherapeuten oder Psychologen. Die Bezeichnung „Zertifizierter Mediator“ ist nach dem Mediationsgesetz unter der Voraussetzung einer zweihundertstündigen Ausbildung geschützt. Dabei sind psychologische Elemente wesentliche Bestandteile der Ausbildung, was zur Folge hat, dass der Mediator qualifiziert unter der Wasseroberfläche arbeitet.
Auf diese Weise wird der eigentliche Konflikt bearbeitet, wobei von zentraler Bedeutung ist, dass die Parteien die Lösung unter der Moderation des Mediators selbst finden und artikulieren. Sie einigen sich, nachdem alle Konfliktherde bearbeitet wurden, auf eine gemeinsam gefundene Lösung. Diese kann, muss aber nicht, bereits konkrete Handlungsschritte enthalten.
Auf diesem Fundament baut nun die zukünftige Zusammenarbeit beziehungsweise das Zusammenleben der Konfliktparteien auf. Und mit einem guten Fundament ist die Wahrscheinlichkeit deutlich erhöht, dass die Lösung nachhaltig funktionieren wird.
Aus der Praxis
Zum besseren Verständnis folgen zwei Beispiele der Konfliktlösung mit Fundament.
Fall 1: Ein Zahnarztehepaar trennt sich privat, möchte aber in der Praxis weiter zusammenarbeiten. An der Oberfläche: Der Zahnarzt besteht darauf, dass er die Hoheit über die Praxis behält und er über die weitere Zukunft der Praxis entscheidet. Der Zahnärztin scheint es zu Beginn der Mediation egal zu sein, was mit der Praxis passiert.
Im Rahmen der Mediation wurden die eigentlichen Bedürfnisse herausgearbeitet und damit den Beteiligten erst klar („unter Wasser“): Der Zahnarzt ist menschlich stark verletzt und möchte auf keinen Fall auch noch seine Praxis verlieren. Die Zahnärztin hängt fast ebenso sehr an der Praxis wie er, möchte sich aber die Option offenhalten, die Praxis irgendwann einmal zu verlassen und eventuell allein eine neue Praxis zu gründen.
Unter Beachtung der rechtlichen Zwänge wurde nun gemeinsam (beide nur unter Moderation des Mediators) eine Lösung erarbeitet, die beide Seiten schützt, aber auch den Zielvorstellungen jedes Einzelnen sehr nahekommt. Die Austrittshürden wurden hochgelegt, wenn es aber passieren soll, können es beide Parteien finanziell gut verkraften. Die Lösungsvereinbarung wurde einem Rechtsanwalt übergeben, der daraus den neuen Gemeinschaftspraxisvertrag formulierte. Die beiden Praxisinhaber arbeiten noch heute ohne größere Konflikte in der gemeinsamen Praxis.
Fall 2: Zahnärztin B arbeitet seit vielen Jahren in der Praxis von Zahnärztin A und ist seit wenigen Jahren beteiligt. A scheidet aus Altersgründen aus, B nimmt Zahnärztin C als gleichberechtigte Partnerin der Gemeinschaftspraxis neu auf.
Der Praxisbetrieb ist geprägt durch die nun ausgeschiedene A und wird unhinterfragt fortgeführt. C gliedert sich ein und macht mit, obwohl sie irgendwie nicht glücklich ist. An der Oberfläche: Es kommt zu erheblichen Konflikten zwischen einigen Helferinnen und C. Schließlich wirkt sich der Konflikt auch auf das Verhältnis zwischen B und C aus, was beide Seiten gar nicht recht verstehen können, weil sie menschlich durchaus harmonieren.
In der Mediation, also unter Wasser, stellt sich heraus, dass C niemals richtig in der Praxis angekommen ist und ihre eigenen Vorstellungen vom Praxisbetrieb formuliert hat. Dabei ist B völlig offen und unter nur wenigen Bedingungen bereit, das noch unausgereifte Konzept von C in die Praxis zu integrieren. Die beiden einigen sich ohne Einwirkung des Mediators darauf, das neue Konzept unter fachlicher Begleitung detailliert zu entwickeln, dann die Mitarbeiter einzubinden und vor allem, mehr miteinander zu reden. Auf diesem Fundament wird jetzt das Praxiskonzept neu überarbeitet.
Fazit
Wenn Sie einen der wie oben genannten Praxiskonflikte spüren, schalten Sie so früh wie möglich einen qualifizierten Mediator ein. Erfahrungsgemäß kann in wenigen Sitzungen ein Fundament geschaffen werden, auf dem nachhaltig ein konfliktfreies Arbeiten möglich ist.
Prof. Dr. Thomas Sander, Hannover
Prof. Dr. Thomas Sander leitet an der Medizinischen Hochschule Hannover das Lehrgebiet „Praxisökonomie“ und lehrt und forscht im Bereich Praxismarketing und Praxiswertermittlung. Sander ist außerdem öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für die Bewertung von Arzt- und Zahnarztpraxen sowie Wirtschafts- und Praxismediator (zertifiziert nach ZMediatAusbV).