Anzeige

Einsen und Nullen

Die Digitalisierung werde schrittweise vollzogen, es werde keine perfekten Lösungen geben, so BMG-Abteilungsleiter Gottfried Ludewig.

Die Digitalisierung werde schrittweise vollzogen, es werde keine perfekten Lösungen geben, so BMG-Abteilungsleiter Gottfried Ludewig.

Die Digitalisierung im Gesundheitswesen geht voran. Mit kleinen Schritten zwar, aber mit großem Tamtam vonseiten der Digitalisierungsskeptiker. Der Geschäftsführer der Gematik, Alexander Beyer, verkündete jüngst Zahlen zur Telematikinfrastruktur (TI). Die TI-Module mussten bis zum 31. März 2019 bestellt werden. Rund 100.000 Praxen hätten bestellt und seien bis zum 30. Juni an die TI angeschlossen. 50.000 bis 60.000 Praxen sind bereits an der TI angeschlossen.

Damit nehmen zwei Drittel aller Praxen innerhalb des gesetzlichen Zeitrahmens am Gesundnetz teil. Doch diese Mehrheit schweigt. So ist es, wenn Dinge funktionieren und es keinen Grund zur Klage gibt. Hier liegt die Vermutung nahe, die TI läuft. Der schweigenden Mehrheit steht der Chor der Verweigerer gegenüber. Sie sind laut. Manchmal sehr laut. Profiliert hat sich in der Anti-TI-Kampagne etwa der Stuttgarter Medi-Chef Dr. Werner Baumgärtner: „Neben unserer aktuellen Musterklage zur Kostendeckung werden wir auch noch rechtlich prüfen lassen, ob die Kolleginnen und Kollegen vom Gesetzgeber und unter Androhung von Honorarabzügen dazu gezwungen werden dürfen, ein technisches Gerät in Betrieb zu nehmen, das aus unserer Sicht veraltet ist und bei dem nach Aussagen unserer IT-Experten Fragen zur Datensicherheit bestehen, die weder von der Gematik noch vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik beantwortet werden konnten.“

Das schallt laut im TI-Wald. Was daran PR und was Tatsache ist, wird sich zeigen. Das BSI ist jedenfalls nicht dafür bekannt, besonders nachlässig im Sinne des Datenschutzes zu sein. Eine relativ stille Gruppe der TI-Ablehner sind auch die Praxisabgeber. Sie nehmen wohl eher die relativ moderate Honorarkürzung von einem Prozent in Kauf, als sich nach Praxisabgabe mit langfristig geschlossenen TI-Verträgen herumärgern zu müssen.

Zusätzlichen Schwung in der TI erhofft sich Beyer auch von der Mehrheitsübernahme durch das Bundesgesundheitsministerium. Das BMG habe, so hofft er, „mehr Mut bei Detailentscheidungen“ und habe schlankere Entscheidungsprozesse. Das wird sich beim nächsten Mammutprojekt erweisen müssen: der Einführung der elektronischen Patientenakte (ePa), die 2021 allen Versicherten zur Verfügung stehen soll. Die KBV soll nun für die Interoperabilität der elektronischen Patientenakten Vorgaben entwickeln. Derzeit gibt es verschiedene Dateiformate je nach Praxissoftwarehersteller, die nicht miteinander kompatibel sind. „Es macht Sinn, dass die KBV die medizinischen Informationsobjekte definiert, denn schließlich haben wir mit 600 Millionen Arzt-Patienten-Kontakten die größte Nähe zum Patienten“, so der KBV-Vorstandsvorsitzende Andreas Gassen. Das Gros der Krankenkassen experimentiert derzeit mit eigenen elektronischen Gesundheitsakten, die nach Paragraf 68 SGB V nicht den strengen Regeln von Gematik und BSI entsprechen müssen. Die elektronische Patientenakte wiederum unterliegt den in Paragraf 291a geforderten technischen Anforderungen mit deutlich strengeren Spezifikationen. Die Krankenkassen arbeiten nun daran, ihre elektronischen Gesundheitsakten so aufzustellen, dass sie den Anforderungen der ePa entsprechen. Ausgang ungewiss.

Dass die Patienten der Digitalisierung im Gesundheitswesen grundsätzlich offen gegenüber eingestellt sind, zeigt etwa der Erfolg von docdirekt, einem Projekt der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg, bei dem sich GKV-Versicherte telemedizinisch beraten und behandeln lassen können. Eine jüngste repräsentative Umfrage der Bitkom ergibt, dass auch der KI-Einsatz bei Gesundheitsdaten zur Früherkennung von Krankheiten positiv gesehen wird. 60 Prozent würden Methoden der Datenanalysen in Anspruch nehmen. Das sind leise Töne der Zustimmung.