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„Wir wollen weg vom Perfektionismus“

Wenn man eine Idee hat, soll man lieber starten als sich zu lange Gedanken machen – sagt Jessica Könnecke und hat genau das getan.

Wenn man eine Idee hat, soll man lieber starten als sich zu lange Gedanken machen – sagt Jessica Könnecke und hat genau das getan.

Die Idee ist simpel und trifft den Zeitgeist perfekt. Jessica Könnecke gibt nachhaltigen und fairen Produkte mit kleinen "Schönheitsfehlern" eine zweite Chance. Über ihren Online-Shop „Mit Ecken und Kanten“ bietet die 26-jährige Nürnbergerin diese Artikel zu einem rund 40 Prozent günstigeren Preis an. Über die Entwicklung ihres Start-ups und die dahinterstehende Philosophie erzählt die Gründerin dzw-Redakteurin Katrin Ahmerkamp im Interview.

Jessica, Sie haben sich vor etwa zwei Jahren selbstständig gemacht mit Ihrem Green-Lifestyle-Outlet. Was verkaufen Sie dort?

Jessica Könnecke: Wir haben mit einem relativ kleinen Sortiment angefangen und sind mittlerweile so weit, dass wir Produkte für viele Alltagsbereiche anbieten können. Unsere Palette reicht von fair produzierter Mode über Taschen bis hin zu Naturkosmetik, Schmuck oder Foodies.

Wie und wann sind Sie auf die Idee für dieses Outlet gekommen? Sie treffen da ja gerade wunderbar den Nerv der Zeit.

Könnecke: Ich habe einige Monate nach meinem Masterstudium gegründet. Meinen Master in internationalem Marketing hatte ich in Schweden gemacht und bin dann nach dem Abschluss zurück nach Nürnberg gegangen, wo ich auch herkomme. Ich stand vor der Entscheidung, wo ich beruflich hinmöchte. Für mich war klar, dass ich nicht in einem großen Konzern arbeiten will, außerdem war mir wichtig, für ein Unternehmen zu arbeiten, das nachhaltig agiert und bei dem ich mich einbringen kann, um unsere Gesellschaft ein Stück nachhaltiger zu machen. Dieses Thema beschäftigt mich nämlich inzwischen seit 2015. Ausgelöst durch den Film „The True Cost. Der Preis der Mode“ von Andrew Morgan, den ich jedem empfehlen kann, der sich mit diesem Komplex auseinandersetzen möchte.

Während eines zweimonatigen Aufenthalts In Berlin im Sommer 2017 war ich viel auf Künstlermärkten unterwegs, wo kleine Unternehmer und Handwerker ihre Produkte verkaufen, Schmuck beispielsweise oder Keramik. Dort ist mir aufgefallen, dass einige Hersteller unter ihrem Stand kleine Kisten mit den „Mängelexemplaren“ stehen hatten, die nicht in den Verkauf gingen. Tassen mit kleinen Bläschen, weil beim Brennen etwas schiefgelaufen war. Oder Schmuckstücke, die nicht perfekt abgeschliffen waren. Daraufhin habe ich recherchiert, Unternehmen angeschrieben und nach Produkten mit kleinen Macken gefragt. Das Feedback war gut. Ich habe gesehen, dass es noch keine Plattform dafür gibt, und mir gesagt: Dann schaffe ich eben eine. So ist dann mein Shop im November 2017 online gegangen.

Hinter der Idee, diese Produkte mit kleinen Mängeln anzubieten, steckt ja auch eine Philosophie. Welche?

Könnecke: Der Claim unseres Shops ist „Why so perfect, honey?” – wir wollen weg vom Perfektionismus hin zum „Nicht-perfekt-sein-Müssen“. Diese Idee betrifft natürlich nicht nur Produkte, sondern auch uns Menschen. Unsere Gesellschaft ist getrimmt darauf, dass wir auch als Menschen immer perfekt sein müssen, sei es vom Aussehen her, sei es von der Leistung her. Das wollte ich infrage stellen, warum muss das so sein?

Gerade in Deutschland ist der Anspruch ja sehr hoch, die Verbraucher schicken Waren mit kleinen Mängeln sofort zurück. Da wollen wir ein Zeichen setzen und die Konsumenten dahin „erziehen“, dass sie sagen: „Wir müssen keine perfekten Produkte konsumieren“. Momentan wird ja sehr deutlich, dass wir etwas ändern müssen in Bezug auf Nachhaltigkeit und unseren Planeten. Die Rohstoffe, die eh schon verarbeitet worden sind, müssen wir verwenden – und nicht mehr so viel wegwerfen.

Wenn Sie jetzt zurückblicken auf diese Gründungszeit – von der Idee bis zur Realisierung – was waren die größten Hürden?

Könnecke: Die erste Frage ist natürlich: Wie bekomme ich meine Idee überhaupt „nach draußen“, wie erfahren die Leute davon? Da ist social media mittlerweile super, weil du kein großes Kapital brauchst, um deine Idee bekannt zu machen, du musst nur Zeit investieren.

Die zweite Frage ist: Wie bekomme ich am Anfang finanzielle Unterstützung? Ich habe die Plattform relativ schnell in ein paar Monaten aufgebaut, dabei hatte ich durch die beteiligten Unternehmen guten Support. Ich musste die Produkte am Anfang nicht kaufen, sondern bekam sie auf Kommissionsbasis.

Eine weitere Frage für uns war dann: Wie baut man eigentlich einen Online-Shop? Das habe ich zusammen mit meinem Freund gemacht, wir haben uns da eingearbeitet und ganz viele Stunden investiert. Letztlich war es nicht perfekt, aber wir haben es hinbekommen.

Die Philosophie vom „Unperfekt-Sein“, finde ich, kann man auch gut aufs Gründen übertragen. Wenn man eine Idee hat, soll man lieber starten, anstatt ewig zu warten und sich Gedanken zu machen. Wie kommt die Idee an? Kaufen die Leute die Produkte? Das erfährt man doch sowieso erst, wenn man es ausprobiert.

Man muss klein beginnen, glaube ich. Ich habe ein Jahr lang alles im Keller meines Elternhauses verpackt und von dort verschickt. Dann habe ich den nächsten Step gemacht und mir eine Ladenfläche und ein Lager dazugemietet.

Wie stelle ich mir Ihr Unternehmen heute vor? Wie groß ist Ihr Team inzwischen? Können Sie davon leben?

Könnecke: Ich habe von Anfang an meine ganze Zeit in dieses Unternehmen investiert und kann inzwischen davon leben. Wir bauen gerade ein Team auf, zwei Werkstudentinnen, eine Teilzeitkraft und eine Praktikantin. Wir sind also bald zu sechst und werden nächstes Jahr im Januar in ein größeres Lager mit mehr Ladenfläche und Büro umziehen. Hier platzen wir inzwischen aus allen Nähten. Mir war es von Anfang an wichtig, organisch zu wachsen, ein Team aufzubauen mit Leuten, die von der Idee genauso überzeugt sind wie wir, sodass wir die Philosophie auch innerhalb des Unternehmens leben.

Sie haben gerade erzählt, dass das Thema Nachhaltigkeit Sie schon einige Zeit beschäftigt, Sie bloggen auch dazu. Was wäre Ihr wichtigster Tipp, um den eigenen Alltag anders zu gestalten?

Könnecke: Die Dinge verwenden und konsumieren, die wir schon besitzen. Dieser Grundsatz lässt sich auf alle Lebensbereiche übertragen. Beispielsweise beim Thema Mode: einfach mal in den Kleiderschrank schauen, was ich eigentlich an Kleidungsstücken besitze. Wir haben oft so viel gekauft, was dann ganz hinten im Schrank liegt, wir wissen gar nicht mehr, dass wir die Klamotten überhaupt haben. Das Gleiche kann man in der Küche machen: der berüchtigte Vorratsschrank – gucken, was man dort so alles findet, bevor man das nächste Mal einkaufen geht.

Ein zweiter Schritt wäre dann zu schauen, wie Produkte, die nicht so nachhaltig sind, ersetzt werden können.

Uns interessiert natürlich die Nachhaltigkeit in Sachen Zahnpflege – was haben Sie dafür im Sortiment?

Könnecke: Bambuszahnbürsten bieten wir dauerhaft an – und vegane feste Zahnpasta.

Herzlichen Dank für das Gespräch, liebe Jessica. Und alles Gute für die Zukunft.