Dank moderner Abformmaterialien und Dentalgipsen, die in ihrer Expansion exakt steuerbar sind, lassen sich Modelle fertigen, die in puncto Präzision ihresgleichen suchen. Kaum ein anderer Werkstoff hat die Geschichte der Zahntechnik so geprägt wie Dentalgips. Die ersten dentalen Anwendungen finden sich im Jahr 1770, wo der Hofzahnarzt Friedrichs des Großen Gips als Modellmaterial bei der Herstellung von Zahnersatz verwendete. 1840 wurde Gips erstmalig als Abdruckmaterial benutzt.
Trotz der Entwicklungen im Bereich intraorale Scanverfahren gibt es bislang nur wenige Verfahren oder Werkstoffe, die mit dem klassischen Gipsmodell in Präzision und Wirtschaftlichkeit konkurrieren können. Grundvoraussetzung zum Erreichen dieser Präzision ist allerdings die sachgerechte Handhabung des Gipses. Trotz der jahrzehntelangen bewährten Anwendung in der Zahntechnik, gibt es immer wieder Missverständnisse bei der sachgerechten Verarbeitung von Dentalgipsen. Bei Beachtung der nachfolgenden „10 Gipsgebote“ sollte der Anfertigung eines Präzisionsmodells nichts im Wege stehen.
1. Vorbereitung
Voraussetzung für ein optimales Ansetzen der Gipsmischung sind saubere Arbeitsgeräte ohne Rückstände (Abb. 1). Verunreinigungen würden zu negativen Veränderungen von Abbindezeit und Expansion der angesetzten Mischung führen. Der Gips sollte möglichst unter Vakuum und im abgewogenen Wasser-/Gipsverhältnis angemischt werden, wobei der Gips in das Wasser eingestreut wird. Ein Abmessen von Wasser und Gips nach Gefühl führt automatisch zu großen Schwankungen und einem schlechten Ergebnis.
2. Anmischwasser
Dentalgipse sollten grundsätzlich mit destilliertem Wasser in Raumtemperatur angerührt werden (Abb. 2). Leitungswasser ist aufgrund seiner schwankenden Temperatur und unterschiedlichen Härtegrade nicht zu empfehlen. Im Leitungswasser sind Mineralien sowie Chloride, Sulfate und Karbonate enthalten. Durch diese Bestandteile kann die Kristallisation des Gipses negativ beeinflusst und die Qualität des Dentalgipses entsprechend vermindert werden.
3. Einstreuen
Der Gips wird zügig und gleichmäßig innerhalb von 10 Sekunden ins Wasser eingestreut. Nach einer Sumpfzeit des Gipses von 20 Sekunden wird die Masse manuell durchgespatelt und anschließend in einem Vakuumgerät angemischt. Rein manuelles Anmischen erfordert 60 Sekunden, maschinelles 30 Sekunden Rührzeit. Das Nachschütten von Wasser oder Gipspulver, bei zu dünner oder dicker Konsistenz, greift in den Abbindeprozess ein und schädigt das Kristallgefüge des Gipses.
4. Ausgießen der Abformung
Es wird nur die Menge angerührt, die für zwei bis drei Abdrücke reicht, wobei mit dem Ausgießen sofort nach dem Anmischen begonnen werden sollte. Grundsätzlich sollte der Dentalgips unter leichtem Vibrieren in kleinen Portionen von der Seite der Abformung eingefüllt werden, damit weder Luft noch überflüssiges Wasser eingeschlossen werden können (Abb. 3). Weiterhin wirkt sich der Einsatz eines Rüttlers positiv auf die Fließfähigkeit und Druckfestigkeit des Gipses aus. Nach dem Ende der Verarbeitungszeit darf nicht mehr vibriert werden, da ansonsten die Bildung der Kristalle behindert und damit die Festigkeit des Gipses geschwächt wird. Es ist empfehlenswert, während der Erstarrung des Dentalgipses die ausgegossene Abformung mit den Zahnkronen nach unten zu legen. Durch die bessere Sedimentation wird die optimale Gipshärte erreicht und das Austrocknen kann über die größere Oberfläche zügig erfolgen (Abb. 4).
5. Gips beschneiden und modellieren
Dentalgipse werden auf eine exakte Abbindezeit eingestellt. Beträgt bei Modellhartgipsen zum Beispiel die Abbindezeit (Erstarrungsende) 10 bis 12 Minuten, kann der Gips etwa 5 Minuten verarbeitet werden (etwa die halbe Erstarrungszeit). Verliert der Gips seinen Oberflächenglanz, kann er zirka 1 Minute lang modelliert werden. Danach setzt die Erstarrungszeit ein, in der keine Bearbeitung mehr erfolgen darf, um den Prozess der Kristallbildung nicht zu beeinflussen.
6. Entformung
Das erstarrte Modell sollte auf keinen Fall vor Ablauf von 30 Minuten nach dem Eingießen aus der Abformung genommen werden. Alginat- und Hydrokolloidabformungen sollten nach dem Desinfizieren, Reinigen und Neutralisieren wegen der fehlenden Volumenbeständigkeit sofort mit Gips ausgegossen werden. Ihr Verhalten gegenüber Dentalgips ist aggressiv, darum sollte die Entformung nach 30 Minuten vorgenommen werden. Bei anderen Abdruckmaterialien wirkt sich eine spätere Modellentnahme bis zu einer Stunde positiv aus.
7. Die Abbindeexpansion
Am Ende der Erstarrungszeit dehnt sich jeder Gips aus. Beeinflusst wird die Höhe dieses Vorgangs durch die Gipszusammenstellung, Umgebungstemperatur oder Luftfeuchtigkeit. Vergleichende Messungen der Expansion können nur unter gleichen Bedingungen gemäß DIN EN ISO 6873 durchgeführt werden. In der Praxis zeigt es sich, dass eine gewisse Expansion erforderlich ist, um die Kontraktion anderer Werkstoffe anzugleichen. Wird das Modell bei Raumtemperatur und niedriger Luftfeuchtigkeit längere Zeit gelagert, sinkt die Expansion. Beim Wässern des Modells, was manchmal erforderlich ist, steigt die Expansion des Gipses dann wieder geringfügig an.
8. Vorbereiten des Abdrucks
In der Laborpraxis treten immer wieder Probleme zwischen den verschiedenen Abformmassen und Dentalgipsen auf. Zum Beispiel sind Abdrücke aus Alginat nur bedingt lagerstabil. Sie beginnen sehr rasch durch Feuchtigkeitsabgabe zu schrumpfen und verlieren so ihre Präzision. Weiterhin kann es bei diesem Abformwerkstoff, durch Freisetzung von Alginsäure, zu einer Kontaktreaktion zwischen Abformmaterial und Gips während der Abbindung kommen (Abb. 5). Die austretende Säure stört den Abbindeprozess und die Oberflächegüte des Modells wird beeinträchtigt. Durch den Einsatz geeigneter Mittel zur Oberflächenneutralisation (zum Beispiel Neutralgin, Ernst Hinrichs Dental) kann die Alginsäure gebunden werden und eine optimale Modelloberfläche erreicht werden.
Zahlreiche Abformsilikone bestehen aus hydrophobem (aus dem Griechischen, wörtlich: wasserfürchtend) Silikon und erlauben Flüssigkeiten nur bedingt, eine Oberflächenbenetzung zu erreichen (Abb. 6). Der angemischte Dentalgips wirkt beim Ausgießen wie eine Flüssigkeit, und es kann zu Zeichnungsungenauigkeiten am Gipsmodell kommen. Hier schaffen Produkte Abhilfe, die zur Oberflächenentspannung auf das Silikon aufgetragen werden und zu einer Hydrophilisierung der Silikonoberfläche führen (beispielsweise Hinrisol, Ernst Hinrichs Dental).
Abformungen aus Polyether haben von Haus aus eine hydrophile Oberfläche und benötigen somit keine spezielle Oberflächenkonditionierung. Die Abformung muss lediglich vor dem Ausgießen mit Wasser benetzt werden, sodass eine leicht feuchtglänzende Oberfläche ohne Pfützenbildung vorliegt. Durch die Affinität des Polyethers zu Flüssigkeiten würde sich der Gips in einem trockenen Abdruck stark mit der Oberfläche verzahnen, sodass beim Entformen leichte Schäden an der Modelloberfläche entstehen würden (Abb. 7).
9. Sägen und Präparieren
Das Sägen, Präparieren und Beschleifen der Zahnkränze sollte am besten innerhalb von zwei Stunden nach dem Entformen erfolgen (Abb. 8). Müssen Modelle zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt gesägt oder präpariert werden, kann man durch kurzes Wässern Abplatzungen verhindern.
10. Ausbrühen, Abdampfen und Reinigen
Die laborüblichen und oft unvermeidlichen Behandlungen müssen mit großer Vorsicht durchgeführt werden. Modelle aus Dentalgipsen dürfen keinen schockartigen Temperaturänderungen ausgesetzt werden. Abdampfen zu Reinigungszwecken kann außerdem zu einem Oberflächenabtrag führen. In vielen Fällen ist das Säubern mit einer weichen Bürste und Seifenlauge eine alternative Methode. Um Abplatzungen oder gar die völlige Zerstörung des Modells zu verhindern, ist ein vorheriges Tempern für einige Minuten in etwa 50 Grad Celsius warmem Wasser zu empfehlen (Abb. 9).