Wie gehen Zahnarztpraxen in Deutschland mit der gegenwärtigen Coronakrise um? Welche Auswirkungen haben der Shutdown und die nun einsetzenden Lockerungsregelungen auf sie? Wir möchten gerne einen möglichst authentischen Einblick in den Praxisalltag von Kolleginnen und Kollegen geben und freuen uns, wenn auch Sie uns aus Ihrem Praxisalltag berichten möchten. Dafür können Sie Kontakt mit der Redaktion aufnehmen (redaktion@dzw.de).
Wir sprachen mit dem Ehepaar Dr. Theodor und Maria Paeßens von Paeßens Zahnwelten, einem inhabergeführten ZMVZ mit mehreren Standorten am Niederrhein.
Wie ist die derzeitige Auslastung in Ihren Praxen in Kalkar, Kleve und Kevelaer?
Dr. Theodor Paeßens: Vielen Dank für die Nachfrage. Wir können nicht klagen, derzeit haben wir eine Auslastung von etwa 80 bis 90 Prozent, was sehr erfreulich ist. Nach anfänglicher Verunsicherung halten die Patienten ihre Termine jetzt weitestgehend ein. Es ist aber weiterhin so, dass Patienten, deren Termin vor der Corona-Krise vereinbart wurden, von uns kontaktiert werden, um diesen zu bestätigen.
Das heißt, Sie behandeln derzeit nicht nur Schmerzpatienten?
Maria Paeßens: Wir führen derzeit alle Behandlungen durch mit Einschränkungen in der Prophylaxe. Wir haben sehr frühzeitig auf die sich anbahnende Situation reagiert und strenge Sicherheitsvorgaben sowohl für unsere Patienten als auch für die Mitarbeiter umgesetzt. Über die gesetzlichen Vorgaben hinaus messen wir zum Beispiel vor Behandlungsbeginn die Körpertemperatur der Patienten, getreu unserem Motto: „Ihre Gesundheit liegt uns sehr am Herzen“. Das kommt bei unseren Patienten sehr gut an, und nicht nur bei ihnen. Wir haben viele Neupatienten gewonnen, weil deren Hauszahnarzt die Praxis gar nicht oder nur eingeschränkt geöffnet hatte.
Wie verhalten sich die Patienten? Kann man da eine Veränderung erkennen?
Theodor Paeßens: Die Patienten halten sich alle an die Abstandsregeln und sind sehr vorsichtig. Ohne Zweifel besteht derzeit eine Verunsicherung. Regelmäßig bekommen wir Anfragen, ob wir behandeln können und dürfen. Deshalb sind die Kommunikation und die zahnärztliche Aufklärung über die Situation jetzt sehr wichtig. Auch wir haben zahlreiche aufschiebbare Behandlungen in die zweite Jahreshälfte verlegt.
Wie sehen Ihre Schutzmaßnahmen konkret aus?
Maria Paeßens: Alle Patienten müssen vor der Behandlung einen ausführlichen Risikofragebogen ausfüllen und sich die Hände im Eingangsbereich desinfizieren, in Kevelaer haben wir dafür eine dauerhafte Händewasch- und Desinfektionsstation errichtet. Die Wartebereiche haben wir entzerrt, und zusätzlich machen wir die Temperaturkontrolle. Wichtig ist uns zudem die viruzide Wasseraufbereitung, die keim- und virusfreies Wasser an allen Standorten und Entnahmestellen gewährleistet. Bei Verdachtsfällen und unklaren Befunden werden die Patienten drei Wochen später wieder einbestellt, sofern dies möglich ist. So konnten wir Infektionsfälle in unseren Praxen bislang glücklicherweise verhindern.
Bei Ihnen besteht kein Mangel an Schutzausrüstung und Desinfektionsmitteln?
Theodor Paeßens: Mit beidem sind wir gut ausgestattet. Die Praxismitarbeiter tragen bei der Behandlung FFP2-Masken und darüber einen Mund-Nasen-Schutz, dazu Schutzbrille und Visier, Haarschutz und Handschuhe. Den Rest macht die gute Absaugung. Die Patienten bekommen Überzieher für die Schuhe und einen herkömmlichen Mundschutz.
Maria Paeßens: Wir haben sehr frühzeitig begonnen, zusätzlich zu unseren gut gefüllten Beständen Schutzkleidung, vor allem FFP2-Masken zu ordern. Wir hatten auch Glück, dass sich unser Lieferant an die Absprachen gehalten hat und unser Jahreskontingent wie vereinbart ausgeliefert hat. Hier haben wir als Praxisverbund sicherlich einen Vorteil gegenüber einem Einzelkämpfer. Gerne haben wir andere Praxen in der Umgebung mit der Bereitstellung von Schutzausrüstung unterstützt.
Fühlen Sie sich vonseiten der zahnärztlichen Interessenvertretung und Politik in der derzeitigen Krise gut vertreten?
Theodor Paeßens: Aus meiner Sicht findet eine Unterstützung der Zahnärzteschaft im Speziellen durch die Politik nahezu nicht statt. Die eigene Kammer und Lobby halten sich eher bedeckt und äußern sich nicht klar. Welche Art von Rettungsschirm ausgehandelt wurde, konnte meines Erachtens überhaupt nicht vermittelt werden. Die Covid-19-Pauschale für den GOZ-Bereich erachte ich als nicht ausreichend, da sich die neuen Verhaltensmaßregeln am Ende auf die Gesamtbehandlung auswirken und einen deutlichen zeitlichen Mehraufwand bedeuten. Die Anwendung der Steigerungssätze wäre in meinen Augen sehr hilfreich gewesen. Unsere Kammern waren in keinster Weise auf eine Pandemiesituation vorbereitet, die wenigen Schutzmasken, die verteilt wurden, waren ein Witz. Hinzu kommt die Verunsicherung über die Möglichkeit der Kurzarbeit in Zahnarztpraxen. Sehr gelungen war hingegen der kollegiale Austausch vor Ort und im Allgemeinen.
Mit welchem Gefühl schauen Sie in die Zukunft?
Maria Paeßens: Wir sind sehr optimistisch, dieses Jahr noch zu einem guten Abschluss zu bringen und das derzeitige Defizit aufzuholen. Hilfreich dabei wird sicherlich auch die Anhebung der Festzuschüsse für Zahnersatz zum 1. Oktober sein. Die derzeitigen Kontaktverbote bedeuten eine höhere Sicherheit in der Patientenbehandlung. Zu uns können auch Covid-19-Risikopatienten kommen, ein Zahnarztbesuch bei uns war immer sicher und ist es in diesen Zeiten jetzt besonders.