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ILA bei Patienten mit „Angst vor der Spritze“

In der Reihe Stichpunkt Anästhesie von Lothar Taubenheim geht es um Schmerzausschaltung bei angstbezogenem Verhalten – Patientengut (7): ILA bei Patienten mit „Angst vor der Spritze“. 

Grundsätzlich ist die intraligamentäre Anästhesie (ILA) für alle Patientenkategorien anwendbar. Sie beeinträchtigt den Patienten in der Regel weniger als die konventionellen Methoden der Lokalanästhesie – Infiltrations- und Leitungsanästhesie des N. alveolaris inferior. Für die Behandlung von Patienten mit “Spritzenangst” – primär ein psychologisches Problem – ist sie die Methode der Wahl.

Angstbezogenes Verhalten ist seit Jahren als der schwierigste Aspekt der Patientenbeziehung anerkannt und kann eine richtige Barriere für eine gute Behandlung sein [1] (Milgrom et al. 1997).

 Eine allgemeine Angst vor zahnärztlichen Injektionen, einschließlich Injektionsschmerz und Angst vor körperlichen Beeinträchtigungen durch die Injektion, sind die am meisten verbreiteten Dimensionen der Angst vor der Spritze – der Spritzenangst. Nicht nur bei Kindern und geistig Behinderten tritt dieses Phänomen auf, es ist durchaus auch bei sonst unauffälligen Erwachsenen zu finden.

Diese „Angst vor der Spritze“ kann sich zu einer manifesten Spritzenphobie steigern, die sich dann auch in einer Behandlungsverweigerung ausdrücken kann. Die Ursachen können sowohl physische als auch psychische sein; in vielen Fällen ist es sicher eine Kombination von beiden. Möglicherweise schon lange zurück liegende Erfahrungen mit einer unvollständigen Anästhesie – und den folgenden Schmerzen der Behandlung –, der Geruch des Anästhetikums und das Aussehen der Injektionsspritze, die Erwartung des Einstichschmerzes verbinden sich zu einer Aversion gegen die „Spritze“ – in diesem Fall als Synonym für Lokalanästhesie.

Spritzenangst des Patienten aktiv abbauen

Die intraligamentäre Anästhesie eröffnet heute dem Behandler eine Möglichkeit, die Spritzenangst des Patienten aktiv abzubauen.

Bei Beherrschung der Methode und der Anwendung sensibler Instrumentarien – mechanischen oder elektronisch gesteuerten – eröffnet die intraligamentäre Anästhesie dem behandelnden Zahnarzt einen Zugang zu seinem Angstpatienten, der in solcher Form im letzten Jahrhundert – auch wegen fehlender sensibler Spritzensysteme – nicht gegeben war.

Die heute verfügbaren zierlichen Spritzensysteme für intraligamentale Injektionen, zum Beispiel der „Zauberstab“ (The Wand) oder die Dosierradspritze SoftJect, sind ein Schlüssel dazu, selbst zu Phobiepatienten einen bisher verschlossenen Zugang zu öffnen. Ein hohes Maß an Einflussmöglichkeit hat natürlich der Behandler selbst. Von seinem psychologischen Einfühlungsvermögen und manuellem Geschick hängt es ab, ob der Patient seine Befürchtungen bestätigt findet oder seine Angst als unbegründet abbaut.

Bei einem Angstpatienten empfiehlt sich folgendes Schema zur Erreichung einer erfolgreichen intraligamentären Anästhesie als Voraussetzung der sich anschließenden Therapie:

  • Dem Patienten angepasste Darstellung von Methode, ILA-Injektionssystem und Wirkung – die intraligamentäre Anästhesie ist auch für den Patienten neu.
  • Desensibilisierung des Injektionsortes durch Ablegen eines – wirklich nur eines – Tropfens Anästhetikum (mit Adrenalin-Zusatz) auf den Gingivalsaum (Oberflächenanästhesie), wo die Kanüle in den Desmodontalspalt eingeführt werden soll (Abb. 1).
  • Verwendung feiner Injektionsnadeln (0,3 mm = 30 G) und gute Kanülenführung (Abstützung des Applikationsapparates) zur absoluten Vermeidung eines Einstichschmerzes.
  • Punktgenaue Einführung der Kanüle in den Desmodontalspalt (Abb. 2).
  • Den anatomischen Gegebenheiten des Patienten angepasste – sehr langsame – intraligamentale Injektion.

ILA Angst vor Spritzen

Die intraligamentale Injektion verursacht infolge der durchgeführten Desensibilisierung (Oberflächenanästhesie) des Gingivalsaums am Injektionsort, der feinen Kanülen und der sicheren Führung des Injektionsapparats durch den Behandler – in der Regel – keinen Einstichschmerz. Der erste Schritt zum Abbau des Phänomens Spritzenangst des Patienten ist getan. Dennoch, so geben Heizmann und Gabka (1994) zu bedenken, sind auch Injektionsapparate, die nicht aussehen wie Spritzen, zwar für die Vorstellung des Patienten vorteilhaft, aber sie bleiben bei überängstlichen Patienten dennoch Spritzen [2].

Dass der Patient – nach Abschluss der Behandlung unter intraligamentärer Anästhesie – keine Beeinträchtigungen spürt: keine Taubheit von Wange, Zunge und Lippen, bestätigt die Ausführungen seines Zahnarztes, dem er sich anvertraut hat, und fördert sein Vertrauen.

Lothar Taubenheim, Erkrath

 

Literatur

[1] Milgrom. P.; Coldwell, SE.; Getz, T.; Weinstein, P.; Ramsay, DS.: Four Dimensions of fear of dental injections. J Am Dent Assoc 1997; 128: 756-762.
[2] Heizmann, R; Gabka, J.: Nutzen und Grenzen der intraligamentären Anaesthesie. Zahnärztl Mitt  84, 46-50 (1994).