Vor diesem Hintergrund rückt die Frage des zwangsläufig gebotenen Umgangs mit der neuen Situation in den Fokus. Jeder Praxisinhaber sollte sich Gedanken dazu machen, welche „Netzpolitik“ er für seine Praxis verfolgt. Wer die Herausforderung der Bewertungsportale nicht nur als Belastung, sondern auch als Chance begreift, für den kann die gezielte Nutzung der neuen Kommunikationsmittel durchaus Vorteile bringen.
Online-Bewertung und der Einfluss auf die Arztwahl
Portale und Nutzungsverhalten: Bewertungsportale für deutsche Ärzte und Zahnärzte im Internet existieren seit Anfang der 2000er-Jahre. Derzeit gibt es annähernd 20 verschiedene Arzt- und Zahnarztbewertungsportale, wobei allgemeine Suchportale wie Google oder Yelp ebenfalls die Möglichkeit zur Bewertung von Medizinern anbieten. Der Frage, wie stark Arztbewertungsportale tatsächlich die Arztwahl beeinflussen, lässt sich auf einen ersten Blick anhand verschiedener im Internet veröffentlichter Studien zu diesem Thema nahekommen.
Nutzungshäufigkeit noch zurückhaltend, aber steigend
Betrachtet man die Gruppe aller Patienten, so scheint die Nutzung von Arztbewertungsportalen bislang noch zurückhaltend zu sein. So ergab eine telefonische Versichertenbefragung im Auftrag der KBV aus dem Jahr 2011, dass lediglich 10 Prozent der Befragten schon einmal ein Arztbewertungsportal benutzt hatten (2010: 7 Prozent) [1]. Die Studie liegt allerdings fünf Jahre zurück. Berücksichtigt man hingegen die Gruppe der Deutschen, die das Internet benutzen, zeigt sich ein anderes Bild.
Nicht zu unterschätzender Einfluss
So ergab eine im Januar 2013 durchgeführte Querschnittstudie der Universität Erlangen-Nürnberg mit 1.505 Online-Teilnehmern im Alter von unter 20 bis über 70 Jahren, dass 32 Prozent der Befragten Arztbewertungsportale kannten und 25 Prozent aller Teilnehmer Arztbewertungsportale schon einmal aktiv bei der Arztsuche genutzt hatten [2]. Von den 25 Prozent, die ein Arztbewertungsportal genutzt hatten, gaben mehr als 65 Prozent an, sich aufgrund der veröffentlichten Bewertungen für einen Arzt entschieden zu haben, und 52 Prozent, aufgrund negativer Bewertungen einen Arzt nicht aufgesucht zu haben. Hieran ist zu erkennen, dass der Einfluss von Arztbewertungsportalen nicht zu unterschätzen ist.
Gesundheitlich Interessierte deutlich stärker vertreten
Nach einer im März 2014 durchgeführten Studie der Stuttgart Media University und des Unternehmens Digital Healthcare Research & Consulting, bei der rund 3.000 Teilnehmer auf 19 verschiedenen Online-Gesundheitsportalen rekrutiert wurden, nutzten sogar mehr als 51 Prozent der Befragten Internetseiten mit Patientenbewertungen [3]. Im Feld der gesundheitlich interessierten Internetnutzer ist somit der Anteil derer, die Bewertungsportale verwenden, noch größer.
Zahl der Bewertungen stark steigend
Hinzuweisen ist auf eine weitere Studie der Universität Erlangen-Nürnberg, die sich mit der Bewertung von Zahnärzten auf dem Portal „Jameda“ in den Jahren 2012 bis 2013 beschäftigte [4]. Danach waren bis zum Jahr 2013 44,57 Prozent aller deutschen Zahnärzte mindestens einmal auf „Jameda“ bewertet, wobei sich die Anzahl der abgegebenen Bewertungen von 2012 bis 2013 um 65 Prozent erhöht hatte. Insoweit ist eine zunehmende Bewertungsaktivität zu verzeichnen.
Auf dem Weg zum „World Wide Wartezimmer“
Der wachsenden Bedeutung von Bewertungsportalen steht die Ansicht der überwiegenden Mehrheit der deutschen Zahnärzte gegenüber. Nach einer im Jahr 2012 durchgeführten Studie maßen 71,2 Prozent der Zahnärzte der Praxisbewertung auf einem Portal geringe bis keine Bedeutung zu [5]. Immerhin schätzten mehr als 40 Prozent der Befragten die Bedeutung von Bewertungen im Internet in der Zukunft als groß oder eher groß ein.
Aufgrund weltweiter Studien wird davon ausgegangen, dass 80 Prozent aller „Onliner“ in westlichen Industrieländern das Internet zu Gesundheitsthemen verwenden [6]. Für Deutschland bedeutet dies eine Anzahl von etwa 40 Millionen Nutzern. Im Zeitalter von Amazon, TripAdvisor und GoLocal ist darüber hinaus zu erwarten, dass Bewertungsportale im medizinischen Bereich weiterhin an Bedeutung gewinnen werden. Schon wird vom „World Wide Wartezimmer“ gesprochen, in dem für Patienten Informationen zu allen möglichen Themen der gesundheitlichen Versorgung online verfügbar sind. Dies sollte von Zahnärzten nicht unterschätzt werden.
Bewertungsportale als Informationsinstrument
In rechtlicher Hinsicht war lange Zeit die Frage der Zulässigkeit von Bewertungsportalen ein Thema. Die Zulässigkeit von Arztbewertungsportalen stellte der Bundesgerichtshof (BGH) in einer Grundsatzentscheidung 2014 fest (BGH, Urteil vom 23. September 2014, Az.: VI ZR 358/13, „Ärztebewertung II“). Im Mittelpunkt stand die Frage, ob ein Arzt von dem Betreiber einer Bewertungsplattform die vollständige Löschung seines Profileintrags verlangen konnte. Der betroffene Arzt argumentierte, dass die Einstellung seiner Daten in das Portal (etwa Name, Fachrichtung, Praxisanschrift) gegen datenschutzrechtliche Vorschriften verstoße und daher ein Löschungsanspruch seinerseits bestehe.
BGH: „Ganz erhebliche Interesse“ an Informationen über ärztliche Dienstleistungen
Der BGH lehnte den Anspruch auf Löschung ab, da aus seiner Sicht keine unzulässige Speicherung von Daten vorgelegen habe. Zu diesem Ergebnis gelangte der BGH nach Abwägung der sich gegenüberstehenden Rechtspositionen des Arztes und des Portalbetreibers. Hierbei betonte der BGH das „ganz erhebliche Interesse, das die Öffentlichkeit an Informationen über ärztliche Dienstleistungen hat“. Das Portal sei geeignet, zu mehr Leistungstransparenz im Gesundheitswesen beizutragen, auch wenn die Bewertungen typischerweise nicht von Fachleuten herrührten und subjektiv geprägt seien. Die subjektive Einschätzung, die in den Bewertungen zum Ausdruck komme, könne anderen Personen Hilfestellung bei der Entscheidung geben, welcher Arzt den Anforderungen für die gewünschte Behandlung und auch den persönlichen Präferenzen am besten entspreche.
Mit dieser Entscheidung ist vorgegeben, dass Zahnärzte die Existenz von Bewertungsportalen grundsätzlich hinzunehmen haben. Berücksichtigt man das Vorgehen der Portalbetreiber, Profile von Ärzten und Zahnärzten auf Basis von im Internet oder andernorts veröffentlichten Daten zusammenzustellen und für Bewertungen freizuschalten, kann sogar die Situation entstehen, dass ein Zahnarzt zunächst gar nichts von der eigenen Bewertung im Internet durch Patienten weiß.
Strategie zur Darstellung des eigenen Profils entwickeln
Da es gewissermaßen kein „Entrinnen“ vor Bewertungsportalen gibt, erscheint es sinnvoll, sich mit einer möglichen Strategie zur Darstellung des eigenen Profils zu befassen und sich über den richtigen Umgang mit negativen Bewertungen zu informieren. Mehr dazu in den folgenden Teilen dieser kleinen Serie.