Benigne Schleimhautveränderungen und maligne Transformation
HP-Viren sind als Verursacher harmloser Hautwarzen, aber auch von anogenitalen Läsionen bis zu intraepithelialen Dysplasien und Karzinomen der Cervix uteri und der Vulva bekannt. HPV ist in den westlichen Industriestaaten heute die häufigste sexuell übertragene Infektion. Vertreter dieser Virusgruppe können sowohl Haut als auch Schleimhaut befallen und sind keineswegs auf die genannten Lokalisationen beschränkt.
HPV-Infektionen stehen vielmehr auch in engem Zusammenhang mit der Entstehung squamöser Neoplasien des Nasopharynx, des Larynx, der Trachea, der Tonsillen und vor allem auch des Oropharynx. Immerhin sind bis zu 70 Prozent der Plattenepithelkarzinome im Mund-/Rachenraum mit HPV-Infektionen assoziiert und damit auch von großem zahnmedizinischem Interesse.
Nicht jede HPV-Infektion führt zu Zellproliferation
HPV sind 55 Nanometer große, doppelsträngige behüllte DNS-Viren aus der Familie der Papillomaviridae. Es werden fünf Genera mit mehr als 200 verschiedenen Typen beschrieben, von denen allerdings nur Vertreter des Genus Alpha zu pathologischen Veränderungen der Mukosa führen können. Ein hoher Prozentsatz von Personen infiziert sich im Laufe des Lebens mit HPV. Die Übertragung erfolgt vor allem über horizontale Transmission. So ist oft auch in gesunden Epithelien HPV als Kontaminat ohne Krankheitswert nachweisbar.
Die meisten Infektionen verlaufen transient und die virale DNS ist nach einem halben bis einem Jahr nicht mehr im Gewebe nachweisbar. Allerdings kann die oropharyngeale Mukosa ein Reservoir für HP-Viren darstellen, von welchem vulnerable Bereiche längerfristig infiziert werden. Unter bestimmten Voraussetzungen kommt es zu einer Persistenz des viralen Genoms und zur Induktion von im schlimmsten Fall malignen Läsionen.
Bei intakter oraler Mukosa kann das Virus die Epithelschranke nicht überwinden. Entzündungen und mechanische Defekte machen diese Barriere aber durchlässig und ermöglichen dem Virus zu den basalen Epithellagen vorzudringen. Diese Zellen werden nicht von den Viren zerstört. Im Gegenteil, sie teilen sich und werden zu reifen Plattenepithelien, die dann erst das optimale Substrat für die Virenreplikation bilden. Die entsprechenden Gene werden aktiviert und massenhaft neue Viren produziert und ausgeschüttet. Nach ihrem kanzerogenen Potenzial unterscheidet man zwischen Low-Risk- und High-Risk-Varianten, die entsprechend ihres Potenzials zu unterschiedlichen pathologischen Epithelveränderungen führen.
High-Risk-HPV haben kanzerogenes Potenzial
Dazu gehören benigne Läsionen, aber auch Präkanzerosen, schwere Dysplasien und im schlimmsten Fall invasive Plattenepithelkarzinome. Erstere werden ausschließlich von sogenannten Low-Risk-HPV-Typen induziert. Zu den häufigsten gehören HPV 6 und 11, welche orale Papillome verursachen, sowie HPV 2, dem Verursacher der harmlosen Verucca vulgaris. Letztere wird besonders von Kindern vom ursprünglichen Prädilektionsort auf den Händen sekundär auf die Mundschleimhaut übertragen.
Deutlich seltener ist die über HPV 13 und 32 induzierte fokale epitheliale Hyperplasie (Heck’s disease). Eine Sonderstellung nehmen die oralen Condylomata accuminatum ein. Ganz ähnlich wie auch im genitalen Bereich können sie sich als harmlose, meist multiple, teilweise auch konfluierende sessile und maulbeerartige Läsionen präsentieren. In einigen Fällen kommt es allerdings zu dysplastischen Zellveränderungen. Dies spiegelt sich auch in der Präsenz der verursachenden HPV-Typen wieder.
Neben den Low-Risk-Viren wie Typ 6 und 11 kann in dysplastischen Condylomen auch die High-Risk-Variante HPV 16 nachgewiesen werden. Im Gewebe persistierende High-Risk-Papillomaviren erhöhen signifikant die Gefahr einer malignen Entartung. Neben Tabakkonsum und Alkohol ist die High-Risk-HPV-Infektion nach heutigem Wissen ein unabhängiger Risikofaktor der Karzinogenese.
Unkontrolliertes Zellwachstum durch Onkogene
Ganz ähnlich wie bei genitalen Läsionen dominieren hier die Typen 16, 18, 31 und 35, wobei HPV 16 in Zusammenhang mit der Genese oropharygealer Karzinome die wichtigste Rolle spielt. Nach der Integration von viraler Erbinformation in die Zellkerne der befallenen Epithelien werden Gene, die normalerweise das Tumorwachstum unterdrücken, außer Kraft gesetzt. Tumorsupressorgene, wie p53 und pRb werden nutzlos, da sie ihre Genprodukte zum Schutz der Zellen vor unkontrolliertem Wachstum nicht mehr produzieren können. Die viralen Gene E6 und E7 des High-Risk-Virus HPV 16 sowie deren Onkoproteine sind im Tumorgewebe oraler Karzinome und von deren Vorstufen nachweisbar.
Auch in potenziell prämalignen Veränderungen der Mund- und Rachenschleimhaut ist nicht selten HPV-DNS mittels PCR-Analyse nachweisbar. Dazu gehören mehrere bekannte fakultative Präkanzerosen, beispielsweise die nicht-homogene Leukoplakie, der oralen proliferierenden verrukösen Leukoplakie, die orale Erythroleukoplakie und der orale Lichen planus.
Der Schritt zu einer malignen Transformation wird oft durch das Zusammenspiel unterschiedlicher Noxen begünstigt. Exogene Kanzerogene wie Nikotin, Teer, Alkohol und chronische Entzündungen können die viral induzierte Zelltransformation vorantreiben und letztlich zur Entartung des Gewebes beitragen. Allerdings finden sich nicht selten HPV-positive Plattenepithelkarzinome ohne derartige Kofaktoren. Auch zusätzliche Infektionen mit Herpesviren und bestimmten Mikroben wie Chlamydien und Candida haben unterstützende antiapoptotische Effekte auf die Keratinozyten und verhindern so den natürlichen Zelltod.
Aus zahnärztlicher Sicht ist eine engmaschige Kontrolle vorhandener HPV-induzierter oraler Veränderungen dringend zu empfehlen. Dies gilt besonders, wenn eine Sanierung oder Entfernung der Läsion nicht möglich ist. Ein möglicher/vermuteter HPV-Befall kann über einen Abstrich oder mittels einer Biopsie abgeklärt werden. Da HPV-verursachte Dysplasien in der Gynäkologie sehr häufig vorkommen, wird hier auch eine entsprechende Impfung angeboten. Da es sich um die identen High-Risk-Viren handelt, ist diese selbstverständlich auch gegen HPV-Infektionen im oropharyngealen Bereich wirksam und besonders für Patienten mit entsprechender Anamnese zu empfehlen.
Dr. Christa Eder, Wien
DDr. Christa Eder ist Fachärztin für Pathologie und Mikrobiologin. Seit vielen Jahren schreibt sie für das österreichische Fachmagazin „Zahn.Medizin.Technik“ und die deutsche Fachzeitung „dzw – Die ZahnarztWoche“. Auch ist sie als Vortragende im Bereich der zahnärztlichen Mikrobiologie international bekannt.