Natürlich dürfen solche Berechnungsbeispiele nicht so gestaltet werden, dass de facto die Analogberechnung für die Praxis völlig stranguliert wird: Denn die Analogberechnung liegt nun schon im dritten Jahr weit an der Spitze der Beanstandungen durch die Kostenerstatter.
Rührt man an dem Unterscheidungsgrundsatz, dass alle nicht in der GOZ enthaltenen notwendigen Leistungen analog berechnet werden, und im Gegensatz dazu nicht enthaltene nicht notwendige Leistungen nach Paragraf 2 (3) GOZ zuerst vereinbart und dann so berechnet werden, dann fördert man die bekannten wohlfeilen Behauptung zwecks Nichterstattung: Analogleistungen seien nicht notwendige Verlangensleistungen, müssten vorher schriftlich vereinbart werden, müssten als Verlangensleistungen auch nicht erstattet werden – und wenn die schriftliche Vereinbarung nicht erfolgt sei, müsste die Leistung dem Zahnarzt auch nicht vergütet werden.
Die beiden Tabellen 1 und 2 zeigen Beispiele für eine nicht korrekte und für eine zutreffende Berechnung von Analogleistungen mit einer kurzen, hinreichenden Rechnungszeile nach Paragraf 2 Absatz 3 GOZ.
Pauschalbetrag: Eine klassische Aussage in Abrechnungsempfehlungen lautet „Die Angabe eines Pauschalbetrags in der Rechnung ist unzulässig.“ Das stimmt. Aber sind 78 Euro ein Pauschalbetrag und 77,61 Euro – keiner?
Beides sind Eurobeträge. Aber was sind Pauschalbeträge? Dazu hat sich das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt jüngst (Urteil vom 21. Juli 2016, Az.: 6 U 136/15) deutlich geäußert: „Sogenannte ‚Verlangensleistungen‘, die nicht in der GOZ durch eine Gebührenziffer geregelt sind, können nur dann berechnet werden, wenn darüber in einem Heil- und Kostenplan eine schriftliche Vereinbarung des Zahnarztes mit dem Zahlungspflichtigen getroffen worden ist (Paragraf 2 Absatz 3 GOZ).
Die Planung […] muss erstellt worden sein, bevor der Preis festgesetzt wird. Das verlangt eine vorangehende Untersuchung des Patienten. Da Ausnahmen und individuelle Besonderheiten mit Rücksicht auf den Zustand der Zähne und eine mögliche Gefährdung der Gesundheit des Patienten berücksichtigt werden müssen, ist eine generelle und vorab erklärte Festpreisangabe mit den Vorschriften der GOZ nicht vereinbar.“
Festzuhalten ist: Eine patientenunabhängige Pauschale zu verlangen, ist auch im privaten Behandlungsvertrag verordnungswidrig. „Pauschalvereinbarung“ ist nicht mit der „Vereinbarung einer Verlangensleistung“ gemäß Paragraf 2 (3) GOZ gleichzusetzen.
Die GOZ fordert das patientenbezogene Bestimmen der Vergütung im Einzelfall, sie lässt kein patientenunabhängiges zu. Fazit: Der Begriff „Pauschalbetrag“ ist unzutreffend für einen individuell kalkulierten Eurobetrag, der vereinbart und in Rechnung gestellt wird.
Hierarchie der Paragrafen und GOZ-Novelle: Die Ordnung der Paragrafen – in der GOZ von Paragraf 1 bis Paragraf 12 – hat Bedeutung bei deren Anwendung. Paragraf 1 geht in der Prüfung beziehungsweise Anwendung dem Paragrafen 2 voraus. Der Paragraf 6 (Analogie) folgt später und wird hier gar nicht herangezogen.
Wenn Paragraf 1 (2) Satz 2 zutrifft, also tatsächlich eine über das Maß einer notwendigen zahnärztlichen Versorgung hinausgehende Verlangensleistung erbracht werden soll, dann schreibt der folgende, dazu spezielle Paragraf 2 (3) GOZ vor, dass derartige Leistungen und ihre Vergütungen vorher schriftlich vereinbart werden müssen: Alle nicht notwendigen Verlangensleistungen müssen vorher in einem Heil- und Kostenplan schriftlich vereinbart werden, sonst gibt es später keine Berechnungsgrundlage im Sinne des Paragrafen 10 GOZ. Das war vor der GOZ-Novellierung ebenso, allerdings beschränkt auf nicht in der GOZ enthaltene Leistungen.
Nicht im Gebührenverzeichnis, aber trotzdem abrechenbar
Bei der Rechnungslegung müssen „bei Gebühren die Nummer […] sowie […] der Steigerungssatz angegeben werden“, aber „Gebühren sind Vergütungen für die im Gebührenverzeichnis […] genannten Leistungen.“ Ist aber die erbrachte Leistung nicht im Gebührenverzeichnis genannt, ist sie keine Gebühr, hat sie keine Gebührennummer und keinen Steigerungssatz, so kann die erbrachte Leistung dennoch berechnet werden. Dazu muss gemäß vorgeschriebenem Rechnungsformular „gegebenenfalls Beschreibung der Verlangensleistung“ (Klartextangabe) und die Angabe des Eurobetrags erfolgen – natürlich nur, wenn es für die bestimmte Verlangensleistung keine offizielle „Leistungsbeschreibung“ im Gebührenverzeichnis der GOZ gibt.
Das gemäß Paragraf 10 (1) vorgeschriebene Rechnungsformular weist nicht aus, dass für nicht in der GOZ enthaltenen Verlangensleistungen zusätzlich noch eine Vergleichsziffer und Vergleichsbewertung (Analogie) gefunden werden muss. Dass ist auch gar nicht vorgesehen gemäß dem häufig überlesenem Satz 3 des Paragrafen 2 (3) GOZ, der lautet: „Paragraf 6 Abs. 1 bleibt unberührt.“ (Der Analogieparagraf wird nicht heran- beziehungsweise hinzugezogen.)
Dazu sind die Erläuterungen von Rechtsanwalt Joachim K. Mann (Düsseldorf) in dem Abrechnungslexikon Alex (www.alex-za.de) unter „Recht/Verordnungen“, in dem „Kommentar zur Gebührenordnung für Zahnärzte – GOZ“ heranzuziehen (Zitat): „Gemäß Paragraf 10 Absatz 3 Satz 7 GOZ müssen alle erbrachten Verlangensleistungen in der Rechnung als solche bezeichnet werden. Sind die berechnungsfähigen Verlangensleistungen entweder im Gebührenverzeichnis der GOZ beschrieben oder handelt es sich um andere zahnärztliche Leistungen, deren Berechnung nach den Vorschriften des Paragraf 6 Absatz 2 GOZ vorzunehmen ist, also in Form von GOÄ-Gebühren, sind auch auf der Rechnung die Referenzgebühren anzugeben.
Nur, wenn Leistungen vereinbart werden, die weder in der GOZ noch in der GOÄ beschrieben sind, reicht es aus, wenn die Verlangensleistung in der Liquidation mit dem vereinbarten Betrag angegeben wird. Für Verlangensleistungen, die nicht in das Gebührenverzeichnis der GOZ aufgenommen sind, bleibt Paragraf 6 Abs. 1 GOZ ‚unberührt‘ (Paragraf 2 Abs. 3 Satz 3 GOZ).“
Das bedeutet nichts anderes, als dass Paragraf 6 (1) GOZ – Analogie – hier nicht angewendet wird.
Das bei diesem Thema häufig angeführte Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) aus dem Jahr 2006 zu analogen GOÄ-Verlangensleistungen beziehungsweise verlangten GOÄ-Analogleistungen ist für die GOZ wegen der abweichenden Paragrafenlage unzutreffend: Die GOÄ kennt keinen Paragrafen 2 (3) GOÄ, nur die Analogie nach Paragraf 6 (2) GOÄ. Aber wenn der Verordnungsgeber eine Änderung im Sinne dieses BGH-Urteils zur GOÄ gewollt hätte, wäre diese in die GOZ-Novelle zum 1. Januar 2012 eingeflossen, denn Paragraf 2 (3) GOZ ist zu der Zeit geändert worden.
Es bleibt daher angesichts der komplexen Materie bei der hier schon oft geäußerten Empfehlung: Die Gebührenordnung rechtlich auslegen sollten Juristen. Zahnmedizinisch-fachlich auslegen sollten sie approbierte Zahnmediziner.