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Praxisbegehung – kein Grund zur Panik

Immer wieder erlebe ich die Ratlosigkeit der Praxisbetreiber, wenn der Behördenbrief eintrifft. Wut auf die Behörden, Stress wegen der nicht angegangenen Hygienebaustellen und hektische „Aktionitis“ in alle Richtungen. Dabei ist das gar nicht notwendig, wenn Praxisinhaber und Team sich rechtzeitig und Schritt für Schritt um die gesetzlichen Vorgaben kümmern.

Und wussten Sie es? MPBetreibV, Infektionsschutzgesetz, RKI-Richtlinien etc. sind bundesweit gültige Vorgaben, die zwar in Ausnahmefällen behördenseitig durch „Großzügigkeit“ oder „Laissez-faire“ relativiert werden. Aber Achtung: Im Klagefall zählt ausschließlich, was bundesweit festgeschrieben ist und nicht, was ein Begeher „durchgehen lässt“!

Worauf kommt es denn nun an? Was sollte rechtzeitig erledigt werden? Und mal ehrlich: Warum denn nicht sofort mit der Umsetzung anfangen, um sich späteren Stress zu ersparen? Und wir wissen: Jede Praxis trifft es irgendwann, und die „Vogel-Strauß-Politik“ hat schon einige Praxen den ruhigen Schlaf und auch mehr als nur Kleingeld gekostet. Mittlerweile weiß jeder Praxisinhaber, dass validierte Prozesse ein Muss sind und dass die Aufbereitung kritischer Medizinprodukte ohne „RDG“ (Reinigungs- und Desinfektionsgerät) beim besten Willen nicht mehr Stand der Technik ist.

Doch worauf kommt es denn darüber hinaus noch an? Nutzen Sie die folgende Aufstellung doch gerne als „Abhak-Vorlage“ für Ihre interne Überprüfung:

Behandlungsräume
  • wischdesinfizierbare Flächen, Rückwände, Oberflächen
  •  freigeräumte Arbeitsflächen
  •  Umkreis von 1,5 bis 2 Metern um den Kopf des Patienten: alles wischdesinfizierbar
  •  sämtliche Armaturen und Spender handberührungsfrei bedienbar
  •  Einmalhandtücher im Wandspender
  • handberührungsfreier Müllabwurf
  •  Schutzkleidung in ausreichender Menge
  •  geeigneter Behälter (definiert in der TRBA 250) für die Entsorgung der „sharps“
  •  Kennzeichnung der Behältnisse, die nach Anbruch einer begrenzten Haltbarkeit unterliegen
  •  oder alternativ, übersichtlicher: Führung einer laminierten Zimmerliste, in der die Daten der aktuell geöffneten Mittel jeweils in den letzten drei Spalten mit einem Folienstift eingetragen werden. Wenn die Packung abgelaufen ist oder geleert wurde, so wird der Eintrag dieser Zeile weggewischt und bei Öffnung einer neuen Verpackung neu eingetragen (Abb. 1).
laminierte Zimmerliste für die Überwachung der Anbrüche und Verfallsdaten

Abb. 1: Beispiel einer laminierten Zimmerliste für die Überwachung der Anbrüche und Verfallsdaten

Behandlungseinheiten

Eine Standard-Arbeitsanweisung (SAA) „Hygiene der Behandlungseinheit“ muss individualisiert vorhanden sein.

Laut Herstellerangaben:

  •     jeden Morgen
  •     zwischen den Patienten
  •     abends
  •     gegebenenfalls wöchentlich/monatlich

Außerdem wichtig:

  • Sind die Polsteroberflächen intakt?
  • Werden gegebenenfalls vorhandene Spülprogramme genutzt?
  • Wurden Standard-Arbeitsanweisungen (SAA), die den Praxisstandard/die Abläufe exakt beschreiben, erstellt?
  • Sind die verschiedenen Maßnahmen in Checklisten dokumentiert?
  • Falls keine Entkeimung stattfindet, gegebenenfalls externes Bottle-System installieren lassen.
  • Finden jährliche Wasserproben der Behandlungseinheiten (Turbinenwasser) statt? Die Behörden haben das Recht, die Tests einzufordern.
  • Ist keine freie Fallstrecke vorhanden? Dann sollte ein externes Bottle-System installiert werden, um die retrograde Kontamination des öffentlichen Leitungsnetzes zu verhindern.
Der Aufbereitungsraum

Der Aufbereitungsraum unterliegt ebenso den höchsten Anforderungen. Eine klare Trennung zwischen der unreinen und der reinen Seite ist Basis für diesen Raum (Abb. 2).

Beispielgrafik der Aufteilung zwischen unreiner und reiner Seite des Aufbereitungsraums

Abb. 2: Beispiel Aufteilung unreine/reine Seite des Aufbereitungsraums

Selbstverständlich sind die Schränke und Flächen denselben Vorschriften wie im Behandlungsraum unterlegen: das heißt wischdesinfizierbar, geschlossene Schränke, umlaufend beschichtete Arbeitsplatte, wischdesinfizierbare Rückwände

Ebenso gilt für den Aufbereitungs- und den Behandlungsraum: Die Seifen- und Händedesinfektionsmittel-Spender, der Wasserhahn sind handberührungsfrei zu bedienen. Einmaltuchspender stehen zur Verfügung, Müllabwurf ist handberührungsfrei. Die Tür des Aufbereitungsraums ist eindeutig beschriftet, sodass die Patienten wissen, dass sie diesen nicht betreten dürfen. Und wenn der Steri-Raum über ein Außenfenster verfügen sollte, so ist dieses mit einem Fliegengitter zu versehen.

Neben M/N-Schutz und Einmalhandschuhen sollten auch folgende Dinge im Aufbereitungsraum zur Verfügung stehen:

  • stichhemmende Handschuhe (und diese bitte immer im Umgang mit kontaminierten Medizinprodukten nutzen!)
  • RDG-fähige Instrumenten-Reinigungsbürsten (keine Metallbürsten!) (Abb. 3)
  • geeignete Lupe zur Endkontrolle der MP
  • Einmalschürzen/Einmalkittel für den Umgang mit Chemikalien/kontaminierten Instrumenten
  • chemikalienbeständige Handschuhe (Tipp: im Baumarkt günstig zu bekommen)
  • Schutzbrillen/Visiere in ausreichender Menge (ebenso wie im Behandlungsraum!)
verschiedene RDG-fähige Instrumenten-Reinigungsbürsten

Abb. 3: Beispiele Instrumentenbürsten, RDG-fähig

Eine eventuell notwendige Trennung zwischen unreiner und reiner Seite kann mittels Plexiglaswand (Höhe abhängig von Spritzgefahr, also Entfernung zum Waschbecken) – auf der Arbeitsplatte montiert – realisiert werden (Abb. 4). Neben den eingangs erwähnten zwingend erforderlichen Validierungen des Sterilisators, des RDG (Reinigungs- und Desinfektionsgerät = Thermo), gegebenenfalls des Careclave oder des DAC und des Siegelnahtgeräts, sind die vom Hersteller vorgegebenen Routineprüfungen sämtlicher am Aufbereitungsprozess beteiligten Geräte vorgeschrieben. Eine Dokumentation dieser Routineprüfungen ist bitte durchzuführen.

Eine Plexiglaswand trennt in der Zahnarztpraxis die unreine und der reinen Seite

Abb. 4: Eine eventuell notwendige Trennung zwischen unreiner und reiner Seite kann mittels Plexiglaswand (Höhe abhängig von Spritzgefahr, also Entfernung zum Waschbecken) – auf der Arbeitsplatte montiert – realisiert werden.

Ausstattung des Röntgenraums
  •     Einmalhandschuhe, Tretmülleimer, Händedesinfektion handberührungsfrei
  •     kleine Packung Wischdesinfektionstücher
  •     Box mit Deckel zum Transport kontaminierter Rö-Haltersysteme
Wäscheaufbereitung

Kontaminierte Praxiskleidung darf nicht zu Hause gewaschen werden. Die Entscheidung, in welchem Arbeitsbereich beziehungsweise bei welcher Tätigkeit Schutzkleidung erforderlich ist, unterliegt einer Gefährdungsbeurteilung durch den Arbeitgeber.

  • Einmalschutzkleidung, zum Beispiel bei Patienten mit multiresistenten Erregern, Behandlungen mit starker Aerosolbildung –> entsorgen
  • normale, nicht kontaminierte Arbeitskleidung –> zu Hause waschen, normales Waschmittel
  • kontaminierte Arbeitskleidung –> in der praxiseigenen Maschine waschen oder durch einen zertifizierten Dienstleister (RAL GZ 992/2) – gelistetes desinfizierendes Waschmittel nutzen
  • Praxiskleidung durch Einmalkittel vor Kontaminationen schützen
  • Gefährdungsbeurteilung des Betreibers, bei welchen Behandlungen Kontaminationsgefahr besteht (zumBeispiel bei starker ­Aerosolbildung)
Ausstattung der Umkleide
  • separater Schrank, Fach oder Bereich für private Kleidung und private Dinge
  • separater Schrank, Fach oder Bereich für getragene Praxiskleidung (keine Berührung zu Privatem)
  • Platz für private Schuhe
  • anderer Platz für Praxisschuhe
  • separate Lagerung der gewaschenen, noch nicht getragenen Praxiskleidung
  • Wäscheabwurf mit geeignetem Sack (fester Leinensack oder Ähnliches)
  • Händedesinfektionsspender, handberührungsfrei
Ausstattung der Personaltoilette
  • handberührungsfreie Armaturen, Spender, Mülleimer
  • Einmalhandtücher im Spender
  • zusätzlicher Mülleimer für die Damenhygiene
Ausstattung der Patiententoilette
  • idealerweise wie Personaltoilette
  • Armaturen und Spender müssen jedoch nicht handberührungsfrei sein
Standard-Arbeitsanweisungen

Für jeden Arbeitsschritt, der Teil der Hygienekette ist, ist die Erstellung einer detaillierten Arbeitsanweisung unumgänglich. Inhalt ist immer:

  • Was wird geregelt?
  • Wann wird der Schritt durchgeführt?
  • Wo wird er durchgeführt?
  • Wer führt den Schritt durch?
  • Wie wird er durchgeführt (Schutzkleidung, Dosierung, Programm, Einwirkzeit etc.)?

Diese Arbeitsanweisungen hängen, wenn kein PC im Aufbereitungsraum verfügbar ist, idealerweise in einem Sichttafelsystem (Abb. 5). So sind sie jederzeit nutzbar. Weiterhin werden Arbeitsanweisungen zum Beispiel für die Abdruckdesinfektion (ausschließlich Tauchverfahren!), für die Praxisreinigung, für die Hygienemaßnahmen der Behandlungseinheit, Wäscheaufbereitung etc. benötigt.

Sichttafeln zu verschiedene Arbeitsschritten, die Teil der Hygienekette sind

Abb. 5: Sichttafelsystem

Notwendige Dokumente

Hier ein Auszug der wichtigsten praxisindividuell zu erstellenden aktuellen Dokumente, die bereits vor der Behördenankündigung fertig sein sollten:

  • Hygieneplan der BZÄK
  • Praxisreinigungs- und Desinfektionsplan
  • aktuelle Validierungsunterlagen
  • rechtskonforme Dokumentation der Aufbereitungsprozesse
  • Bestandsverzeichnis Paragraf 13 MPBetreibV
  • Risikoklassifizierung der Medizinprodukte
  • Nachweis der STK und MTK laut MPBetreibV
  • Medizinproduktebücher nach Paragraf 12 MPBetreibV
  • Umgang mit Vorkommnissen laut MPSV
  • (MPSV = jetzt MPAMIV = Med.prod.Anwender-Melde-und Informationsverordnung)
  • SAA-Umgang mit multiresistenten Erregern
  • Dokumentation nosokomialer Infektionen
  • Nachweis der elektrischen DGUV- und DIN-EN-62353 (VDE 0751)-Prüfungen
  • Organigramm (Regelung der Zuständigkeiten)
  • Freigabeberechtigung

Diese Auflistung und mein Artikel erheben nicht den Anspruch, vollständig zu sein. Bei Unsicherheit empfehle ich, externe Hilfe in Anspruch zu nehmen und vor allem die geforderten regelmäßigen Hygienefortbildungen wahrzunehmen – so bleiben Sie auf dem neuesten Stand und können auch vor der Begehung ganz entspannt schlafen.    

Und noch zu guter Letzt

Ein lückenlos und rechtssicher dokumentierter validierter Aufbereitungsprozess, RKI-konform, muss alltagsfest, reproduzierbar und nachvollziehbar funktionieren. Ebenso müssen die Sterilgutversorgung, die Verpackungs- und Kennzeichnungsrichtlinien fehlerfrei umgesetzt werden. Es ist unbedingt für eine zeitnahe Auffrischungsschulung zu sorgen, wenn es in puncto „RKI-konforme Aufbereitung“ Unsicherheiten gibt. Je komplexer die Aufbereitung der Medizinprodukte ist (zum Beispiel Übertragungsinstrumente, Wurzelkanalin­strumente, Implantattrays etc.), desto genauer wird hingeschaut, ob die Vorgänge korrekt und den Herstellerangaben der Produkte entsprechend geschehen.

Viola Milde, Hamburg

Viola Milde ist Gründerin und Inhaberin der VMH-Hygiene­­beratung und bundesweit tätig als Referentin zu den ­Themen „Infektionsprävention“, „Hygiene in der Arzt- und Zahnarztpraxis“, „RKI-konforme Medizinprodukteaufbereitung“ und „Behörd­liche Praxisbegehungen“ sowie Gastdozentin der Zahnärztekammern Hamburg und Hannover. Als erfahrener Coach kommt sie bundesweit auch in die Praxen und unterstützt diese bei der Praxishygiene, RKI-konformen Aufbereitung und Behördlichen Begehung. Auf Wunsch ­inklusive Schulungszertifikat und Erteilung der Fortbildungspunkte nach den Richtlinien der BZÄK. Kontakt per Mail

Titelfoto: Milde - VMH-Hygiene­­beratung

Bild entfernt.

 

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