These: Die Kombination der Nummern 2180 „Vorbereitung eines zerstörten Zahnes mit plastischem Aufbaumaterial zur Aufnahme einer Krone“ und 2197 „adhäsive Befestigung (plastischer Aufbau […])“ stellt berechnungstechnisch die Leistung „dentinadhäsiv geschichteter Kompositaufbau für eine Kronenversorgung“ dar.
Antithese: Die Nummern 2180 plus 2197 GOZ stellen diese Leistung nicht dar. Der „dentinadhäsiv geschichtete Kompositaufbau für eine Kronenversorgung“ ist eine nicht in dem Gebührenverzeichnis der GOZ beschriebene Leistung und muss daher gemäß Paragraf 6 Absatz 1 GOZ „analog“ berechnet werden.
Thesen sind nicht automatisch Begründungen. Also müssen die Gründe und die Argumente näher betrachtet, wenn möglich zahnmedizinisch fachlich gewichtet werden. Zur Beurteilung sind dann letztendlich nur die Gerichte berufen.
Argumente: Nachfolgend also die immer wieder genannten Gründe und Argumente zu These und Antithese.
1) Die tatsächlich erfolgte Leistung werde mit der Gebührenkombination 2180 plus 2197 GOZ nicht abgebildet:
- Ein Grund dafür sei, dass das bei Nummer 2180 GOZ aufgeführte „plastische Aufbaumaterial zur Aufnahme einer Krone“ nicht dem Material entspreche, welches für einen „dentinadhäsiv mehrfach geschichteten Kompositaufbau für eine Kronenversorgung“ verwendet werde.
- Die tatsächlich nötige „adhäsive Befestigung“ entspreche nicht der in der GOZ aufgeführten adhäsiven Befestigung für plastischen Aufbau, Stift, Inlay, Krone, Teilkrone, Veneer.
2) Die tatsächlich erfolgte Leistung (Material und Methode) ist im gesamten Gebührenverzeichnis GOZ (auch GOÄ) nicht enthalten und muss daher gemäß Paragraf 6 Absatz 1 GOZ berechnet werden.
3) Die tatsächlich erfolgte Leistung „dentinadhäsiv mehrfach geschichteter Kompositaufbau für eine Kronenversorgung“ entspreche nach Art, Kosten- und Zeitaufwand am besten der Leistung „Versorgung nach Nummern 2190, 2100, 2120, 2150–2170 oder 2220 GOZ“.
Wichtig hierbei: Eine Aufbaufüllung im Zahn/Zahnstumpf ist kein Aufbau des Kronenstumpfs! Die Füllung ist ein Kavitätenverschluss. Der Aufbau ist das Anfügen fehlender Zahnteile zur Wieder-/Herstellung eines Kronenstumpfs. Die Leistungen unterscheiden sich extrem bezüglich des benötigten durchschnittlichen Zeitaufwands (bis zu 400 Prozent). Es gibt fließende Übergänge zwischen beiden vorbereitenden Maßnahmen, aber in aller Regel nicht zwischen ein- und zweiflächigen Füllungen und Aufbauten eines zerstörten Zahns.
Das wird aber weder in der Gebührenordnung noch in vielen Stellungnahmen und Kommentierungen berücksichtigt. Die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) hat sich in einem Positionspapier (www.bzaek.de) geäußert. Zur Kompensation von Zahnhartsubstanzdefekten vor der Überkronung eines Zahns heißt es dort: „Bei bestimmten klinischen Ausgangsbefunden ist der Ersatz von Zahnhartsubstanz in der Sitzung, in der der Zahn zur Aufnahme einer Krone präpariert wird, gemäß aktuell gültigem zahnärztlichen Standard […] indiziert.
Gestattet die Form der noch vorhandenen Zahnhartsubstanz keine mechanische Verankerung des Aufbaumaterials und/oder würde die großvolumige, einzeitige Applikation von Aufbaumaterial bedingt durch Polymerisationsschrumpfung zu – aus zahnmedizinischer Sicht – nicht vertretbaren Randspalten führen, wird ein mehrschichtiger Aufbau mit Kompositmaterial in Adhäsivtechnik einschließlich Lichthärtung erforderlich.
Diese Leistung entspricht fachlich nicht dem Leistungsinhalt der Gebührennummer 2180 GOZ, auch nicht bei zusätzlicher Berechnung der Gebührennummer 2197 GOZ, ebenso ist eine Berechnung nach den vorstehenden Gebührennummern, auch unter Heranziehung eines erhöhten Steigerungssatzes nicht angezeigt.“
Die von der BZÄK genannten Indikationen für Analogberechnung einer (möglicherweise) nicht in der GOZ beschriebenen Leistung „mehrschichtiger Aufbau mit Kompositmaterial in Adhäsivtechnik“ sind
- keine ausreichende mechanische Verankerungsmöglichkeit des Aufbaumaterials,
- großvolumige, einzeitige Applikation von Aufbaumaterial führt zu Polymerisationsschrumpfung/Randspaltenbildung.
Dem ersten Problem begegnet der Zahnarzt durch fachgerechte Verwendung von speziellem Aufbau-Adhäsivkomposit und mittels „adhäsiver Befestigung“ (2197 GOZ) sowie gegebenenfalls mit einer hinzukommenden adhäsiven Stiftverankerung (2195 GOZ).
Das zweite Problem ist speziell für „Kronenstumpfaufbauten“ nicht unbedingt eingängig. Diese werden in der Regel nicht Schicht für Schicht aufgebaut und somit auch nicht einzeln je Schicht lichtgehärtet. Aufbaukomposite können meist in größerer Schichtstärke („Bulkmaterial“) ein- und aufgebracht und aushärten/ausgehärtet werden. Das Schrumpfen des Materials findet bevorzugt an freien Flächen hin zu den adhäsiv befestigten eines Stumpfaufbaus statt, was den Schrumpfungsstress an den Kontaktflächen von Dentin und Komposit deutlich mindert. Randspaltbildung an Zahnaufbauten ist wohl ein relativ seltenes Problem, denn in der Literatur wird dazu wenig berichtet, im Gegensatz zu Randspaltbildung bei definitiven Kavitätenfüllungen.
Die Bundeszahnärztekammer beklagt in ihrem Positionspapier zutreffend die deutlich zu niedrige Vergütung eines „dentinadhäsiv geschichteten Kompositaufbaus für eine Kronenversorgung“: „Selbst bei Berechnung der Gebührennummern 2180 und 2197 GOZ zum jeweils 3,5-fachen Steigerungssatz […] wird jedoch die Vergütung einer einflächigen Kompositrestauration nach der Gebühren-Nummer 2060 GOZ zum 2,3-fachen Steigerungssatz in Adhäsivtechnik nicht erreicht, obwohl Schwierigkeit und Zeitaufwand der Gebührennummer 2060 GOZ […] deutlich hinter den Anforderungen bei einem mehrschichtigen Aufbau mit Kompositmaterial in Adhäsivtechnik einschließlich Lichthärtung zurückbleiben. Auch in Anwendung eines erhöhten Steigerungssatzes ist also eine angemessene Vergütung nicht darstellbar.“
Das ist ohne Zweifel richtig (Differenz 13,05 Euro), aber würde eine Vereinbarung der Gebührenhöhe jenseits des 3,5-fachen Satzes das Problem in besonderen Fällen verordnungskonform lösen können?
Die Bundeszahnärztekammer führt dazu ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) an: „Der BGH hat bereits […] am 13. Mai 2004 (Az.: III ZR 344/03) entschieden, dass wenn durch medizinische Weiterentwicklung in einem solchen Fall eine angemessene Vergütung nicht mehr gewährleistet ist, die Aufgabe des Steigerungssatzes nicht darin besteht, einen diesbezüglichen Ausgleich zu schaffen, beziehungsweise dem Arzt nicht angesonnen werden kann, eine abweichende Vereinbarung über die Vergütungshöhe zu treffen, sondern eine analoge Bewertung vorzunehmen ist.“
Das ist ein zunächst eingängiges Argument, jedoch hat die „medizinische Weiterentwicklung“ bezüglich der Nummer 2180 GOZ unlängst bei der Novellierung zum 1. Januar 2012 Anerkennung erfahren durch die hinzugekommene Nummer 2197 GOZ „adhäsive Befestigung“.
Zur Analogberechnung gibt es eine Stellungnahme der Zahnärztekammer Berlin: „Die Leistung ‚mehrfach geschichtete Aufbaufüllungen oder Stumpfaufbau aus plastischem Material mit adhäsiver Befestigung‘ wird durch die Kombination der Gebührennummer 2180 mit der Gebührennummer 2197 GOZ für adhäsives Befestigen nicht vollständig abgebildet, da die Anwendung der Mehrschichttechnik und die Verwendung der höherwertigen Kompositmaterialien unberücksichtigt bleibt.“
Nicht eingängig ist, die Analogberechnung der Aufbaufüllung auf „höherwertige (?) Kompositmaterialien“ abzustützen – angesichts der umfassenden Neutralbezeichnung „plastisches Aufbaumaterial“ in der Leistungsbeschreibung der Nummer 2180. Darunter fällt jedes zunächst plastische – später aushärtende – Material, auch Kompositkunststoff.
Die zusätzliche „Mehrschichttechnik“ bei dentinadhäsiven Kompositaufbauten als Hauptargument heranzuziehen ist unter anderem angesichts der ausdrücklichen Abgeltungshinweise in den „Amtlichen Begründungen“ der Bundesregierung/des Bundesgesundheitsministerium zur GOZ-Novelle (Mehrschichttechnik abgegolten bei den Kompositnummern 2060 ff.) nicht wirklich überzeugend (minderes Leistungskriterium). Zudem ist rein durchführungstechnisch die Mehrfachschichtung zumindest bei Stumpfaufbauten und einflächigen Aufbaufüllungen zu hinterfragen.
Vertretbare Analogberechnung im Jahr 2016: Es verbleibt bei fachlichem Wägen der Argumente wohl nur die Feststellung übrig, dass die tatsächlich geforderte Leistungsausprägung so untervergütet ist, dass eine Anpassung der Vergütung durch eine analoge Berechnung unumgänglich ist. Ob diese Begründung auf Dauer trägt, ist zweifelhaft, wird aber von Gerichten entschieden werden.
Dennoch: Es handelt sich um eine vertretbare Auslegung der Gebührenordnung, die man sich zu eigen machen kann, denn hinzu kommen gerichtliche Bestätigungen, zum Beispiel das Urteil des Amtsgerichts (AG) Charlottenburg (Urteil vom 8. Mai 2014, Az.: 205 C 13/12) und das des AG Schöneberg (Urteil vom 5. Mai 2015, Az.: 18 C 65/14).
Das AG Charlottenburg sagte: „Die im konkreten Fall angewandte Mehrschichttechnik ist deutlich zeitaufwendiger und daher nicht vergleichbar der erfassten Leistung, die sich auf Zahnaufbauten mit plastischem Aufbaumaterial zur Aufnahme einer Krone mit einfachen selbsthaftenden Zementen bezieht.“ – Ob hier die Nummer 2197 (adhäsive Befestigung) als amtliche „Mehraufwandvergütung“ genügend gewürdigt wurde, verbleibt als offene Frage.