Die häufigsten Beanstandungen im privatrechtlichen Abrechnungsgeschehen des Jahres 2016 waren Einwände zur Berechnung von Analogleistungen (18,4 Prozent, Zahl der ZA eG). Die vermutete weiter steigende Tendenz wird durch die Zahlen des Monats Januar 2017 über alle Erwartungen hinaus bestätigt: Analog berechnete Leistungen machten mehr als 30 Prozent aller Beanstandungspunkte in diesem Zeitraum aus. Es ist dringender Bedarf zu erkennen, über diese Zahlen ernsthaft nachzudenken.
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Die in der Jahresstatistik für 2016 (Zahlen der ZA AG, siehe hier) bei den beanstandeten Analogberechnungen auf dem sechsten Platz befindliche „antibakterielle Photodynamische Therapie (aPDT/PDT)“ sollte eigentlich eine wenig bis gar nicht mehr umstrittene Leistung sein; das ist aber keineswegs der Fall. Das routinemäßig beziehungsweise automatisch vorgebrachte Argument zwecks Nichterstattung ist die angeblich fehlende wissenschaftliche Anerkennung der Leistung.
Dabei weiß die Private Krankenversicherung (PKV) seit dem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 26. März 1993, Az.: IV ZR 135/92) – also seit bald 25 Jahren –, dass die „Wissenschaftlichkeitsklausel“ (Vorbehalt der wissenschaftlichen Anerkennung) in den Versicherungstarifen unwirksam ist. Außerdem ist dieser Ablehnungsgrund unzutreffend.
Definition der „Photodynamischen Therapie“ und Nutzen
Biofilm und Bakterien werden bei diesem Verfahren durch Anfärben mit einem speziellen Farbstoff markiert und für Laserlicht empfindlich gemacht. Sie werden anschließend mittels Bestrahlen mit einem niedrig-energetischen Laser zerstört und entfernt.
Genauer: In der parodontalen/periimplantären Tasche, im Wurzelkanal oder zum Beispiel im intraossalen OP-Gebiet wird ein geeigneter, gegebenenfalls auch selbst bakterizid wirkender Vitalfarbstoff appliziert, wodurch die Mikroorganismen gegenüber Laserlicht bestimmter Wellenlänge sensibilisiert werden. Durch eine zirkuläre Belichtung kommt es an der betroffenen Bakterienmembran zur Bildung hochreaktiven Singulett-Sauerstoffs, der zu einer Lipidoxidation der Membranmoleküle führt und somit die Bakterien zerstört.
Obwohl die antimikrobielle Photodynamische Therapie im zahnärztlichen Bereich bereits seit ca. 20 Jahren, im ärztlichen Bereich seit mehr als 30 Jahren, wissenschaftlich erforscht wurde, schließen viele – nicht alle – Versicherungen die Erstattung der antimikrobiellen Photodynamischen Lasertherapie mit der Begründung aus, es würde sich nur um eine zusätzliche, keine weitere Wirkung entfaltende Wunschleistung handeln.
Diese Argumentation ist schlichtweg unzutreffend: Es gibt viele klinische Studien, fundierte wissenschaftliche Untersuchungen sowie praktische Erfahrungen in vielen Zahnarztpraxen, die die Effektivität dieser Technologie belegen.
Das Verfahren der antimikrobiellen Photodynamische Therapie (aPDT) ist auch deshalb von hoher Bedeutung, weil damit systematisch auch die Besiedelung mit multiresistenten Staphylococcus aureus (MRSA) auf Implantatoberflächen oder im parodontalen Sulkus bekämpft werden kann.
„Bei klinischen Untersuchungen wurden für die aPDT Keimreduktionen von 80,11 Prozent nach vier Wochen und 91,37 Prozent nach zwölf Wochen im Vergleich zum Anfangsbefund nachgewiesen. Sulkusblutungsindex, Taschentiefen und Beweglichkeit der Zähne waren nach Behandlung erheblich reduziert. Vergleichend gute Ergebnisse fanden sich sowohl in Bezug auf Reduktion klinischer Parameter und Bakterienelimination als auch den Langzeiteffekt“ (Sigusch et al. 2007).
Es gibt über die aPDT mehrere hundert Publikationen, Untersuchungen aus Universitäten sowie Langzeitstudien.
Berechnungsweise
Die Leistung „antibakterielle Photodynamische Therapie“, verkürzt „Photodynamische Therapie“ (PT) oder auch „Photodynamische antibakteriell-chemische Therapie“ (PACT) ist eindeutig nicht im Leistungsverzeichnis der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) – auch nicht in der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) – enthalten. Es handelt sich in aller Regel um eine zahnmedizinisch indizierte, also notwendige Leistung, für die nur die Berechnungsweise im Sinne des Paragrafen 6 (1) GOZ zur Verfügung steht: Analogiebildung, das heißt Berechnung mittels Vergleichs von Leistungen.
Das „Beratungsforum“ von Bundeszahnärztekammer (BZÄK), PKV und Beihilfe hat sich bisher auf einen Beschluss zur Berechnung der „Photodynamischen Therapie“ (PT) nicht verständigen können. Die BZÄK selbst bleibt mit ihrer Analogauflistung und zum Beispiel der Beschreibung (Zitat) „Keimreduktion der Zahnfleischtasche“ oder „Wundflächenentkeimung“ beim Ungefähren und bewirkt dadurch erkennbar Widerspruch der Erstatter.
Das GOZ-Expertengremium (siehe dazu auch das Abrechnungslexikon www.alex-za.de) hat sich in Absprache mit der Deutschen Gesellschaft für Laserzahnheilkunde (DGL) auf folgende Analogberechnungen für aPDT, PDT, PT oder PACT verständigt:
- „intrakanalär-antibakterielle Photodynamische Therapie (aPDT/PDT/PT/PACT), je Kanal“ entsprechend „Anwendung elektrophysikalisch-chemischer Methoden“ als Nummer 2420a
- „enossal-antibakterielle Photodynamische Therapie (aPDT/PDT/PT/PACT), je Wunde“ entsprechend „Abbinden eines Gefäßes, Knochenbolzung“ als Nummer 3060a
- „parodontal-antibakterielle Photodynamische Therapie (aPDT/PACT), je Parodont“ entsprechend „Schleimhautexzision“ als Nummer 3070a.
Die photoaktivierte Desinfektion ist wissenschaftlich anerkannt und zu erstatten: Die Erstattung könne auch nicht mit dem Argument abgelehnt werden, dieser Therapie fehle noch die wissenschaftliche Anerkennung.
Bestätigung durch Gerichtsurteile: Mit zwei Urteilen hat das Verwaltungsgericht (VG) Stuttgart (Urteile vom 11. März 2013, Az.: 13 K 4202/11 und Az.: 13 K 4557/11) entschieden, dass die photoaktivierte Desinfektion zu Recht als Analogleistung berechnet werden kann. Die Erstattung könne auch nicht mit dem Argument abgelehnt werden, dieser Therapie fehle noch die wissenschaftliche Anerkennung.
Bestätigung durch eine PKV: Eine private Krankenversicherung zeigt sich bezüglich der „Photodynamischen Therapie“ bemerkenswert progressiv (Zitat): „Aufgrund der sich abzeichnenden positiven Effekte der PDT ist die DKV dazu übergegangen, entsprechende Aufwendungen nach Maßgabe der oben genannten Kriterien für die Indikationen Parodontitis/Periimplantitis im Rahmen des jeweiligen Tarifes zu erstatten.
Analoge Berechnung nach Paragraf 6 Abs. 1 der GOZ – Bei der PDT handelt es sich um eine selbstständige zahnärztliche Leistung, die in der GOZ 2012 nicht beschrieben ist. Sie ist daher nach Paragraf 6 Absatz 1 der GOZ entsprechend einer nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertigen Leistung des Gebührenverzeichnisses zu berechnen.“
Die nach Ansicht dieser PKV akzeptable Art der analogen Berechnungsweise für die PDT stößt gebührentechnisch allerdings auf Bedenken: Danach ist kein Analogmaterial und nur eine Analogleistung anzusetzen. Das DKV-Verfahren mit einer analogen Basisgebühr und zwei analogen Zusatzgebühren führt so zu einer Vergütung von 33,70 Euro für einen Zahn und von 123,36 Euro für 28 Zähne (siehe www.alex-za.de bei Nr. 4000 – 7.5).