Molekularbiologische mutationsspezifische Therapieoptionen: Das mukosale Melanom der Mundhöhle (Teil 3)
Die Aggressivität des Tumors und seine frühe lymphogene und haematogene Metastasierung erfordern eine möglichst frühzeitige und effektive Therapie. Die Möglichkeiten sind leider auf Grund der oft späten Erstdiagnose begrenzt. Viele orale Melanome werden erst im bereits fortgeschrittenen oder sogar im schon metastasierten Stadium diagnostiziert.
Therapie der Wahl ist bei resektablen Tumoren die chirurgische Exzision. Während bei kutanen Melanomen ein Sicherheitsabstand von 2 Zentimeter empfohlen wird, ist dies in der Mundhöhle oft nicht möglich. Bei weitgehender Berücksichtigung der Funktionserhaltung der morphologischen Strukturen sollte dennoch ein Resektionsrand von wenigstens einem Zentimeter im Gesunden angestrebt werden.
Eine Bestrahlung des Melanoms ist wegen seiner geringen Empfindlichkeit gegenüber ionisierenden Strahlen eher von geringer Bedeutung. Sie wird trotzdem zeitweise zur Verhinderung eines Lokalrezidivs eingesetzt. Häufig wird, meist im Zug einer intraoperativen Schnellschnittdiagnose der Sentinel-Lymphknoten auf mögliche Absiedlungen untersucht.
Bei Positivität des Befunds müssen, entsprechend dem Ausmaß des Befalls, ein oder mehrere Lymphknotengruppen im Zug einer Neck-dissection entfernt werden. Einen Überblick über das Ausmaß des lymphogenen Befalls gibt bereits vorab eine Untersuchung des regionären Lymphabflussgebiets mit Hilfe von Ultraschall, CT oder MRT.
Molekularbiologische mutationsspezifische Therapieansätze
Bei Metastasierung stand früher nur eine Chemotherapie zur Verfügung, entweder in Form einer Monotherapie mit Dacarbazin oder mittels Kombination mehrerer Wirkstoffe wie Paclitaxel/Carboplatin. Heute werden in Abhängigkeit vom Mutationsmuster des jeweiligen Tumors bevorzugt spezifische Therapien (targeted therapies) oder Immuntherapien eingesetzt. Lediglich bei Kontraindikationen kommen noch konventionelle Chemotherapien zum Einsatz.
Etwa 20 Prozent der oralen Schleimhautmelanome weisen spezielle c-KIT-Mutationen, 10 bis 17 Prozent genetische Veränderungen in BRAF und 5 bis 10 Prozent NRAS-Mutationen auf. Das c-KIT-Gen ist ein Proto-Onkogen, welches eine Rezeptortyrosinkinase kodiert und eine wichtige Rolle bei der Induktion maligner Tumoren spielt, etwa bei dem gastrointestinalen Stromatumor (GIST) und der chronisch myeloischen Leukämie.
Bei positivem Nachweis im oralen Melanom ist eine Behandlung mit c-KIT-Kinase-Inhibitoren möglich. BRAF-V600-Mutationen findet man zwar häufiger in kutanen Melanomen, sie können aber auch bei den mukosalen Formen vorliegen. Sie beeinflussen den Zellzyklus und fördern die unkontrollierte Teilung der Tumorzellen. Für BRAF-positive Melanome sind BRAF-Inhibitoren in Tablettenform in Kombination mit MEK-Inhibitoren eine Option. Bei „MEKs“ handelt es sich um spezifische Proteinkinasen, welche die Transkription, Proliferation und Differenzierung der Zellen steuern.
Bei der in oralen Schleimhautmelanomen eher seltenen Mutation des NRAS-Gens kommt es zu einer permanenten Aktivierung dieses Signalwegs und dann zu besonders aggressiven Krankheitsverläufen. Auch hier kommen MEK-Inhibitoren zum Einsatz.
Gezielte Immunabwehr gegen Tumorzellen
Unabhängig von den genannten mutationsspezifischen Therapien werden auch Immuntherapien bei metastasierten Melanomen durchgeführt. Diese als Checkpoint-Inhibitoren bezeichneten Medikamente sind monoklonale Antikörper, welche gegen Tumorzellen gerichtete Aktivitäten der T-Lymphozyten modulieren und triggern.
CTLA-4 (cytotoxic T-lymphocyte-associated protein) und PD-1 (programmed cell death 1) sind Oberflächenrezeptoren, die auf T-Lymphozyten exprimiert werden. Sie können über Liganden wie B7 oder PDL-1 an Zellen binden und geben inhibitorische Signale für T-Zellen ab. Damit verhindern sie unter normalen Umständen überschießende und autoimmune Reaktionen, indem sie in den T-Zellen ein negatives Signal auslösen, dass zur Anergie oder sogar zur Apoptose führt.
Diesen Mechanismus machen sich allerdings auch maligne Melanozyten im Tumor zu Nutze. Sie exprimieren ihrerseits PDL-1 und imitieren so körpereigene benigne Zellen. Auf diese Weise können sie die T-Zellen von sich fernzuhalten und unschädlich machen. Immuncheckpoint-Inhibitoren verändern die falsche Eigentoleranz, indem sie sich gegen diese Rezeptoren (PD-1) oder Liganden (PDL-1) wenden. Damit „demaskieren“ sie den Tumor und machen ihn für die T-Zellen angreifbar.
Der erste beim Melanom eingesetzte Antikörper war gegen CTLA-4 gerichtet. Er verstärkt die Expansion reaktiver T-Zellen bei gleichzeitiger Hemmung der Aktivität der regulatorischen Lymphozyten. Die PD-1-Inhibitoren Nivolumab und Pembrolizumab sind sowohl beim inoperablen als auch beim metastasierten Melanom zugelassen und ermöglichen eine Wiederherstellung der körpereigenen Immunantwort auf entartete Zellen.
Allerdings können sie in ihrer Funktion als Immunmodulatoren manchmal autoaggressive Reaktionen gegen körpereigenes Gewebe auslösen und so die Auslösung von Autoimmunerkrankungen triggern. Das Spektrum der möglichen Folgeerscheinungen kann fast alle Organsysteme betreffen und reicht von rheumatoider Arthritis und Pneumonitis bis zu Hypophysitis, Colitis, Hepatitis, Diabetes mellitus und Thyreoiditis.
Leider ist, ähnlich wie bei Chemotherapien, die Dauer der Wirksamkeit von Checkpoint-Inhibitoren zeitlich begrenzt. Durch genetische Veränderungen und Anpassungsstrategien lernen die Tumorzellen, sich der Demaskierung zu entziehen. Dennoch ermöglicht die Behandlung mit diesen Arzneimitteln deutlich verlängertes Überleben bei meist guter Lebensqualität.
DDr. Christa Eder, Fachärztin für Pathologie und Mikrobiologin, Wien
In Teil 2 ging es um Spezifische Pathologie entarteter Melanozyten
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DDr. Christa Eder
ist Fachärztin für Pathologie und Mikrobiologin. Seit vielen Jahren schreibt sie für das österreichische Fachmagazin „Zahn.Medizin.Technik“ und die deutsche Fachzeitung „dzw – Die ZahnarztWoche“. Auch ist sie als Vortragende im Bereich der zahnärztlichen Mikrobiologie international bekannt.