Vor einem Jahr traf Dr. Christoph Blum, Fachzahnarzt für Oralchirurgie in Bad Ems, die Entscheidung, eine mobile Zweigpraxis zu eröffnen. Sein Anliegen ist, dadurch eine bessere zahnmedizinische Versorgung der pflegebedürftigen Senioren in Alten- und Pflegeheimen zu erreichen.
Er steckte insgesamt 175.000 Euro aus eigener Tasche in das Projekt. Feierlich eingeweiht wurde der voll ausgestattete Zahnarztpraxis-Container, der mit einem Lkw zum gewünschten Behandlungsort transportiert wird und sogar ein mobiles Röntgengerät besitzt, am Freitag, 5. April 2019. Selbst die rheinland-pfälzische Ministerin für Soziales, Arbeit und Gesundheit, Sabine Bätzing-Lichtenthäler, gab sich die Ehre. Was Dr. Blum antreibt, verriet er dzw-Redakteurin Evelyn Stolberg im Interview.
Wie kam die Idee zum Zahnmobil zustande?
Dr. Christoph Blum: Im Februar 2018 kam wöchentlich der Notarzt mit pflegebedürftigen Patienten aus Alten- und Pflegeheimen in unsere Praxis, die der Paracelsus-Klinik in Bad Ems angegliedert ist. Bei einem älteren Herrn war zuvor ein Termin zur Behandlung in ITN vereinbart worden. Das lehnten die Angehörigen ab, weil sie die körperliche Belastung durch den Transport vermeiden wollten. Rund zwei Wochen später war dieser Patient dann als akuter Notfall mit Abszess bei uns und es musste spontan eine Behandlung in ITN erfolgen. An diesem Tag traf ich die Entscheidung, die Versorgung umzudrehen, weil ich finde, dass es Möglichkeiten geben muss, vor Ort ältere Patienten fachgerecht, hygienisch und umfassend zu versorgen.
Wie lange hat der Bau gedauert und wie hoch sind die Kosten gewesen?
Blum: Von der Idee bis zum ersten Einsatz am 20. März 2019 verging fast genau ein Jahr. Aus eigener Tasche habe ich 175.000 Euro bezahlt, 15.000 kamen vom Land und 10.000 vom Kreis. Durch Werbung einiger Firmen, die auch an der Umsetzung beteiligt waren, kamen noch weitere Beträge zusammen.
Vor Altenheimen ist nicht immer viel Platz: Wie lösen Sie das Parkproblem? Der Container, den Sie vor dem Gebäude abladen, hat ja immerhin eine Fläche von knapp 17 Quadratmetern.
Blum: Das ist bei uns eigentlich wenig problematisch. Auf dem Wirtschaftshof gibt es eine ausreichend große Stellfläche, auf der das Zahnmobil steht, wenn es nicht im Einsatz ist. Einige Pflege- und Altenheime haben auch einen Stellplatz für den Notarzt oder Rettungswagen in direkter Zufahrt von der Straße.
Welche Herausforderungen müssen Sie meistern, wenn Sie bettlägerige oder demente Patienten behandeln? Die müssen ja aus ihrem Zimmer irgendwie zu Ihnen kommen …
Blum: Wir wollen die Belastung so gering wie möglich für die Menschen gestalten, aber eine Behandlung im Pflegebett ist für mich, meine Mitarbeiter und den Patienten arbeitstechnisch, hygienisch und fachlich nicht hinnehmbar. Wir lagern die Patienten deshalb auf eine Fahrtrage, die für den Transport und die Behandlung als Stuhl gleichermaßen genutzt werden kann. Das ist die einzige Umlagerung. Über zwei Schienen geht es dann die knapp 25 Zentimeter hoch in den Container.
Welche Auflagen müssen Sie erfüllen, um ein mobiles Röntgengerät einsetzen zu dürfen?
Blum: Um das erste in Deutschland zugelassene mobile Röntgengerät betreiben zu dürfen, müssen wir strenge Vorgaben einhalten: Röntgen nur durch den Fachkundigen, Bleischürze für Patient und Behandler, monatliche Personendosimetrie. Auf der anderen Seite hat man aber auch erkannt, dass wir „nur für ein Bild“ nicht den Menschen aus dem Pflegebett reißen sollten. Daher dürfen wir im Container und in jedem Pflegezimmer im wichtigen Ausnahmefall röntgen.
Stichwort Hygiene: Wie bereiten Sie die Geräte unterwegs auf? Woher kommt das Wasser? Und wie meistern Sie eine Praxisbegehung?
Blum: Im Vorfeld wurde das Konzept mit dem zuständigen Gesundheitsamt besprochen und der Container begangen. Da wir keine mobile Praxis sind, sondern als mobile Behandlungseinheit gelten, bereiten wir alle Instrumente in unserer Praxis am Krankenhaus auf. Das Wasser kommt aufbereitet in Kanistern, womit wir eine gleichbleibende und über die Klinik geprüfte Qualität gewährleisten können. Ebenso sind wir auf eine Stromquelle des Kooperationspartners, also des Alten- und Pflegeheims, angewiesen. Salopp gesagt: Eine Behandlung auf dem Marktplatz ist also nicht möglich.
Ihre Zweigpraxis – oder offiziell „mobile Behandlungseinheit“ auf drei Achsen und acht Reifen – ist mit knapp 17 Quadratmetern recht groß. Trotzdem mussten Sie sicherlich auf die Größe der Geräte achten. Wie ist das Arbeiten für Sie und Ihre Mitarbeiterinnen im Zahnmobil?
Blum: Ich komme ursprünglich aus dem bodengebundenen Rettungsdienst, habe früher hier im Kreis als Rettungssanitäter gearbeitet. Unser Anästhesist Dr. Andreas Schmidt, der einmal pro Woche Patienten in unserer Praxis betreut und zusätzlich einmal pro Woche mit uns mobil unterwegs ist, ist ehemaliger Bundeswehrsoldat. Er kommt aus der Luftrettung. Wir kennen daher beide das Arbeiten auf engstem Raum und unter erschwerten Bedingungen wie Wind und Wetter. Der Container ist da mit seinen rund 7 mal 2,4 Metern schon geräumig. Viele der eingesetzten Komponenten kommen aus der Rettungs- und Notfallmedizin. Ja, wir verlassen die Komfortzone Praxis und suchen die Herausforderung. Aber den pflegebedürftigen Menschen etwas Gutes zu tun, die von unseren Standesvertretern und Politikern zu oft vergessen werden, entlohnt.
Wie viele Kooperationsverträge haben Sie abgeschossen, wie oft ist das Zahnmobil im Einsatz, und lohnen sich die mobilen Touren auch finanziell?
Blum: Wir haben rund zehn Kooperationen abgeschlossen, und jede Woche kommt eine neue dazu. Hochgerechnet müssten wir rund 40.000 Rheinland-Pfälzer versorgen und betreuen. Natürlich kann sich so ein Projekt nur durch die hohe Effizienz und Effektivität in der Planung, Vorbereitung und Durchführung lohnen. Neben der direkten Wertschöpfung im Mobil kommen noch einige harte und softe Faktoren zusammen, die das Projekt für uns lohnend machen.
Als harten Faktor sehe ich etwa die Wirtschaftlichkeit, denn das Mobil wird sich
finanziell lohnen. Vielleich nicht im ersten Jahr seines Einsatzes, aber mit der Zeit. Als softe Nebenfaktoren sehe ich, dass das Angebot ein Alleinstellungsmerkmal unserer Praxis ist. Mittlerweile implantiert ja fast
jeder. Doch durch den Einsatz des Mobils und die Behandlung oft multimorbider
Patienten erwerbe ich neue Kompetenzen. Das kann dafür sorgen, dass sich der ein oder andere für meine Praxis entscheidet. Nicht zuletzt erhalten wir von unseren Stammpatienten viele positive Rückmeldungen zu unserem neuen Angebot.
Was ist Ihr persönlicher Antrieb, die „Komfortzone“ der eigenen Praxis zu verlassen und sich um oft pflegebedürftige Senioren zu kümmern?
Blum: Es sind unsere Väter, Mütter, Opas und Omas, Onkel und Tanten. Sie haben dieses Land aufgebaut, Steuern gezahlt und sollten bei allen Krisen und Kriegen dieser Welt und Fluchtproblemen nicht vergessen werden. Politiker reden – wir handeln, wenn auch nur vor Ort. Folgen aber unserem Beispiel mehr Kollegen, können wir dem Arzt in unserer Berufsbezeichnung wieder eine Bedeutung geben.