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Prävention im Alter bringt viel

DGAZ-Symposium in Köln

Die Referenten des Symposiums „Seniorenprophylaxe auf Kasse“ (von links): Prof. Michael Noack, Dr. Greta Barbe, Dr. Dirk Bleiel, Prof. Ina Nitschke, ZA Andreas Kruschwitz und Prof. Christoph Benz.

Oft herrscht bei Veranstaltungen zum Thema Seniorenzahnmedizin gähnende Leere. Nicht so Mitte Februar, als die DGAZ – Die Deutsche Gesellschaft für AlterszahnMedizin – in die Zahnklinik Köln zum Symposium „Seniorenprophylaxe auf Kasse“ lud. Rund 140 Zahnmediziner strömten in den voll besetzten Hörsaal, um sich von der ersten Riege der Seniorenzahnmedizin Tipps und Informationen – von der Abrechnung bis zur Prothesenreinigung – zu holen.


Prof. Dr. Ina Nitschke, Präsidentin der DGAZ, führte ins Thema „Der geriatrische Patient“ ein. Wäh­rend sie zunächst die Frage stellte, ab wann man eigentlich als alt gelte (ihren Zahnmedizinstudenten in Leipzig hatte sie übrigens dieselbe Frage gestellt und die Antwort erhalten, dass eine Frau ab 59,9 Jahren, ein Mann ab 62,9 Jahren alt sei), analysierte sie die Altersentwicklung in Deutschland.
Dann wies sie darauf hin, dass 70 Prozent der pflegebedürftigen Senioren ambulant betreute würden und 30 Prozent stationär, also in Heimen untergebracht seien. Diese Patientengruppe, die häufig unter Immobilität, Instabilität, Inkontinenz, intellektuellem Abbau, Inappetenz, iatrogenen Schäden und oft auch Isolation leide, dürfe man nicht vergessen. Sie betonte: „Wir sind als Gesellschaft und auch als Zahnärzte aufgefordert, die Übergänge zwischen den Stufen fit, gebrechlich und pflegebedürftig so lange wie möglich hinauszuzögern.“ In den Praxen müsse Platz geschaffen werden für Rollator und Rollstuhl, weil die Zahl alter Patienten zunehmen werde. Und sie machte darauf aufmerksam, dass statistisch die Häufigkeit des Zahnarztbesuchs mit steigender Pflegebedürftigkeit abnehme. Da müsse man gegensteuern.


Prof. Dr. Christoph Benz, stellvertretender DGAZ-Präsident, widmete sich dem Thema „Seniorenprophylaxe auf Kasse – wo geht die Reise hin?“ Er lobte, dass es seit Sommer 2018 die Möglichkeit der Seniorenprophylaxe gebe. „Wir haben jetzt zwar noch nicht alle Leistungen, die wir haben wollten, aber immerhin … Und meine Botschaft lautet ausdrücklich: Prävention im Alter bringt viel!“
Er forderte seine Kollegen explizit auf, in die Heime zu gehen und dort aktiv zu werden. Denn: „Die Kassen sind nicht happy, dass sie jetzt Geld ausgeben müssen. Wenn wir die neuen Möglichkeiten nicht nutzen, könnten sie bald wieder weg sein. Es gab schon Ideen, Pflegekräfte umzuschulen. Die Krankenkassen könnten dann die Preise senken. Kurzum: Wenn wir nicht handeln, wird der Schaden für unseren Berufsstand immens sein.“ Er streifte das Thema Altersarmut, erinnerte die Symposiumsteilnehmer aber daran, dass es auch wohlhabende Senioren gebe.


Zahnarzt Andreas Kruschwitz, in Bonn niedergelassener Zahnarzt und Vorstandsmitglied der KZV Nordrhein, stieg in das Thema „Die neuen BEMA-Positionen aus Sicht der KZV“ ein.
Zuerst erklärte er die Leistungen nach Paragraf 22a und ging konkret darauf ein, für welche Patienten diese anwendbar seien. Den Symposiumsteilnehmern gab er den Tipp, dass man alle Positionen auf der Homepage der KZV Nordrhein suchen könne. Er wies außerdem darauf hin, dass die 107 a und die 107 im selben Halbjahr nicht zeitgleich abgerechnet werden dürften und erklärte, dass sich 2019 durch eine neue Transportrichtlinie die Regelung von Krankenfahrten deutlich vereinfachen würde, weil bei bestimmten Patientengruppen mit Pflegegrad eine Genehmigung der Krankenkasse dann nicht mehr notwendig sei.


 „Senioren in der Praxis – fünf Schritte zum Erfolg“ lautete der Beitrag von Dr. Dirk Bleiel, Vorstandsmitglied der DGAZ und niedergelassener Zahnarzt in Rheinbreitbach bei Bonn. Er betonte, dass man Vertrauen schaffen müsse, wenn man Senioren behandelt. „Hängen Sie doch ein Bild des US-Präsidenten J. F. Kennedy im Behandlungszimmer auf und fragen Sie Ihre Patienten, ob sie sich an ihn erinnern. Die meisten werden Ihnen wahrscheinlich eine persönliche Geschichte erzählen. Oder wenn Sie alte Schallplatten haben – nutzen Sie sie, um eine Verbindung aufzubauen.“  
Im nächsten Schritt sei es wichtig, Informationen zu erhalten, um den Patienten optimal behandeln zu können. „Falls ein Patient einen Pflegegrad hat, benötigen Sie einen Nachweis darüber. Doch wie erfahren Sie, ob Ihr Patient einen Pflegegrad hat?“ Hierzu gab er folgende Tipps: „Bei neuen Patienten können Sie die Frage in den Anamnesebogen aufnehmen.“ Beim alten Patientenstamm könnten folgende Möglichkeiten greifen: Man veröffentlicht einen Hinweis auf der Homepage, macht einen Aushang im Wartezimmer oder versieht die Datenschutzerklärung mit einem entsprechenden Zusatz.
Besonders wichtig sei es, stets sein Team mit einzubeziehen, da die Mitarbeiterinnen die ersten Ansprechpartner seien, wenn ein Patient die Praxis betrete. Um sich im Bereich Seniorenzahnmedizin weiterzubilden, gab Dr. Bleiel den Tipp, ein Curriculum der APW zu besuchen und sein Team entsprechend schulen zu lassen. „Sorgen Sie dafür, dass Ihre Mitarbeiterinnen Mundhygienemanagerinnen werden“, lautete sein Appell.

Hörsaal DGAZ-Symposium

Die DGAZ, die Kassenzahnärztliche Vereinigung Nordrhein und die Uniklinik Köln informierten die rund 140 Teilnehmer über Aspekte von der Abrechnung bis zur PZR.

Dr. Cornelius Haffner, Landesbeauftragter der DGAZ Bayern und Zahnarzt im Städtischen Klinikum Harlaching, gab Tipps aus der Praxis zur Umsetzung der neuen BEMA-Positionen. Er startete direkt mit einem typischen Beispiel: „Ihre Praxis erhält einen Anruf. Die Tochter einer Heimbewohnerin sagt, ihre Mutter trage ihre Zähne oben nicht mehr und habe Schmerzen. Sie müsse bei der Behandlung dabei sein, sonst sei die Mutter nicht kooperativ. Aus diesem Anruf können Sie einige Schlussfolgerungen ziehen: Die Mutter ruft nicht selbst an, könnte gesundheitlich vielleicht nicht in der Lage ­dazu sein. Sie hat offensichtlich eine Versorgung im Oberkiefer, und sie können den Besuch – da die Pa­tientin über Schmerzen klagt – nicht lange hinauszögern. Außerdem sind Sie angefordert worden, was auch wichtig ist, da wir nicht in die freie Arztwahl eingreifen dürfen.“


Doch wie soll ich als Zahnarzt bei einem Besuch im Seniorenheim vorgehen? „Wenn Sie planen, mehrere Patienten im Seniorenheim zu behandeln, sollten Sie sich immer genügend Zeit für die Anamnese nehmen. Die ist zwar zeitraubend, aber aufgrund der Multimorbidität und da 20 bis 30 Prozent der Heimbewohner mit MRSA zu tun haben, haben Sie nicht nur Ihrem Team, sondern jedem Patienten gegenüber eine Verantwortung.“ Was vor Ort an Behandlungen möglich sei, sei im Vergleich zur Praxis zwar begrenzt. Eine Schmerztherapie und die Wiederherstellung der Kaufunktion seien jedoch fast immer möglich. Die Frage, ob  man sich als Zahnarzt wirtschaftlich gesehen dieser Patientengruppe zuwenden könne, beantwortete er mit einer Beispielrechnung:
Ein Zahnarzt besucht an einem Mittwoch in der Zeit von 14 bis 18 Uhr im Rahmen einer Kooperation „seine“ Einrichtung. Dort untersucht er insgesamt zehn Bewohner. Je nach Patient werden folgende BEMA-Positionen abgerechnet: 154, 155, 172a, 172b, 174a und 174b. Unterm Strich kam der Beispielzahnarzt so auf mehr als 1.000 Punkte.

Dr. Dr. Greta Barbe, Landesbeauftragte der DGAZ Nordrhein und wissenschaftliche Mitarbeiterin der Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie der Universitätsklinik Köln, lieferte zum Abschluss einen Bericht aus der Forschung, in dem sie die neuen Präventionskonzepte im Praxistest vorstellte. Denn: Eine schlechte Mundgesundheit bei Pflegebedürftigen habe nicht nur soziale und psychologische Konsequenzen, sondern könne auch massive gesundheitliche Auswirkungen haben. Sie stellte ein Präventionsprogramm vor, bei dem untersucht wurde, welche positiven Auswirkungen eine PZR bei Heimbewohnern haben kann, und bewertete diese auch gesundheitsökonomisch. Bei durchschnittlich 79 Bewohnern pro Pflegeheim würden die Kosten bei einer jährlichen PZR (ohne An- und Abreise) 1.183 Euro betragen. Dr. Barbe thematisierte in diesem Zusammenhang auch den Candidabefall in der Mundhöhle, der zu oraler Stomatitis und Pneumonie führen könne.


Zum Abschluss hatten die Teilnehmer noch Gelegenheit, bei einer Podiumsdiskussion unter der Leitung von Prof. Dr. Michael No­ack, Direktor der Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie der Universitätsklinik Köln, Fragen zu stellen. Dabei ging es etwa um das schwierige Thema der oft zuckerhaltigen Getränke und Lebensmittel in Pflegeheimen und wie zu entscheiden sei, wenn man durch bestimmte Getränke einer Dehydrierung vorbeuge. Dr. Barbe gab zum Thema Mundtrockenheit die Tipps, Öl zu ziehen, Ingwertee zu trinken und entsprechende Sprays zu verwenden.