Praxisabgabe: Horst Willeweit über die Perspektive der Abgabewilligen (Teil 1)
Wer seine Praxis abgeben möchte, handelt aus unterschiedlichen Motivationen. Zu nennen sind gesundheitliche Mängel, fachliche Abgeschlagenheit (die Praxis kann mit dem Wettbewerb im Einzugsgebiet nicht mehr mithalten), auslaufender Mietvertrag oder einfach der allgemeine Verschleiß und Frust, gepaart mit der Erkenntnis, aus erreichtem Vermögen auskömmlich in den vitalen Ruhestand gehen zu können und zu wollen. Letzteres geschürt durch Personalmangel und überbordendem Verwaltungsaufwand.
Das Praxis-Zepter übergeben
Gelegentlich können Praxisabgabeinteressenten auch tiefere Ziele anführen. So kann es darum gehen, dem eigenen Nachwuchs, gewonnen für die Zahnmedizin, frühzeitig das Zepter zu übergeben, sie oder ihn an die Praxis zu binden. In der Erkenntnis, dass das AVW einen Einmalbetrag zur Ruhestandsabfindung anbietet oder auch lediglich vielleicht 3.700 Euro Monatsrente ausweist, steigt das Interesse, den Erlös aus dem Praxisverkauf zu einem Baustein für die Alterssicherung zu machen. Etwas despektierlich sei erlaubt zu erwähnen, dass Pflegeheime für die vollstationäre Versorgung durchaus monatliche Rechnungen über 6.100 Euro schreiben.
Abgabevorbereitung oft viel zu kurzfristig
Eigentlich regelmäßig unterschätzt wird auf Abgeberseite die Dauer der Vorbereitung einer Praxisabgabe, die Phase der Einwerbung möglichst mehrerer Interessent:innen und, wenn gefunden, die Zeit, die Interessenten zur Entscheidungsfindung und danach als Kündigungszeit der bisherigen Tätigkeit benötigen. Zwölf Monate sind da ein kurzer Zeitraum. Auch kann ein aus Sicht der Nachfolgeschaft notweniger Umbau oder eine Teilneuausstattung diese Zeit weiter ausdehnen.
Rechnen Sie einmal mit: Die Praxis muss für Übernehmer attraktiv gemacht werden. Das kann einen Zeitraum von zwei bis fünf Jahren einnehmen. Wird dann das Abgabeangebot durch die Wertermittlung des Geschäftswerts aus den Bausteinen materieller Wert (Substanzwert) plus ideellen Wert (Goodwill) gleich Gesamtgeschäftswert ermittelt und ein entsprechend ambitioniert aufgestellter Gesamtkatalog rund um den Standort erstellt, vergeht darüber ein weiteres Quartal. Erst dann kann die Einwerbungsphase beginnen.
Die Praxis übergabereif machen
Und weil wir auf lange Zeit hinaus einen Übernehmermarkt haben, muss die Braut regelmäßig hübsch und handsam gemacht werden – selbstverständlich in einem vertretbaren, seriösen Rahmen. Mit anonymen Kleinanzeigen und digitalen Kontakten zu vermittelnden Praxisbörsen der Standesvertretungen wird das schwer gelingen. Kaum ein Praxisinhaber kennt auch nur eine zweite Praxis derart detailliert, dass er mit diesem Wissen sein Angebot entsprechend formulieren könnte.
Dazu ein Beispiel: Kürzlich wurde ich mit nur Tagen Abstand zur Praxiswertermittlung und Abgabevorbereitung in jeweils zwei 20.000-Einwohner-Städtchen bestellt. Beide Praxen werden als Einzelpraxis betrieben. Beide eignen sich von Lage und Zuschnitt, als Doppelpraxis weiterbetrieben zu werden, zum Beispiel, indem sich zwei junge Frauen zur Existenzgründung zusammenschließen, auch in teilversetzter Tagesarbeitszeit (Kinderbetreuung).
Beide Praxen zeichnet eine gutwillige Vermieterschaft und eine gute Geschäftslage aus. Allein eine Praxis war völlig veraltet. Die Einrichtung stammte vom Vorgänger des jetzigen Abgabeinteressenten noch aus dem Gründungsjahr 1978 – farngrün und maisgelb in den Farben, mit ausgetretenen Teppichböden, Teilen des nebenberuflich genutzten Praxislabors im Sozialraum und einem analogen OPG (Drei-Drehachsensystem).
Die andere Praxis hingegen machte rundum den Eindruck, als Neugründung erst morgen eröffnet zu werden, hell, mit aktueller Einrichtung und durchdigitalisiert konnte sie spontan punkten. Das solche Umstände jeweils einer dezidierten Bewerbung für die Nachfolge benötigen, liegt auf der Hand.
Die Suche nach Nachfolge
Empfohlen ist eine Anzeigen- und Werbebriefkampagne, für die ein Zeitraum von weiteren vier Monaten benötigt wird. Vertrauten zu sagen „Suchen Sie mir eine Übernehmerschaft – aber sagen Sie es niemandem!“ funktioniert nicht, führt zu Zeitverlust und Frust. Um Vertraulichkeit gegenüber Mitarbeitenden, Lieferanten aus dem gewerblichen Labor und Dental-Depot sowie im privaten Umfeld zu wahren, kann dies ein Treuhänder übernehmen.
Sollen mit der Praxisabgabe Erlöse zwischen 200.000 und 800.000 Euro erzielt werden, ist es nicht vermessen, dafür einen niedrigen fünfstelligen Eurobetrag einzusetzen. Das ist im Wirtschaftsleben völlig normal. Gestaltete Anzeigen, individuelle Werbebriefe, zum Beispiel an gezielte Adressen in den 31 Unis, je vierfach) oder die Aktualisierung der Internetseite können sinnvolle Maßnahmen sein. Kommunikations-Designer können hier hilfreiche Partner sein, Makler oder Werbeagenturen eher weniger.
Handelt es sich bei den Praxisräumen um selbst genutztes Eigentum, gegebenenfalls das des Ehepartners, ist vor der Praxisbeendigung unbedingt steuerliche Rat einzuholen. Das Finanzamt könnte Begehrlichkeiten aus MwSt. und/oder Wertzuwachs begehren. Weiter müssen solche Räume vor einer Weiternutzung außerhalb der Zahnmedizin bauamtlich umgewidmet werden (aktuelle Nutzungsauflagen) und baulich neu ausgestaltet werden. Das kostet.
Der erste Eindruck
Melden sich erste Interessent:innen, ist der „gute erste Eindruck“ entscheidend, er kann nicht wiederholt werden (Teil 3 dieser kleinen Reihe wird darauf eingehen).
In dem Maß, in dem die Direktzahlerleistungen der Patienten am Markt steigen, gelten auch für den Mikrokosmos einer Zahnarztpraxis die normalen marktwirtschaftlichen und wettbewerbstechnischen Mechanismen. Zu berücksichtigen sind in diesem Zusammenhang auch die Finanzierer, die Banken, die für Kreditvergaben den Basel-Prüfkriterien unterliegen. Faustregel: Der Bewerber muss als Person überzeugen und sich mit dem Existenzvorhaben, ausgehend von seiner derzeitigen Situation, mit dem Vorhaben der Praxisübername, gemessen am Marktdurchschnitt zahnärztlicher Praxiserträge, nachhaltig verbessern. Das gilt es im Gespräch mit der Bank zu vermitteln, und so werden kreditgebende Banken auch selbst geprüft.
Und weil die Wirtschaftsverhältnisse aus selbstständiger zahnärztlicher Tätigkeit nicht mehr so dicht beieinander liegen, wie das noch vor vielleicht zwanzig Jahren der Fall war, wird durchaus genau hingesehen. Aus dieser Erkenntnis ist es nicht übertrieben, einem Abgabeangebot an Übernahmebewerber bereits ein Finanzierungsangebot mit ausgewiesener monatlicher Zins- und Tilgungsbelastung beizulegen.
Ein solches Angebot kann, durchschnittliche Bonität des Antragstellers angenommen, die Hausbank des Abgebers freibleibend erstellen. Dem Abgabeangebot beigelegt signalisiert es der Interessentenseite eine willkommene Kalkulationsgrundlage. Es gilt, der gängigen Unsicherheit einer eines Übernehmers oder einer Übernehmenrin in deren Unerfahrenheit ein Stück Sicherheit zu bieten.
Regelungsbedarf an vielen Stellen
Bisweilen versuchen gestandene Praxisunternehmer:innen gar nicht erst, ihre Praxis anzubieten: „Ich kenne Kollegen, die sich vielfach bemüht haben, und gleichwohl keinen Nachfolger gefunden haben“ oder „Ich beginne das Verfahren der Praxisabgabe gar nicht erst“, höre ich bisweilen. Was bedeutet die Praxisschließung? Zunächst einmal ist da das Unwohlsein, die selbst aufgebaute Existenz freiwillig aufzugeben. Dieses Gefühl führt zu einer Art Ignoranz gegenüber der Vernunft.
Da gilt es Mietvertrage frühzeitig auf die eigenen Terminwünsche einzustellen, Arbeitsverträge sind auf Beendigungsfähigkeit (und deren Kosten) zu überprüfen. Dazu kann ein Rechtsbeistand eingesetzt werden. Ausbau, Entsorgung und gegebenenfalls Rückbau von Mietereinbauten etc. stehen an; auch da entstehen Kosten. Zudem laufen in den letzten Betriebsquartalen die Kosten weiter, derweil die Umsätze/Erträge fallen, denn Behandlungen über die PA hin zur KONS bis zu prothetischen Versorgungen können nicht mehr begonnen werden. Das drückt auf die Höhe des Praxiswerts.
Hinsichtlich der denkbaren weiteren Mitarbeit als Angestellter in der dann verkauften Praxis steht ein Blumenstrauß voller Möglichkeiten zur Verfügung. Lebensweisheit: Der Herbst kommt früh! Aber es ist auch nicht immer gesund, von jetzt auf gleich hinzuwerfen. Abgeber können helfen, dem Nachfolger einen Einstieg in den einzigen Wachstumsbereich der Zahnheilkunde, der Seniorenversorgung, 01-sen/klinische Untersuchungen in Heimen, Hereinholung der Senioren in die Nachfolgerpraxis, zu bieten.
Werden der Übernehmerin oder dem Übernehmer ausgearbeitete Pläne zum Praxisbetrieb als Mehrbehandlerpraxis gleich vorgelegt, erhöht das die Chance zum Verkaufsabschuss. Gilt es den –stillen – Sorgen der jungen Zahnärzteschaft hinsichtlich Lifebalance, Wissen um ihr mangelndes Selbstvertrauen in der Breite der Berufsausübung, ihren Ängsten vor dem Verwaltungsaufwand wie auch der Verantwortung zu begegnen.
Auch aus Gründen vormals aufgesparter Steuerschulden aus vermeintlich vorteilhaften Anlagen sollte aus Einnahmen der Praxistätigkeit, nicht erst aus Ruhestandsbezügen, „abgerechnet“ werden. Dazu ist zumeist steuerlicher Rat notwendig.
Noch ein letztes: Die Attraktivität der Praxis hat nicht nur mit dem Verhältnis der Differenz zwischen Kosten und Ertrag zu tun, sondern auch mit der Qualifikation und dem Vorhandensein von Assistenzpersonal, wie auch prüffähiger, guter Zukunftsaussichten. Hier ist zu beobachten, dass Praxisabgeber gelegentlich Angehörigenarbeitsverträge unterhalten, also Kostenstellen haben, die dem Wirtschaftsbetrieb nie zuträglich waren. Andererseits haben es gestandene Praxisinhaber gern bequem und bezahlen (zu) viel Personal. Auch wollen nicht so selten Mitarbeiterinnen zeitgleich mit dem Chef in den eigenen Ruhestand gehen. Faktoren, die im Prozess der Anwerbung wie im Praxiswert eine Rolle spielen.
In einem Übersichtsgespräch mit neutraler, aber kundiger Beraterschaft, wird es sinnvoll sein, die Praxisabgabeplanung durchzusprechen, Möglichkeiten zu erkennen und einen Terminplan für die Vorbereitungen niederzulegen. Gut, wenn ein Praxisabgeber seine Ziele, die er mit der Abgabe verfolgt, schriftlich und vorzeigbar bereit hat. So können die ebenfalls schriftlich abzuverlangenden Vorstellungen zur Berufsausübung einer Übernehmerschaft abgeglichen werden und Kompromisse eingegangen werden; oder eben auch nicht. Klarheit tritt schnell ein.
Horst Willeweit, Bielefeld
(wird fortgesetzt)
Titelbild: Kostiantyn – stock.adobe.com
Horst Willeweit
Nach 45 Jahren als Praxiseinrichter ist Horst Willeweit im Feld der Dienstleistungen für Dentalhandel, Herstellung sowie der Wertermittlung zahnärztlicher Praxen und zahntechnischer Labore bundesweit tätig (Abgaben/Übernahmen, materiell wie ideell/Goodwill).
Kontakt auf www.willeweit.de