Herausforderung 1: Sich stets verändernde und somit unsichere Rahmenbedingungen
Wir können die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen als komplex und sich stets verändernd bezeichnen. Die Unsicherheiten nehmen zu, während die Planbarkeit der Zukunft abnimmt. Den heute üblichen Methoden des Praxismanagements liegen die Annahmen zugrunde, dass die Rahmenbedingungen stabil bleiben und die Zukunft planbar sei. Wir nutzen im Management von Organisationen oftmals noch immer die Methoden zur Führung, die sich bereits häufig als irreführend und unangemessen erwiesen haben, weil sie nicht flexibel genug waren für unsere volatilen Zeiten.
Herausforderung 2: Die Generation Y
Die vielbesprochene Generation Y hinterfragt die Sinnhaftigkeit der Arbeitswelt. Sie strebt nach einer Arbeitsstelle mit einem sicheren, hohen Einkommen. Zusätzlich soll die Arbeitsstelle aber auch noch ein angenehmes Teamklima, eine moderne Praxisausstattung mit Pausenräumen, einen vertrauensvollen und wohlwollenden Chef, Weiterbildungsmöglichkeiten, flexible Arbeitszeiten und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie vorsehen. Der Forderungskatalog kann empören oder als Fakt in einer immer anspruchsvolleren Arbeits- und Lebensrealität akzeptiert werden. In jedem Fall aber müssen diese Aspekte für eine erfolgreiche Gewinnung und Bindung von Mitarbeitern berücksichtigt werden.
Herausforderung 3: Sinnstiftung als zentraler Wert
Das Suchen nach einer sinnstiftenden Tätigkeit ist kein Privileg der Generation Y. Vielmehr zieht sich ein Wertewandel durch alle aktiven Generationen des Arbeitslebens. Zunehmend weniger Menschen sind bereit, sich ihr Wohlbefinden abkaufen zu lassen oder das Leben auf die Zeit nach der Arbeit zu verschieben. Vielmehr soll die Arbeit selbst ein bedeutsamer Teil des Lebens sein, der Sinn stiftet und in Ergänzung zu den materiellen Absicherungen Erfüllung, persönliches Wachstum und Bestätigung bietet. Das herkömmliche Verständnis einer Command-and-Control-Führung kann diesbezüglich keine befriedigenden Antworten liefern.
Unterscheidung zwischen Management und Leadership
In den zurückliegenden Jahren hat sich in der weltweiten Diskussion über die Effektivität von Führungsstilen eine Dualität von zwei Führungsstilen etabliert. Die beiden amerikanischen Forscher Bernard Bass und Bruce Avolio haben mit einigen vielbeachteten Publikationen den Weg bereitet für den Siegeszug der Begrifflichkeiten der sogenannten transaktionalen und der transformationalen Führung.
Bei der transaktionalen Führung geht es darum, mit klaren Vorgaben die Erwartungen an die Mitarbeiter zu kommunizieren, das Erreichen der Vorgaben zu kontrollieren und entsprechend der Zielerfüllung mit Belohnungs- und Bestrafungsmechanismen zu reagieren. Die transaktionale Führung eignet sich insbesondere dafür, bekanntes Terrain zu beackern, mithin wiederkehrende Aufgaben mit bekannten Lösungswegen möglichst effizient und fehlerfrei auszuführen
Bei der transformationalen Führung geht es um die Gestaltung des Wandels. Durch das Aufzeigen eines gemeinsamen, für alle attraktiven Entwicklungswegs wird versucht, ein Team zu inspirieren und mit auf eine Reise zu nehmen. Fragen der individuellen Entwicklung, des Teamzusammenhalts und der Sinnhaftigkeit der gemeinsamen Anstrengungen stehen im Vordergrund. Die transformationale Führung gilt als die Führung des Wandels.
Im Amerikanischen wird unterschieden zwischen Managern und Leadern. Transaktionale Führer könnte man in diesem Modell als Manager, die transformationalen Führer als Leader bezeichnen. In der Abbildung 1 werden die beiden Typen noch detaillierter gegenübergestellt. Manager sorgen dafür, dass das Geschäft läuft, und Führer sorgen dafür, dass sich das Geschäft entwickelt.
Management oder Leadership?
Welche Art der Führung – Management oder Leadership – verspricht angesichts der oben skizzierten Herausforderungen den besseren Effekt? Beide Stile haben ihre Berechtigung, allerdings besteht beim Management die Gefahr der Überregulierung. Beim Leadership gibt es kein Zuviel.
Der ideale Mix für eine erfolgversprechende Teamführung in Zeiten des Wandels wird gemäß der empirischen Evidenz in einem moderaten Maß an Management und einem maximalen Maß an Leadership gesehen.
Beim Management gilt es, die Arbeitsabläufe zu regeln, Zuständigkeiten zu klären, Standards zu definieren und umzusetzen, Qualität und Hygiene zu sichern und den kaufmännischen Vorgaben zu genügen. Angesichts der regulatorischen Vorschriften müssen Praxen ein erhebliches Maß an Management sicherstellen. Wird über das erforderliche und sinnvolle Maß hinaus das Management forciert, besteht die Gefahr der Überregulierung. Dies würgt die Kreativität, das Mitdenken und das eigenverantwortliche Handeln eines Teams ab. Wachstum und Wandel sucht man in überregulierten Teams vergebens.
Vom Erfüllen des erforderlichen Maßes an Management darf sich die Praxisführung noch keine Effekte der Teammotivation, der Zufriedenheit oder eines gesteigerten Commitments oder Engagements der Mitarbeiter versprechen. Diese hängen jedoch eng zusammen mit dem Ausmaß an Leadership, das in der Praxis gelebt und spürbar wird. Zum Leadership zählen das Aufzeigen und Vermitteln einer inspirierenden Vision, die Kommunikation der Bedeutsamkeit der Arbeit, die individuelle Beachtung und Förderung der Mitarbeiter, die Teamkohäsion und die Gestaltung des Wandels. Leadership korreliert hoch mit der Zufriedenheit und dem Commitment der Mitarbeiter, Management alleine nicht.
In Zeiten des Wandels liegt es nahe, einen Führungsstil des Wandels zu praktizieren. Allerdings: Es bedarf nach wie vor eines guten Praxismanagements. Auf der Basis einer klaren Organisation gilt es dann, das Leadership auszubauen und damit den optimalen Mix beider Führungswelten in der eigenen Praxis zu verwirklichen. In Praxispartnerschaften können die Chefs durchaus unterschiedliche Zuständigkeiten in diesem idealen Mix übernehmen; in der Summe sollte allerdings das Überregulieren vermieden werden und das Leadership-Verhalten überwiegen (mehr dazu im zweiten Beitrag dieser kleinen Serie).
Mit einem ausgeprägten Leadership kann den Herausforderungen eines umkämpften Fachkräftemarkts begegnet werden, und wir dürfen uns positive Auswirkungen auf die Zufriedenheit, die intrinsische Motivation und das Commitment der Mitarbeiter erwarten.
(wird fortgesetzt)
Weiterführende Informationen gibt es unter www.fuehrungs-und-teamklima.de.