Bissmaterial – besser Bissnahme- oder Bissregistriermaterial – gehört in den Nonfood-Bereich. Auf dieses Material wird auch selten gebissen, obwohl die Bezeichnung das nahelegt. Die Benennungen sind vielfältig: Mal ist von Material zur Bissnahme oder Bissregistrierung die Rede, mal von Bissabdruck oder Bissfixierung, oder ganz simpel – aber eben besonders irreführend – von Bissmaterial.
Reflexhafte Ablehnung durch Erstatter
Die genaue Bezeichnung auf der Rechnung ist an sich wichtig und nötig, aber für die Reaktion mancher Kostenerstatter ohne Bedeutung, wenn nur das Schlüsselwort oder der Wortteil „Biss“ auftaucht. Dann kommt es mancherorts zu reflexhafter Ablehnung ohne genaues Hinsehen.
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In den vergangenen Monaten tauchten wiederholt Stellungnahmen von nordöstlichen Zahnärztekammern auf, die eine Berechnung von Bissnahmematerial kategorisch ablehnten. Als Grund wird genannt, dass Biss- oder Bissnahmematerial bei keiner Gebührenleistung im Anhang der GOZ im so genannten „Gebührenverzeichnis“ aufgeführt sei und daher nicht gesondert berechnet werden könnte. Auch sei die Relationsbestimmung bei Kronen, Brücken und Prothesen abgegolten, also auch dazu das Material nicht berechnungsfähig.
Manche Zahnärzte staunen darüber – „Das war doch immer anders“ – und reagieren verständnislos. Dazu muss man deutlich sagen, dass Änderungen der Kommentierung, die Jahrzehnte gültig war ohne genaue Erklärung für erhebliche Auslegungsschwenks, zu Recht erhebliche Akzeptanzprobleme bekommen.
Berechnungsgrundlage in der GOZ
Insbesondere bei Sachbearbeitern von Versicherungen beziehungsweise der Beihilfe hat sich die bei Kronen, Brücken und Prothesen ausdrücklich als abgegolten erwähnte „Bestimmung der Kieferrelation“ oder „Relationsbestimmung“ im Kopf festgesetzt. Und dass es in den Berechnungsbestimmungen zu diesen Ziffern 2200 bis 2220, 5000 bis 5040 und 5200 bis 5230 GOZ keine ausdrückliche Erwähnung der Berechnungsmöglichkeit von Materialien zur Relationsbestimmung gibt. Und das ist auch so zutreffend angegeben.
Allerdings gibt es nicht nur zugehörige Berechnungsbestimmungen im Anschluss an spezielle Gebührenziffern, sondern auch noch übergeordnete „Allgemeine Bestimmungen“ zu Beginn bestimmter GOZ-Abschnitte. Hier interessiert der Teil „A. Allgemeine zahnärztliche Leistungen“ mit der Bestimmung Nr. 2: „Das bei Leistungen nach diesem Gebührenverzeichnis verwendete Abformungsmaterial ist gesondert berechnungsfähig.“
Also ist jedes Abformungsmaterial, das zur Erbringung von GOZ-Leistungen verbraucht wird, gesondert berechnungsfähig. Allerdings keins, das zu Analogleistungen benötigt wird, denn die sind zwar in der GOZ in Paragraf 6 (1) verankert, aber nicht im Gebührenverzeichnis (Anlage 1 zur GOZ) aufgeführt. Unter Abformungsmaterial ganz allgemein fällt dann selbstverständlich auch das Bissabformungsmaterial. Dieses besondere Abformungsmaterial muss sogar zeitgleich zwei Abformungsaspekte bewältigen, nämlich einmal die exakte Abformung von Zahnkauflächen beziehungsweise Leerkieferanteilen und zum zweiten die Abformung der Lagebeziehung der Kiefer zueinander (integrale Doppelabformung).
Art der Materialien
Es handelt sich beim Bissabformungsmaterial um ein genau zeichnendes Abformungsmaterial zum Beispiel auf Silikonbasis, auf Vinylpolysiloxanbasis oder um ein Wachs-/Kunstharzgemisch mit Metalleinlage als Trägersubstanz etc. Das sind unstrittig alles typische Abformungswerkstoffe.
Bissabformungsmaterial zeichnet sich gegenüber anderen Abformungsmaterialien durch sehr hohe Endhärte und Festigkeit (Starrheit, hohe Shore-Härte) aus. Derartiges Material kann voll ausgehärtet gegebenenfalls mit einer Fräse bearbeitet werden. Die Genauigkeit der Abformung und zusätzlich die hohe Formtreue und bleibende Formstabilität sind zahnmedizinisch unbedingt erforderlich.
Nur so können sowohl vom Ober- wie auch vom Unterkiefermodell die genau abgeformten Kauflächenreliefs der Zähne und gegebenenfalls der völlig drucklos abgeformten Leerkieferanteile des Alveolarfortsatzes mithilfe der „Bissabformung“ einerseits auf den Zehntelmillimeter genau reponiert und zum zweiten einander exakt passend zugeordnet (relationiert) werden. Diese Zuordnung von Ober- zu Unterkiefermodell mithilfe eines Bissabformungsmaterials wird in einem Artikulator (Gelenksimulator) fixiert, in der Regel mithilfe von Gipsbefestigung („Eingipsen“). Interessant ist, dass früher Gips auch selbst als Abformungsmaterial verwendet wurde: Das heißt aber nicht, dass der Gips zum Einartikulieren nun auch als Material berechnungsfähig wäre.
Rechnungslegung
Auf der Rechnung wird dazu gemäß Paragraf 10 Absatz 2 Punkt 6 GOZ „Art, Menge und Preis verwendeter Materialien“ angegeben. Tatsächlich werden denn auch Menge und Preis des Bissabformungsmaterials – in der Regel – verordnungskonform auf den Rechnungen aufgeführt. Jedoch die genaue Art des Materials (Firma, Produktname, Markenbezeichnung, Sorte oder Artikel etc.) ist dagegen oft nicht oder nicht einwandfrei identifizierbar auf der Rechnung ausgewiesen.
Aber nur wenn das erfolgt, kann man gravierende und dann gar nicht mehr so lustige Irrtümer vermeiden, wie zum Beispiel bei Berechnung von „X-gum“, einem A-Silikon-Abformungsmaterial. Das zog dann den Unwillen der Beihilfe auf sich, die vermutete, dass ein medizinischer Kaugummi als Mundreinigungs- und -pflegemittel abgegeben und berechnet worden sei.
Skeptische, dennoch am berechneten Preis zweifelnde Erstatter werden auf die offiziellen Preislisten der Hersteller beziehungsweise des Dentalhandels verwiesen mit folgenden Aussagen: „Alle zur Berechnungsfälligkeit gemäß Paragraf 10 (2) GOZ erforderlichen Angaben sind auf der Rechnung eindeutig ausgewiesen. Preise bitte schön selber in den offiziellen Listen nachschauen. Hinzurechnen von Versandkosten und Umsatzsteuer aber nicht vergessen.“ Man sollte die zweifelnde Nachfrage höflicherweise gänzlich unkommentiert lassen und keineswegs resümieren: Wir sind nicht Bürokratiegehilfe der Erstatter (was dennoch zutrifft).
Rechtsprechung
Interessant ist ein zustimmendes Urteil des LG Düsseldorf (4. Februar 2010, Az.: 3 O 207/08), das die ZA-Zahnärztliche Abrechnungsgesellschaft unter anderem zur Berechnung des Abformungsmaterial „Y-tec“ erstritten hatte: Es wird in diesem Urteil eindeutig bestätigt, dass es sich dabei um ein gemäß Paragraf 4 (3) GOZ berechnungsfähiges und somit auch erstattungsfähiges Bissabformungsmaterial handelt.
Es ist gemäß Paragraf 10 (2) 6 GOZ nicht erforderlich, neben der genauen Art des Materials auch noch den Zweck oder Einsatzort etc. auf der Rechnung anzugeben. Es heißt ja nicht Zahn-, Kiefer-, Funktions-, Einprobe- oder Remontage-Abformungsmaterial. Warum also die Benennung als Bissabformungsmaterial oder gar Abformungsmaterial zur Bissnahme? Der Firmen- und Fabrikatname, gegebenenfalls die besondere Materialausführung/-art sind als Rechnungsangabe völlig ausreichend.
Kalkulationsbeispiel
Firma A, Abformungsmaterial B (Packung zweimal 50 ml Kartuschen, 12 Mixing-Tips) 40,90 Euro zzgl. 5,- Euro Versand plus 19 Prozent Mehrwertsteuer dividiert durch 12 Anwendungen (zu je 7,5 Gramm) ergibt mindestens 4,50 Euro je Anwendung – bei Mehrverbrauch zum Beispiel wegen Leerkieferanteilen oder zusätzlicher Kontrollabformung werden höhere Mengen benötigt.
Hinweis: In dem Online-Abrechnungslexikon Alex findet man unter den Treffern zum Suchbegriff „Abformung“ unter anderem einen Hinweis auf das Glossar, auch unter der Domain wiki.alex-za.de.
Wenn man diese typische Verteilerseite in der Glossarsammlung aufmacht, werden darauf Definitionen zu den unterschiedlichen Arten der Abformung in der Zahnmedizin angeboten und auch eine Tabelle mit Verlinkungen zu den Gebührenziffern, die Abformung beinhalten. Am Ende der Tabelle gibt es einen Link zu „Indikationen für Abformmaterial“. Betätigt man diesen Link, erscheinen unter ca. 35 Anwendungsaspekten für Abformungsmaterial unter anderem Aufbisskontrolle (auch additiv), Aufbissumarbeitung – auch Prothese zum Aufbissbehelf (direkt/indirekt), Aufbissunterfütterung (direkt/indirekt), Bissregistrierung, Bissabformung, Bissnahme usw.