Aktuell gibt es deutschlandweit nur rund 77 Spezialisten der Seniorenzahnmedizin. Dem gegenüber stehen immer mehr alte Menschen, die in Senioren- und Pflegeheimen leben oder zu Hause betreut werden. Der Bedarf an kompetenten Behandlern ist also riesig. Wer mit dem Gedanken spielt, sich in diesem Bereich einen Schwerpunkt aufzubauen, hat gute Zukunftsperspektiven. Doch was benötigt man eigentlich, um als Seniorenzahnmediziner zu starten?
„Gerade am Anfang braucht man – außer Motivation – gar nicht viel“, erklärt Dr. Dirk Bleiel, Vorstandsmitglied der DGAZ (Deutsche Gesellschaft für Alterszahnmedizin e.V.) und Spezialist der Seniorenzahnmedizin. Er besucht einmal die Woche ein Seniorenstift und hat sich dafür eine mobile Einheit angeschafft, betont aber, dass man anfangs auch ohne auskommt. „Eine Investition in einen Plastikkoffer, den man innen und außen desinfizieren und über ein Klick-System erweitern kann sowie ein mobiles Kartenlesegerät sind erstmal alles, was man braucht. Im Koffer kann man die nötigen Utensilien verstauen.“ Denn: „Man kann vor Ort damit einfache Behandlungen und Kontrollen vornehmen und die Patienten dann in die Praxis einbestellen. Dadurch hat man die Möglichkeit, sich diesem Feld der Zahnmedizin in Ruhe anzunähern.“
Für alle Patienten mit Pflegegrad kann für die Fahrt zur Praxis ein Transportschein beantragt werden. Bei gebrechlichen, bettlägerigen Patienten, bei denen ein sehr aufwendiger Eingriff ansteht, empfiehlt sich eine Überweisung zum MKG-Chirurgen oder in die Zahnklinik.
Einfache Ausstattung – gute Versorgung
Bleiel hat sich – nach seinem Einstieg in die Seniorenzahnmedizin – entschieden, Hausbesuche zu machen, weil er bemerkte, dass es gerade für hochbetagte Bewohner eine enorme Belastung ist, zu ihm in die Praxis zu kommen. „Doch das muss jeder selbst entscheiden. Wichtig ist nur, dass die Senioren gut versorgt werden.“
Seine mobile Einheit hat einen Kompressor und eine Absaugmaschine. Die regulären Arbeiten, wie das Austauschen einer Füllung oder die Prophylaxe, sind damit möglich.
Seine ZFA, die ihn bei den Hausbesuchen begleitet, hält den Patienten eine Nierenschale zum Ausspucken hin.
Verbesserungen für Senioren und Zahnärzte
Im Durchschnitt kostet eine mobile Einheit zwischen 8.000 und 12.000 Euro. Ihr Aufbau ist mit ein wenig Mühe verbunden, da sie ein Gewicht von rund 20 Kilogramm auf die Waage bringt. „Wer eine Kooperation mit einem Seniorenheim hat, kann sie eventuell vor Ort lassen“, so Bleiel.
Zurzeit gibt es in Deutschland rund 3.000 Kooperationsverträge mit Alten- und Pflegeheimen. Dadurch sind rund 70 Prozent der Einrichtungen abgedeckt, aber nur 30 Prozent der Pflegebedürftigen sind in Heimen untergebracht, die übrigen werden zu Hause betreut. Das macht für die Seniorenzahnmediziner einen gewaltigen Unterschied, denn die stationär untergebrachten Menschen sind an einem Ort, was die Koordination der Behandlung erleichtert. Der reine Hausbesuch bei einem einzelnen Patienten ist hingegen wirtschaftlich kritisch, weil er oft mit großem Zeitaufwand verbunden ist. Die Politik hat zwar erkannt, dass Handlungsbedarf besteht und deshalb im Jahr 2013 Zuschläge für Einzelpatienten mit Pflegegrad eingeführt, „doch das reicht bei Weitem noch nicht“, so Bleiel. Positiv sei hingegen das Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz (PNG), das die Zahnärzte finanziell wirtschaftlich besserstellt und etwa die Abrechnung mit Bema-Punkten ermöglicht. Die Koordination der Besuche kann der Behandler selbst übernehmen, und er kann die Pflegenden schulen und dies auch abrechnen.
Die DGAZ, die intensiv an verschiedenen Gesetzesnovellen mitgearbeitet hat, um die Situation der Zahnärzte und der Senioren zu verbessern, bietet diverse Schulungen an. Eines davon ist das Curriculum Seniorenzahnmedizin, das deutschlandweit in verschiedenen Städten angeboten wird. Es bietet eine in sich geschlossene Folge von Aufbaukursen und wird durch ein Kolloquium abgeschlossen.
„Leider gibt es in Deutschland noch keinen Lehrstuhl für Seniorenzahnmedizin. Andere Länder, zum Beispiel die Schweiz, sind da weiter“, sagt Bleiel. Er hoffe aber, dass hierzulande ein Umdenken stattfindet und dieser zahnmedizinische Bereich in Zukunft mehr Gewicht erhält.
Weitere Infos finden sich auf der Homepage www.dgaz.org.