Sklerodermie ist eine systemische Autoimmunerkrankung, die mit einer Störung der Bildung des Bindegewebes einhergeht. Man unterscheidet eine oft lebensbedrohliche diffuse Variante von einer etwas milder verlaufenden lokalisierten Form der Erkrankung. Während erstere den gesamten Körper in meist schubhaften Verläufen befällt und neben der Haut und den Blutgefäßen rasch auch die inneren Organe angreift, kommt es bei der limitierten Form zu keinem generalisierten Befall.
Aufgrund der Ausprägung und Symptomatik wird letztere als CREST-Syndrom bezeichnet, das für Calcinosis cutis, Raynaud Phenomenon, Sklerodactyly und Teleangiectasia steht. Die bevorzugten Zielgewebe sind die Blutgefäße und das Bindegewebe der Haut und Unterhaut. Dennoch besteht auch hier die Gefahr der Entwicklung einer Lungenfibrose und einer pulmonalen Hypertonie mit der Genese eines Cor pulmonale durch Verlust und Destruktion der Lungengefäße. Ursache für die Störung und Überproduktion von Kollagen sind Autoantikörper, in erster Linie antinukleäre AK, bei der limitierten Form auch Anti-SCC70 und Anti Zentromer AK.
Mikrostomie und reduzierte Fingermobilität erschweren die Mundhygiene
Die Auswirkungen auf die oralen Gewebe haben unterschiedliche Ursachen. Autoimmune Prozesse wirken nicht nur lokal, sondern immer, zumindest bis zu einem gewissen Grad, auf den ganzen Körper. Orale Schleimhaut, Gingiva und Zahnhalteapparat enthalten reichlich Bindegewebe, welches logischerweise bei dieser Erkrankung mit betroffen ist. Die autoimmune Genese und die Begleiterscheinungen der Erkrankungen machen eine Reihe von Dauermedikationen erforderlich. Vor allem die oft notwendigen immunsuppressiven Therapien zeigen negative Auswirkungen auf die Mundgesundheit.
Ein charakteristisches hervorstechendes Merkmal der Sklerodermie, das fast 80 % der Erkrankten betrifft, ist die Verkleinerung der Mundöffnung durch Deposits von Kollagen im perioralen Gewebe. Durch diese Mikrostomie wird die Mundöffnung meist auf unter 4 cm beschränkt. Gleichzeitig kommt es zu einer erheblichen Einschränkung der Beweglichkeit der Finger (Klauenhände). Beides erschwert eine effektive Mundhygiene.
Xerostomie begünstigt Karies und Parodontitis
Viele Sklerodermiepatienten leiden unter einer schweren Xerostomie. Diese wird durch die krankheitsbedingten Ablagerungen von narbigem Bindegewebe um die Speicheldrüsen und ihre Ausfuhrgänge hervorgerufen. Die Permeabilität der Blutgefäße wird durch die kollagenbedingte Wandverdickung herabgesetzt und führt so zu einer zusätzlichen Verringerung der Speichelproduktion und begünstigt Entzündungen. Durch bakterielle Infektionen kommt es häufig zu rezidivierender Sialadenitis. Zudem haben Patienten mit Sklerodermie eine verstärkte Tendenz weitere Autoimmunerkrankungen, im Speziellen ein Sjögren-Syndrom zu entwickeln, das Zusammensetzung und Menge der Saliva weiter beeinträchtigt.
Der Speichelmangel geht mit Verlusten der Pufferkapazität, Mangel an Mineralstoffen wie Kalzium, Natrium, Kalium und Fluorid sowie einem Defezit in der lokalen Immunabwehr durch verringerte Produktion von IgA, Lactoferrin und Lysozym einher. Die Folgen sind eine erhöhte Anfälligkeit für Karies und für bakterielle Infektionen der Mundschleimhaut und des Parodontiums. Die Veränderungen der versorgenden Gefäßkapillaren verursachen eine abnorme parodontale Mikrozirkulation und eine Minderversorgung der Gewebe des Zahnhalteapparats analog einer diabetischen Mikroangiopathie. Auch am Zahnfleisch kommt es zu Teleangiektasien, die Gingiva wird „ausgehungert“ und atroph, die Vulnerabilität steigt. Das veränderte ökologische Gleichgewicht in der Mundhöhle bedingt auch eine Verschiebung innerhalb des oralen Mikrobioms in Richtung Artenverarmung und fördert Wachstum und Vermehrung pathogener Mikroorganismen.
Gemeinsam mit der erschwerten persönlichen Mundhygiene begünstigen diese Faktoren Genese und Progression von Parodontopathien. Durch die Vermehrung von Kollagen- und Oxytalanfasern (elastische Fasern) erweitert sich der parodontale Ligamentraum. Es kommt zu Resorption und Abbau des Alveolarknochens um die Zahnwurzeln und in der Folge zur Lockerung der Zähne und schließlich zum Zahnverlust. Bei einem Teil der Patienten werden Osteolysen sowie eine vermehrte Belastung des Kauapparats durch die Hautrigidität und Verdickung der umgebenden Gewebe an den Mandibularwinkeln, an den Kondylen, am Jochbogen und am Processus coronoideus der Mandibula beschrieben. Die Ursachen hierfür sind nicht eindeutig. Vermutlich sind verschiedene Faktoren wie die Atrophie der Kaumuskulatur, mangelnde Versorgung der Knochen und Knorpel durch Gefäßschäden beteiligt.
Nebenwirkungen notwendiger Therapien schaden den oralen Geweben
Die Behandlung der Autoimmunerkrankung durch Immunsuppressiva sowie die symptomatische Therapie der Folgeerscheinungen mittels Vasodilatoren, Kalziumkanalblocker und ACE-Hemmern hat zusätzliche negative Folgen für die Mundschleimhaut. Orale Ulzera und Gingivahyperplasien sind in diesem Zusammenhang keine Seltenheit. Besonders Patienten mit herausnehmbarem Zahnersatz leiden oft massiv unter Druckstellen und blutenden Geschwüren sowie unter rezidivierenden massiven Candidainfektionen.
Patienten mit Sklerodermie zählen wie alle Personen mit Autoimmunerkrankungen zu den Risikopatienten in der Zahnarztpraxis. Viele notwendige Behandlungen müssen an die erschwerenden Gegebenheiten, wie die Mikrostomie, angepasst werden. Die Xerostomie und ihre Folgen erfordern engmaschige Kontrollen und frühzeitige Intervention bei auftretenden Läsionen. Instruktionen zu einer optimierten persönlichen Mundhygiene in Anpassung an das Stadium der Erkrankung, wie die Verwendung abgewinkelter, flexibler zu handhabenden Zahnbürsten oder elektrischen Zahnbürsten und der Einsatz von fluoridhaltigen Zahnpasten und Mundwässern zu Kariesverhütung, können hilfreich sein. Den Speichelfluss fördernde Kaugummis, bis zu Kunstpeichelsubstitution und der Gabe von Pilocarpin bei massiver Xerostomie erleichtern das Kauen und Schlucken und verhindern Verletzungen der Mundschleimhaut durch harte Nahrungsbestandteile. Die therapeutischen Maßnahmen sollten zum Wohl des Patienten immer in Absprache und Koordination mit dem behandelnden Internisten durchgeführt werden.
Dr. Christa Eder, Wien